Bundestagswahl 2025

Unions-Fraktion im Bundestag

Frauen im neuen Bundestag Weitgehend unter Männern

Stand: 27.02.2025 17:49 Uhr

Im neuen Bundestag werden weniger Frauen sitzen. Ihr Anteil sinkt auf nur noch 32,4 Prozent. Das liegt vor allem an den Wahlergebnissen von CDU, CSU und AfD.

Von Marie Blöcher und Isabel Schneider, NDR

Yvonne Magwas (CDU) verlässt den Berliner Politikbetrieb. Sie ist bei der Wahl am 23. Februar nicht mehr für den Bundestag angetreten. Es sind vor allem persönliche Gründe, die sie zum Ausscheiden bewogen haben. Doch auch die Anfeindungen, die sie zuletzt als Abgeordnete im Bundestag erlebt hat, haben sie beschäftigt: "Der Ton ist rauer geworden, ich bin beleidigt worden, ich bin diffamiert worden."

Dabei habe auch ihr Geschlecht immer wieder eine Rolle gespielt: "Es waren vor allen Dingen Männer, die mich beleidigt haben, sowohl per Telefon als auch im Netz, aber auch analog." Auf Magwas' Sitz im Bundestag folgt nun ein Mann. Wieder eine Frau weniger.

Yvonne Magwas

Yvonne Magwas war zuletzt Vizeperäsidentin des Bundestages.

Frauenanteil leicht gesunken

Der Bundestag ist schon immer ein recht männlich geprägter Ort: Zuletzt lag der Frauenanteil dort bei 35,7 Prozent. Immerhin: So viele Frauen saßen dort fast noch nie. Doch mit der Wahl vom vergangenen Sonntag wird der Anteil der weiblichen Abgeordneten wieder sinken: auf rund 32,4 Prozent.

Grund für den Rückgang des Frauenanteils im neuen Bundestag ist vor allem das Erstarken von Union und AfD, beide Parteien haben besonders wenige Frauen in den eigenen Reihen. Der Frauenanteil in ihren Bundestagsfraktionen liegt jetzt bei nur rund 23,1 Prozent (Union) und rund 11,8 Prozent (AfD). Den höchsten Frauenanteil im neuen Bundestag haben dagegen die Fraktionen der Grünen mit 61,2 Prozent und der Linken mit 56,2 Prozent.

Erklärungsversuche der Parteien

Auch in der SPD-Fraktion ist der Frauenanteil mit der aktuellen Wahl gesunken: von 43 auf 41,7 Prozent. Die Partei betont auf Anfrage den immer noch "hohen Anteil von SPD-Frauen". Tatsächlich liegt dieser immer noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt der Abgeordneten im Bundestag. Die AfD erklärt zum geringen Frauenanteil in ihrer Fraktion: "Der Frauenanteil der Fraktion ergibt sich aus dem Ergebnis demokratischer Wahlen. Auf diese hat die Fraktion keinen Einfluss."

Die CDU hat als stärkste Kraft nun die meisten Sitze im Bundestag. Und prägt damit auch maßgeblich den Frauenanteil im gesamten Parlament. Und obwohl die CDU 2022 eine Quote für die sogenannten Listenplätze beschlossen hat, sind anteilig für die Partei sogar weniger Frauen in den Bundestag eingezogen als bei vorherigen Wahlen. Das liegt daran, dass die Partei ihre Sitze größtenteils über direkte Wahlkreismandate gewinnt.

Der CDU-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte in den Monaten vor der Bundestagswahl öffentlich für mehr Frauen als Kandidatinnen in Wahlkreisen geworben. Im ARD-Politikmagazin Panorama erklärte er kurz vor der Wahl: "Es gibt viele Frauen, die in den Wahlkreisen aufgestellt worden sind. Und jetzt geht es darum, dass sie ihre Wahlkreise gewinnen. Ich werde auch viele von den Frauen unterstützen, habe das auch in der Vergangenheit schon getan." Er rechne daher mit einem steigenden Frauenanteil für die CDU im nächsten Bundestag, sagte Merz.

