Wladimir Putin
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25 Jahre an der Macht Wie stabil ist Putins System?

Stand: 26.03.2025 06:42 Uhr

Nach 25 Jahren an der Macht wirkt Russlands Präsident Putin schlagkräftiger denn je. Europa fürchtet sich. Die Opposition ist fast erloschen. Eine dritte Generation Putin-Höriger füllt den Machtapparat. Doch Schwächen sind sichtbar.

Eine Analyse von Silvia Stöber , tagesschau.de

Am 26. März 2000 ist Wladimir Putin zum ersten Mal als Präsident Russlands gewählt worden. Wer hätte damals erwartet, dass der schmächtige 48-jährige Ex-KGB-Offizier die Macht über das größte Land der Erde jahrzehntelang nicht mehr hergeben würde?

Nach zwei Amtszeiten überließ er 2008 Dmitri Medwedjew für vier Jahre den Präsidentenposten, während er als Ministerpräsident scheinbar aus der zweiten Reihe regierte. Doch 2012 zurück im Kreml zog Putin die Zügel an. Die Proteste gegen seine Rückkehr an die Staatsspitze ließ er niederschlagen. Es war der Auftakt für eine zunehmende Einschränkung demokratischer Rechte.

Die unausgesprochene Vereinbarung mit der Bevölkerung, die Menschen halten sich im Gegenzug für wachsenden Wohlstand aus der Politik heraus, ersetzte er mit dem Abflauen des Wirtschaftsaufschwungs durch Repression. Nur noch wenige wagen Widerspruch. Nach dem Tod von Alexej Nawalny 2024 blieb die überwiegend im Exil lebende Opposition schwach und zerstritten zurück.

Die Schwäche der anderen

Außenpolitisch und militärisch tritt Russland nun so aggressiv auf, dass nicht nur seine Nachbarländer ein Schicksal wie die Ukraine fürchten. Auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND zum Beispiel warnt, dass Putin 2030 in der Lage sein werde, durch stetige Aufrüstung die NATO anzugreifen. Und er sei gewillt, das Bündnis zu testen.

Experten verweisen zwar auf die Risiken für Russland, die die Umwandlung in eine Kriegswirtschaft durch drohende Überhitzung mit sich bringt. Doch zunächst einmal profitieren breite Teile der Bevölkerung von einem höheren Einkommen. Und es bleiben trotz Bevölkerungsrückgangs genug Ressourcen für den Zermürbungskrieg gegen die Ukraine, auch dank der Allianz mit autoritären Staaten von Iran bis China.

Noch immer gelingt es Putin mit Drohungen vor einem Atombombeneinsatz, mit Desinformation und Sabotage Ängste zu verbreiten, die Russland größer erscheinen lassen, als es ist. Putins Stärke besteht vor allem darin, die Schwäche der anderen auszunutzen.

Loyalität wichtiger als Kompetenz

Doch bleibt die Frage, wie langlebig ein auf Zerstörung ausgerichtetes System ist - zumal wenn Putins Blick ganz auf den Machterhalt gerichtet ist und aus dieser Perspektive Land und Menschen nur als Ressource gesehen werden, wie beispielsweise die Russland-Experten Fiona Hill und Clifford Gaddy in einer Biografie über Putin schrieben.

Zu sehen ist dies immer wieder an der unzureichenden Aufarbeitung von Anschlägen und anderen Ereignissen mit hohen Opferzahlen. Das belegen Recherchen der russischen Autoren Irina Borogan und Andrei Soldatow zu den russischen Geheimdiensten. Statt Verantwortliche in den Sicherheitsbehörden zu belangen, seien diese noch ausgezeichnet und befördert worden. Loyalität zähle mehr als Kompetenz.

Die Sicherheitsbehörden und insbesondere der Inlandsgeheimdienst FSB bilden nach innen und außen das Rückgrat der Machtstruktur. Obwohl dieses System einige Fehlleistungen hervorgebracht hat, wie falsche Einschätzungen zur Lage in der Ukraine vor der Invasion am 24. Februar 2022, nahm Putin in den vergangenen Jahren keine grundlegenden Änderungen mehr an diesem Apparat vor.

Nachwachsende Generationen

Mehr Beweglichkeit gibt es hingegen im politischen Apparat. Während einige langjährige Weggefährten Putins wie Ex-Verteidigungsminister Sergej Iwanow ihre Positionen verloren, ist im Regierungsapparat bereits eine zweite und dritte Generation nachgerückt.

