Sergej J. Netschajew steht am 16. April 2025 während einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen am Ehrenmal

Trotz scharfer Kritik Russlands Botschafter nimmt an Gedenkfeier teil

Stand: 25.04.2025 13:34 Uhr

Der Handschlag sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten 1945 im sächsischen Torgau ging in die Geschichte ein. Bei der Gedenkfeier wollte die Ukraine keine russischen Vertreter. Doch der Botschafter kam.

Trotz scharfer Kritik hat der russische Botschafter Sergej Netschajew an den Feierlichkeiten im sächsischen Torgau zum 80. Jahrestag des Aufeinandertreffens US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten am 25. April 1945 teilgenommen.

Vorab hatte es Streit über seine Teilnahme an der Gedenkveranstaltung gegeben. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev hatte noch kurz vorher gefordert, die angekündigte Teilnahme des Russen zu unterbinden.

Netschajew sagte auf die Frage, was er dazu sage, dass er nicht willkommen sei: "Ich spüre das nicht. Ich fühle mich wohl." Er meldete sich auf Deutsch zu Wort: "Heute müssen wir erinnern an die gefallenen Soldaten", sagte der russische Diplomat umringt von Journalisten und Bürgern. "Der Tag ist deswegen sehr wichtig für uns."

Kretschmer: "Es liegt an Russland, diesen Krieg zu beenden"

Dazu, dass er kein Rederecht bekommen hat, sagte der Botschafter: "Wir haben die Möglichkeit, unsere Position zur Kenntnis zu bringen." Netschajew sprach am Ort auch mit Bürgern. Am Revers trug er das sogenannte Sankt-Georgs-Band, das traditionell als Zeichen der Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Krieg gilt, seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aber als Symbol russischer Propaganda in der Kritik steht.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wandte sich mit deutlichen Worten zum Krieg in der Ukraine an den russischen Botschafter. "Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Nicht 2021, sondern schon 2014. Und es liegt an Russland, nur an Russland, diesen Krieg zu beenden", sagte der CDU-Politiker in Richtung des russischen Botschafters. Dafür erhielt Kretschmer einige Buhrufe aus dem Publikum.

"Es ist auch eine geschichtliche Realität, dass es viele Menschen der Roten Armee waren, zwölf Millionen Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee, die in diesem Zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben", sagte Kretschmer. Darunter seien sehr viele Russen gewesen, aber auch Ukrainer, Belarussen oder Georgier. "Es wäre schöner, angemessener, wenn auch Vertreter der Ukraine, Georgiens oder Belarus bei uns wären", sagte Kretschmer. "Dass sie nicht kommen, hat vermutlich mit der Anwesenheit des russischen Kollegen zu tun."

Makeiev: Handschellen statt Handschlag für Russland

Die ukrainische Seite hatte einen möglichen Besuch von russischen Vertretern zuvor scharf kritisiert. "Offiziellen Vertretern des dafür verantwortlichen verbrecherischen Regimes kann an der Elbe nur auf eine Weise begegnet werden - mit Ausladung und Teilnahmeverbot", sagte der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev der Nachrichtenagentur dpa. "Sonst belohnt man Angriffskriege und verspottet den Friedensschwur als Farce."

Russland habe diesen Schwur "mit einem völkermörderischen Angriffskrieg" brutal gebrochen. "Die Friedenstaube ist von einem russischen Marschflugkörper getötet worden. Dafür verdient Russland keinen Handschlag, sondern Handschellen."

Am 25. April erinnert Torgau jedes Jahr an den sogenannten Elbe Day, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke aufeinandertrafen. Das Foto vom Handschlag von Torgau ging als Symbol für das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft um die Welt.  

US-Amerikanische (links) und sowjetische Soldaten reichen sich am 25. April 1945 auf den Trümmern einer Elbbrücke bei Torgau die Hände

Am 25. April 1945 konnten sowjetische Soldaten der 58. Gardeschützendivision der Roten Armee am Ostufer der Elbe bei Torgau die ersten Soldaten der 69. Infanteriedivision der US-Streitkräfte begrüßen.

Auswärtiges Amt hatte Ausschluss empfohlen

Den Ausschluss Russlands vom Gedenken hatte das Auswärtige Amt Kommunen, Ländern und Gedenkstätten des Bundes empfohlen. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass Russland diese Veranstaltungen "instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen" könnte.

Trotzdem nahm Netschajew bereits vergangene Woche an einer Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen östlich von Berlin teil. Dort hatte vor 80 Jahren die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden stattgefunden, bei der 35.000 sowjetische, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten getötet wurden. 

Der Bundestag folgte der Empfehlung des Auswärtigen Amts und schloss die Botschafter von Russland und Belarus von der zentralen Gedenkfeier am 8. Mai im Parlament aus.

Markus Sambale, ARD Berlin, tagesschau, 25.04.2025 07:39 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. April 2025 um 06:00 Uhr in den Nachrichten.