Das Wort "Solidaritätszuschlag" ist neben einem Taschenrechner und einem Textmarker auf einem Steuerbescheid zu sehen.

Urteil des BVerfG Der Soli bleibt - vorerst

Stand: 26.03.2025 13:50 Uhr

Karlsruhe hat entschieden: Der Soli darf bleiben. Die Kläger hoffen trotzdem perspektivisch auf die Abschaffung. Und auch in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD dürfte die Frage spannend werden.

Von Klaus Hempel , ARD-Rechtsredaktion

Geklagt hatten sechs Abgeordnete der FDP, darunter der frühere Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr sowie Florian Toncar, bis zum Platzen der Ampel-Regierung parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Die Kläger meinten, dass der Solidaritätszuschlag nicht mehr erhoben werden darf. Sie verwiesen darauf, dass der Soli bereits 1995 eingeführt wurde, mit dem Ziel, die Kosten der Wiedervereinigung und den Aufbau Ost mitzufinanzieren.

Die Wiedervereinigung sei mittlerweile in finanzieller Hinsicht abgeschlossen. Daher sei es nicht mehr gerechtfertigt und verfassungswidrig, den Soli weiterhin zu erheben, so die Kläger.  

"Laut Gericht gibt keinen offensichtlichen Wegfall dieses finanziellen Mehrbedarfs", Melanie Marks, ARD-aktuell, zum Soli-Urteil

tagesschau24, 26.03.2025 10:00 Uhr

Dem ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Der Bund dürfe den Solidaritätszuschlag weiterhin erheben, erklärte die Richterin des Zweiten Senats Christine Langenfeld bei der Urteilsverkündung. "Der Zweite Senat hat heute festgestellt, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags sowohl im Jahr 2020 als auch in modifizierter Form seit dem Jahr 2021 verfassungsgemäß ist."

Ursprünglich mussten den Soli alle Steuerpflichtigen zahlen. 2021 änderte die damalige Große Koalition die Regelung. Seitdem müssen rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen den Soli nicht mehr zahlen, nur noch Gutverdiener und Unternehmen. Auch bei Kapitalerträgen wird er fällig.  

Mehrbelastung muss regelmäßig geprüft werden

In seiner Entscheidung betont das Bundesverfassungsgericht zunächst, dass der Solidaritätszuschlag grundsätzlich nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden darf. Den Gesetzgeber treffe dabei eine "Beobachtungsobliegenheit". Das bedeutet: Er muss regelmäßig prüfen, ob es weiterhin finanzielle Mehrbelastungen gibt, die durch die Wiedervereinigung entstanden sind.

Bundesverfassungsgericht bestätigt Solidaritätszuschlag und weist Klage ab

Christoph Kehlbach, SWR, tagesthemen, 26.03.2025 22:15 Uhr

Wesentlich für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war ein Gutachten des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Experten des DIW untersuchten, inwieweit der Bund nach wie vor Mehrbelastungen finanzieren muss, die mit der Wiedervereinigung zusammenhängen. Für die Entscheidung des Gerichts sei dieses Gutachten eine wichtige Grundlage gewesen, machte Verfassungsrichterin Langenfeld deutlich:

Ein im Verfahren vorgelegtes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass selbst 30 Jahre nach der Wiedervereinigung trotz positiver Entwicklungen noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland verbleiben. Es gebe noch bis 2030 in bestimmten Bereichen wiedervereinigungsbedingte Belastungen des Bundeshaushalts.

Abweichende Einschätzungen

Die Experten hatten den Mehrbedarf auf elf bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Zwar waren während der mündlichen Verhandlung im vergangenen November andere Wirtschaftsexperten zu abweichenden Bewertungen und Einschätzungen gekommen. Dies, so Richterin Langenfeld, sei für das Gericht aber nicht maßgeblich gewesen: "Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, eine Auswahl zwischen den unterschiedlichen ökonomischen Annahmen zu treffen, solange die Annahme, auf die sich der Gesetzgeber gestützt hat, nicht evident neben der Sache liegt."

In diesem Zusammenhang verwies der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass dem Gesetzgeber bei der Frage des Finanzierungsbedarfs ein gewisser Einschätzungsspielraum zukomme, den das Gericht zu beachten habe.  

Auch die Bundesregierung hatte vor Gericht argumentiert, dass die Wiedervereinigung den Bund nach wie vor finanziell belaste. Luise Hölscher, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, verwies dabei unter anderem auf geringere Steuereinnahmen im Osten. "Das, was an Steuereinnahmen reinkommt, ist in den neuen Bundesländern nachweislich geringer", sagte sie. "Das hat verschiedene Ursachen. Und das ist für uns der Grund zu sagen: Wir brauchen nach wie vor den Solidaritätszuschlag, um Investitionen vor Ort auch finanzieren zu können."

Toncar trotz Scheitern optimistisch

Kläger Toncar zeigte sich trotz der Niederlage vor Gericht optimistisch, dass der Soli in ein paar Jahren aufgrund veränderter Rahmenbedingungen gestrichen werden müsse. Der Soli werde dann verfassungswidrig, wenn der durch die Wiedervereinigung bedingte Mehrbedarf wegfalle, sagte er nach der Urteilsverkündung. Zudem drängte der FDP-Politiker eine neue Bundesregierung zur freiwilligen Abschaffung des Zuschlags. "Es wäre politisch richtig, den Soli sofort abzuschaffen."

Spannend wird nun die Frage sein, wie Union und SPD mit dem Thema bei den laufenden Koalitionsverhandlungen umgehen werden. Die SPD will am Soli festhalten. Johannes Fechner von der SPD, der bei der Urteilsverkündung anwesend war, sieht seine Partei durch das Urteil gestärkt: "Das ist Rückenwind für unsere Position, dass wir den Solidaritätszuschlag beibehalten sollten, erhoben nur von den oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen."

CDU und CSU hatten im Wahlkampf dagegen gefordert, den Soli ersatzlos zu streichen, um Arbeitnehmer und Unternehmen zu entlasten. 

Az. 2 BvR 1505/20

Alena Lagmöller, SWR, tagesschau, 26.03.2025 10:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. März 2025 um 12:00 Uhr..