Wenige Direktkandidatinnen bei CDU und CSU

Doch diese Hoffnung von Merz hat sich nicht erfüllt: In den 252 Wahlkreisen von der CDU wurden zur Bundestagswahl nur 60 Frauen aufgestellt. Die CSU nominierte in den 47 bayerischen Wahlkreisen nur 12 Frauen als Kandidatinnen. Damit ist es der Union nicht gelungen, ihren Frauenanteil signifikant zu erhöhen.

Die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp erklärt im Interview mit Panorama, bei der Nominierung der Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten seien der Parteispitze die Hände gebunden. Es sei deshalb zentral, Frauen auf kommunaler Ebene zu stärken. Doch auf kommunaler Ebene stoßen Frauen, die sich politisch engagieren wollen, offenbar auf strukturelle Hürden.

Schwerer Stand für Frauen in den Wahlkreisen

In Panorama berichtet die Vorsitzende der CDU Dormagen, Anissa Saysay: "Als ich Interesse bekundet habe, mich für den Parteivorsitz mitzubewerben, bin ich sofort damit konfrontiert worden, wie ich das denn mit der Kinderbetreuung machen würde. Bis dahin wurden mir diese Fragen nicht gestellt. Diese Fragen wurden mir erst gestellt, als ich gesagt habe, ich möchte mit am Entscheidungstisch sitzen."

Laut Saysay ist es für Frauen immer noch schwierig, sich als Wahlkreiskandidatin vor Ort zu behaupten: "Im Moment sieht das nicht so aus, dass - wenn Männer auf einem festen Wahlkreis sitzen und etabliert sind - eine Frau von außen oder als Quereinsteigerin eine echte Chance hat." Saysay hätte sich zwar selbst nicht vorstellen können, bei dieser Wahl zu kandidieren, aber sie sei auch nicht danach gefragt worden, sagt sie.

Auch die frühere Kulturstaatsministerin und Berliner CDU-Chefin Monika Grütters sieht mit Blick auf die eigene Partei wenig Bewegung zu einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen. "Das Klima Frauen gegenüber ist in der CDU zuletzt trotz des Beschlusses zur Quotierung auf Wahllisten nicht gerade freundlicher geworden. Ich glaube, es täte der Partei gut, wenn sie gezielter und systematischer auf weibliche Perspektiven setzen würde." Auch andere CDU-Bundestagsabgeordnete berichten in vertraulichen Gesprächen mit Panorama, dass sie in Teilen der Union einen Rückschritt bei der Frauenförderung wahrnehmen.

"Demokratie basiert auf Gleichheit"

Der niedrigere Anteil von weiblichen Abgeordneten hat nach Ansicht von Expertinnen direkte Auswirkungen auf die politische Arbeit des Parlaments: "Demokratie basiert auf Gleichheit und darauf, dass alle Teile der Gesellschaft repräsentiert werden. Und wenn Frauen und Männer nicht die gleichen Zugangschancen haben zu politischen Ämtern, zu Entscheidungspositionen, dann können sie das Land nicht gleichberechtigt mitgestalten", erklärt Sheyda Weinrich von der Bundesstiftung Gleichstellung.

Ein noch niedrigerer Frauenanteil im Deutschen Bundestag habe zudem Signalwirkung nach außen, sagt Silke Laskowski, Expertin für Parität und Antidiskriminierungsrecht von der Universität Kassel: "Ein Parlament, in dem kaum Parlamentarierinnen zu finden sind, signalisiert: Frauen sind in der Politik in Deutschland nicht wichtig, ihre Perspektiven und Themen sind nicht wichtig."

Die CDU-Politikerin Rita Süssmuth, ehemalige Bundesministerin und Bundestagspräsidentin und Mitbegründerin der Initiative #ParitätJetzt, kommentiert den gesunkenen Frauenanteil im neuen Bundestag auf Anfrage von Panorama so: "Ein sinkender Frauenanteil im Bundestag bedeutet einen Rückschritt für unsere gesamte Gesellschaft. Ein Parlament, das nicht die Realität unseres Landes widerspiegelt, verliert an Glaubwürdigkeit. Zudem ist es ein fatales Signal in einer Zeit, in der Frauenrechte weltweit zunehmend unter Druck geraten."

Mehr zu diesem Thema sehen Sie hier: Neuer Bundestag: Unter Männern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 25. Februar 2025 um 09:25 Uhr in den Nachrichten.