Lars Løkke Rasmussen Lars Løkke Rasmussen (Foto vom 8. Januar 2025)

Nach Vance-Besuch in Grönland "So redet man nicht mit engen Verbündeten"

Stand: 29.03.2025 13:55 Uhr

Nach der Kritik von US-Vizepräsident Vance an Dänemarks Sicherheitspolitik in Grönland meldet sich der dänische Außenminister zu Wort. Dabei bietet er Washington den Dialog an - hat aber auch eine klare Botschaft.

Die dänische Regierung hat die Vorhaltungen von US-Vizepräsident JD Vance wegen ihres Umgangs mit Grönland zurückgewiesen. "Wir sind offen für Kritik, aber um ehrlich zu sein, schätzen wir den Ton nicht, in dem sie formuliert wurde", sagte Außenminister Lars Lökke Rasmussen in einem Video, das auf der Onlineplattform X veröffentlicht wurde. "So redet man nicht mit engen Verbündeten - und ich betrachte Dänemark und die USA immer noch als enge Verbündete", fuhr der dänische Chefdiplomat fort.

Vance hatte mit seiner Frau und dem Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz sowie Energieminister Chris Wright dem US-Militärstützpunkt Pituffik in Grönland einen Kurzbesuch abgestattet. "Unsere Botschaft an Dänemark ist sehr einfach: Sie haben keine gute Arbeit für die Menschen in Grönland geleistet", sagte der US-Vizepräsident dabei. Die dänische Regierung habe "zu wenig in die Menschen in Grönland" sowie zu wenig in die Sicherheitsarchitektur investiert. 

Dänemark: Stärkere US-Militärpräsenz ist möglich

Obwohl Rasmussen seine Worte an "unsere amerikanischen Freunde und alle anderen, die zuhören" adressierte, bezog er sich in seinem Video eindeutig auf Vances Rede. Dabei wies er die Vorwürfe zurück und verband dies mit einem Verhandlungsangebot an die USA. "Das Verteidigungsabkommen von 1951 bietet den USA zahlreiche Möglichkeiten, eine stärkere Militärpräsenz auf Grönland zu haben", sagte er. "Wenn es das ist, was Sie wollen, lassen Sie uns darüber reden."

Der dänische Außenminister erinnerte daran, dass die USA 1945 noch 17 Stützpunkte sowie andere Militäreinrichtungen mit Tausenden Soldaten in Grönland unterhalten hätten und führte aus, wie die US-Militärpräsenz auf der zu Dänemark gehörenden Insel seitdem drastisch verringert wurde. Wenn die USA ihre Präsenz nun wieder ausweiten wollten, könne innerhalb der Vereinbarung mit Dänemark viel mehr getan werden, sagte Rasmussen.

Die USA unterhalten heute noch auf Grönland den Stützpunkt Pituffik. Der bis 2023 Thule Airbase genannte Stützpunkt ist ein Vorposten der US-Luftabwehr gegen Raketenangriffe vor allem aus Russland. Die kürzeste Distanz für russische Raketen gegen Ziele in den USA führt über Grönland.

US-Weltraumstützpunkt Pituffik
Der abgelegene US-Weltraumstützpunkt Pituffik im Nordwesten Grönlands ist die nördlichste Einrichtung des US-Verteidigungsministeriums. Betrieben wird er von der 821. Space Base Group.
Der Stützpunkt wurde im Anschluss an ein Verteidigungsabkommen zwischen Dänemark und den USA aus dem Jahr 1951 errichtet. Er unterstützt Raketenwarn-, Raketenabwehr- und Weltraumüberwachungsoperationen für die USA und die NATO. In Pituffik befindet sich der nördlichste Tiefseehafen der Welt.
Bis 2023 hieß der etwa 1.500 Kilometer von Grönlands Hauptstadt entfernte Stützpunkt Thule Air Base und wurde dann umbenannt, um die grönländische Geschichte zu würdigen.
Neun Monate im Jahr ist die US-Base vom Eis umschlossen. Per Flugplatz ist Pituffik jedoch ganzjährig erreichbar. Von November bis Februar herrscht ständige Dunkelheit, von Mai bis August ist es durchgehend hell.

