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Kanadas Liberale Partei Politisches Comeback dank Trump-Effekt
In Kanada hat sich die politische Stimmung dramatisch gewendet: Nach ständigen Tiraden von US-Präsident Trump liegen nun die Liberalen des scheidenden Premiers Trudeau in Umfragen wieder vorn.
Vor nicht einmal zwei Monaten schien das Schicksal der regierenden Liberalen Partei in Kanada besiegelt. Immer mehr führende Parteifreunde hatten sich von Premierminister Justin Trudeau distanziert. Dem blieb nichts anderes übrig, als seinen Rückzug als Parteichef und Premierminister anzukündigen. Die Liberalen rutschten in Umfragen unter 20 Prozent.
Dagegen erreichten die Konservativen das Doppelte und lagen in der Wählergunst bei mehr als 40 Prozent. Für viele politische Beobachter in Ottawa galt der konservative Oppositionschef Pierre Poilievre schon als der künftige Premierminister Kanadas.
Meinungsforscher sehen "beispiellose" Entwicklung
Umso größer nun der Schock bei den Konservativen und die Überraschung bei den Meinungsforschern über die Ergebnisse von drei neuen Umfragen, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. "Absolut beispiellos", bringt es Darrell Bricker auf den Punkt. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Ipsos in Toronto hat einen solch gravierenden Meinungsumschwung in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht erlebt.
In der aktuellen Ipsos-Umfrage haben die Liberalen die Konservativen in der Wählergunst überholt. Innerhalb von nur sechs Wochen sind sie von weniger als 20 Prozent auf jetzt 38 Prozent angestiegen. Die Konservativen sind von über 40 Prozent auf 36 Prozent gefallen. Auch die beiden anderen Umfragen sehen die Liberalen jetzt knapp vor den Konservativen oder gleichauf.
Was ist in Kanada passiert? "Eine Kombination aus zwei Faktoren. Ein Faktor allein hätte dies nicht bewirken können“, erklärt Meinungsforscher Darrell Bricker. "Der erste Faktor war der Rückzug von Justin Trudeau und der zweite Faktor waren die Drohungen von Donald Trump einschließlich der Zölle." Beide Faktoren zusammen verhalfen den Liberalen zu einem kaum mehr für möglich gehaltenen Comeback.
"Team-Canada"-Patriotismus
Die beiden Favoriten für die Nachfolge von Trudeau nutzten geschickt die Anti-Trump-Stimmung in Kanada und den "Team Canada"-Patriotismus. Die frühere Finanzministerin und stellvertretende Premierministerin Chrystia Freeland unterstrich, sie habe Trump schon 2018 bei den Verhandlungen um ein neues Freihandelsabkommen erfolgreich die Stirn geboten.
Und der frühere Notenbank-Chef von Kanada und Großbritannien, Mark Carney, attackierte im TV-Duell der Liberalen um die Nachfolge Trudeaus den Parteichef der Konservativen Pierre Poilievre: "Wer ist am schlechtesten geeignet, Donald Trump entgegenzutreten? Es ist Pierre Poilievre. Er betet Trump an und spricht wie Trump. Das ist nicht die richtige Person für unser Land in dieser kritischen Zeit."
Negativ-Werbespots gegen Oppositionschef Poilievre
Dabei ist Pierre Poilievre ein Mainstream-Konservativer und kein Trumpist. Ähnlich wie Trump wettert Poilievre jedoch auch gerne gegen "fake news", die "woke" Ideologie und die radikale Linke. Eine Steilvorlage für die Liberalen. In den kanadischen Medien läuft derzeit ein Negativ-Spot, in dem ähnliche Zitate von Poilievre und Trump direkt hintereinander geschnitten sind. Die Botschaft: Poilievre ist wie Trump.
Am 9. März entscheiden die Liberalen, wer die Nachfolge von Justin Trudeau antritt. Egal ob sich Chrystia Freeland oder Mark Carney durchsetzt: beide würden im Wahlkampf gegen die Konservativen von Trumps Strafzöllen und seiner verunglimpfenden Rhetorik profitieren. "Team Canada" will nicht der "51. US-Bundesstaat" werden. Trumps Tiraden könnten den Liberalen zum erneuten Wahlsieg verhelfen.