Bundestagswahl 2025
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23 Kandidaten gehen leer aus Der Frust der Wahlkreisgewinner ohne Mandat
Nicht alle Gewinner der Wahl kommen in den Bundestag. Grund dafür ist die Wahlrechtsreform. Bei den betroffenen Kandidaten in den Wahlkreisen ist der Frust nun groß.
Am Wahlabend kommt es in Augsburg zu einem Eklat. Als der CSU-Kandidat Volker Ullrich die Wahlversammlung der Stadt betritt, geht die Grünen-Politikerin Claudia Roth auf ihn zu. Doch Ullrich denkt gar nicht daran, seiner Konkurrentin die Hand zu schütteln. "Gehen Sie weg", blafft Ullrich in Richtung Roth. "Sie sind keine Demokratin!"
Roth erwidert kurz darauf: "Das ist unter jeder Gürtellinie. Wenn wir so weitermachen, dann machen wir das Geschäft der Anti-Demokraten." Ein Video des Bayerischen Rundfunks zeigt den Vorfall.
Der Frust sitzt tief
Der Frust beim CSU-Politiker Ullrich sitzt tief. Mit 28,4 Prozent hat er den Wahlkreis Augsburg-Stadt zwar knapp gewonnen. Wegen der neuen Wahlrechtsreform zieht er nun aber doch nicht in den Bundestag ein.
Ullrich ist damit nicht allein. Insgesamt 23 Wahlkreissieger bekommen nun doch kein Mandat. Grund ist eine Neuerung im Wahlrecht. Demnach reicht es für einen Kandidaten nicht mehr aus, nur den Wahlkreis zu gewinnen. Zusätzlich muss die Partei genug Zweitstimmen holen. Diese sogenannte Zweitstimmendeckung hatte die ehemalige Ampel-Regierung eingeführt. Sie soll unter anderem die Begrenzung des Bundestags auf 630 Sitze garantieren. Die Neuerung betrifft vor allem die Union.
Als Folge der Reform gehen diesmal 15 Kandidaten der CDU leer aus, die in ihren Wahlkreisen die meisten Erststimmen geholt hatten. Außerdem trifft es vier Kandidierende der AfD, drei der CSU und eine Kandidatin der SPD. Am häufigsten tritt die Besonderheit des neuen Wahlrechts in Baden-Württemberg auf, und zwar sechs Mal. In Hessen gibt es den Fall in fünf Wahlkreisen, in Bayern und Rheinland-Pfalz in je drei. Jeweils einmal gehen Wahlkreisbewerber oder -bewerberinnen in Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein leer aus.
Union will Rücknahme der Reform
Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestags gibt es damit mehrere "verwaiste Wahlkreise" - also Regionen, die nicht mit einem direkt gewählten Abgeordneten im Parlament vertreten sind. Überraschend kommt das nicht. So hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Juli 2024 die Neuregelung im Wahlrecht geprüft und kam zu einem klaren Urteil: "Das Zweitstimmendeckungsverfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar."
In der Praxis sorgt das neue Wahlrecht mit seinen sieglosen Gewinnern für teils absurde Situationen - wie in Augsburg. Hier muss Volker Ullrich (CSU) nicht nur trotz Wahlsieg auf sein Mandat verzichten. Gleichzeitig muss er auch akzeptieren, dass die Zweitplatzierte Claudia Roth (Grüne) trotzdem ins Parlament kommt, obwohl sie weniger Erststimmen holte als er. Roth erhält ihr Mandat nämlich über die Landesliste der Grünen.
Persönlich haben sich die beiden inzwischen ausgesprochen. Ullrich hatte sich noch am Wahlabend bei Roth entschuldigt. Sie nahm die Entschuldigung an, sagte dem Bayerischen Rundfunk aber, sie sei schockiert über das, was da eben geschehen sei.
In Sachen neues Wahlrecht ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. CDU und CSU wollen die Regeln so bald wie möglich überarbeiten. Noch im vergangenen Dezember hieß es aus der Union, eine Rücknahme der Wahlrechtsreform sei Bedingung für eine Koalition.