Rasmussen hebt Investitionen in Verteidigung hervor

Konkret auf Vances Kritik an Kopenhagen entgegnete Rasmussen zudem: "Fakt ist, dass wir alle vom Frieden profitiert haben. Wir haben alle in der Annahme gehandelt, dass die Arktis eine Region niedriger Spannungen war und sein sollte. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der Status quo ist keine Option."

Dänemark habe daher bereits eine Milliarde US-Dollar (etwa 920 Millionen Euro) an Investitionen in die Sicherheit der Arktis beschlossen. Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass Grönland Teil der NATO sei, fügte Rasmussen hinzu.

Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen hatte Vances Kritik zuvor als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Zugleich erinnerte sie daran, dass ihr Land "viele Jahre lang" den USA "in sehr schwierigen Situationen zur Seite gestanden" habe. Dabei bezog sie sich auf die dänischen Kampfeinsätze an der Seite der US-Truppen im Irak und in Afghanistan.

Kritik nach Ankündigung des US-Besuchs

Die Ankündigung des Besuches von Vance sowie die zuvor bereits geplante Reise seiner Frau nach Grönland hatte bei grönländischen und dänischen Regierungsvertretern für scharfe Kritik gesorgt. Das ursprüngliche Besuchsprogramm wurde drastisch abgespeckt und auf den Stützpunkt beschränkt, den Vance mit seiner Delegation nach drei Stunden wieder verließ.

Die wiederholten Annexions-Drohungen der USA sorgen seit längerem für Irritationen und Spannungen. US-Präsident Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit im Jahr 2019 erklärt, Grönland kaufen zu wollen. Seit seinem Amtsantritt im Januar 2025 betonte er mehrfach, das arktische Inselgebiet unter US-Kontrolle bringen zu wollen. Ob dies auch mit militärischen Mitteln erfolgen solle, ließ er offen. Erst am Tag des Besuches von Vance bekräftigte Trump, dass sein Land Grönland zur Wahrung der "internationalen Sicherheit" brauche.

Grönländische Parteien schmieden Koalition

Dänemark und Grönland lehnen eine Annexion entschieden ab. "Wir können die wiederholten Aussagen zur Annexion und Kontrolle Grönlands nicht akzeptieren", erklärten der bisherige Regierungschef und künftige Finanzminister Múte B. Egede und die Spitzen der weiteren grönländischen Parlamentsparteien gemeinsam. 

Eingeladen hatte Vance von offizieller grönländischer Seite niemand. Vielmehr demonstrierten die Inselpolitiker am Tag des Vance-Besuches größtmögliche Einheit: Vier der fünf Parlamentsparteien unterzeichneten in Nuuk einen Vertrag zu einer breit aufgestellten Regierungskoalition, mit der sie dem Druck aus den USA standhalten wollen.

Strategisch bedeutsame Insel in der Arktis

Auf der größten Insel der Welt leben rund 57.000 Menschen. Im Boden lagern wertvolle Rohstoffe, die bisher kaum genutzt werden. Außerdem verlaufen in der Region wichtige Schifffahrtsrouten. Grönland ist zudem durch seinen immer schneller schmelzenden Eisschild bedeutend für das Weltklima - aber auch für die militärische Kontrolle der Arktis, in die der russische Präsident Wladimir Putin weitere Soldaten entsenden will, wie er gerade angekündigt hat.

Seit 1979 ist Grönland in vielen Bereichen autonom, doch entscheidet etwa über Außen- und Verteidigungspolitik noch immer die ehemalige Kolonialmacht Dänemark.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 29. März 2025 um 14:45 Uhr.