Zu jener zweiten Generation sind Politiker im Alter von Ministerpräsident Michail Mischustin zu zählen, der Jahrgang 1966 ist und zu den Technokraten gezählt wird. Zur nächsten, der dritten Generation etwa gehört Dmitri Patruschew. Der Filius von Ex-FSB-Chef Nikolai Patruschew ist Vizeministerpräsident und für Landwirtschaft zuständig. Eine Eier- und Hühnerkrise im Land überstand er unbeschadet.

Inzwischen werden eine ganze Reihe von Politikern als Nachrücker in mächtige Positionen bis zum Präsidenten selbst gehandelt, die üblicherweise mehrere Stationen durchlaufen haben. Dazu zählt ein Universitätsabschluss und einige Jahre im Wirtschafts- oder Finanzsektor, oft auch in den Sicherheitsbehörden. Ein Gouverneursposten in den Regionen gilt als wichtige Empfehlung vor dem Wechsel in die Regierung oder in die Präsidialadministration im direkten Umfeld Putins.

Zu den potenziellen Anwärtern für den Präsidentenposten selbst zählen so unterschiedliche Figuren wie der ehemalige Bodyguard Putins, Alexej Djumin, der inzwischen Sekretär des Staatsrates der Russischen Föderation ist, oder auch der Vizechef der Präsidialverwaltung, Sergej Kirjienko.

Unbedingte Loyalität

Teil dieser Personalpolitik Putins könnte es sein, keinen klaren Nachfolger erkennen zu lassen, um nicht selbst als "lahme Ente" dazustehen. Unklar ist, wie das von Putin geschaffene System ohne ihn funktionieren würde. Er hält es durch den Anspruch auf unbedingte Loyalität zusammen, erpresst durch kompromittierendes Material, das er in Dossiers zu sammeln pflegt, wie Hill und Gaddy schrieben.

Auch die folgenreichsten Entscheidungen wie die Annexion der Krim oder den Angriffsbefehl auf die Ukraine am 24. Februar 2022 trifft er Berichten zufolge im kleinsten Kreis, zu denen Außenminister Sergej Lawrow zum Beispiel nicht gehören soll.

Lähmendes Abwarten

Russland-Experten wie Mark Galeotti konstatieren eine Entscheidungsschwäche bei Putin, die sich als lähmend für den Regierungsapparat erweisen kann. Ein aktuelles Beispiel ist der Vorschlag eines Waffenstillstands in der Ukraine.

Vor einer Antwort ließ Putin Tage verstreichen, in denen sich sein außenpolitischer Berater Juri Uschakow neben zahlreichen anderen Stimmen in den russischen Medien äußerte, bevor Putin schließlich selber von einem begrenzten Waffenstillstand als Zugeständnis an Trump sprach.

Diese häufig auch schrillen Äußerungen in den Medien beschreibt Galeotti in seinem Podcast "In Moscow's Shadows" als Versuch, zum Präsidenten durchzudringen, der sich ansonsten auf die Informationen verlasse, die ihm die Sicherheitsbehörden täglich zusammenstellen. Wenn Politiker wie Ex-Präsident Medwedjew oder Extremisten wie Alexander Dugin schwer beleidigende oder abseitige Tweets schreiben, so sehen Experten darin auch die Absicht, Putin als besonnen darzustellen, ohne den das Land dem Untergang geweiht wäre.

Eingeschränkte Handlungsoptionen

Wobei Ereignisse wie die Meuterei des Gewaltunternehmers Dmitri Prigoschin, der Anschlag auf ein Einkaufszentrum in Moskau im Jahr 2024 oder der - ungewollte - Beschuss eines Passagierflugzeuges bei Grosny Ende 2024 nicht nur immer wieder unschuldige Leben kosten, sondern auch Fragen aufwerfen, wie reaktionsfähig insbesondere der Sicherheitsapparat ist.

Hinzu kommt, dass zum Beispiel dieser Abschuss der Maschine der aserbaidschanischen Fluglinie AZAL bei Grosny die Handlungsoptionen Putins einschränkt. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew nutzte diesen schwerwiegenden Vorfall für eine Reihe von Forderungen, auf die Putin eingehen musste, weil der südliche Nachbar als Verbindung zum Iran von erheblicher infrastruktureller Bedeutung ist, auch zur Umgehung von Sanktionen.

Von außen wirkt das System Putin stark, wie es im Inneren aussieht - ob der Baum hinter der Borke gesund oder morsch ist - darüber lässt sich nur spekulieren. Charakter diktatorisch geführter Regime ist es, dass sie stabil wirken, bis ein Ereignis Risse im System offenlegt und die erstarrten Strukturen zerbrechen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. März 2025 um 09:05 Uhr.