
Anklage in Berlin Palliativarzt soll 15 Menschen ermordet haben
Ein Palliativmediziner sitzt seit Sommer in Untersuchungshaft, weil er mehrere Patienten ermordet haben soll. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben - in deutlich mehr Fällen als zuletzt bekannt.
- Berliner Palliativarzt soll deutlich mehr Menschen getötet haben als bekannt
- Anklage in 15 Fällen erhoben
- Ermittlungen in weiteren 75 Fällen laufen
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen einen Berliner Palliativmediziner erhoben. Das bestätigte die Behörde dem rbb am Mittwochmorgen. Zuvor hatte die "Berliner Zeitung" berichtet.
Dem Arzt wird vorgeworfen, mindestens 15 Patientinnen und Patienten ermordet zu haben, wie es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft hieß. Demnach geht sie in allen Fällen von Heimtücke und niederen Beweggründen aus. Zunächst wurde "Mordlust" als Motiv genannt. Davon rückte die Staatsanwaltschaft ab, da der Arzt ausschließlich Patienten getötet haben soll und nicht willkürlich andere Opfer aussuchte, wie es hieß.
Die Behörde strebe mit der Anklage neben einer Verurteilung die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung und die Anordnung eines lebenslangen Berufsverbots an, hieß es.

Ermittlungen in 75 weiteren Fällen
Der heute 40-jährige Mediziner soll die Taten im Rahmen seiner Tätigkeit für ein Palliativteam eines Pflegedienstes begangen haben. Dabei soll er den Angaben zufolge 12 Frauen und drei Männern "ohne medizinische Indikation ein tödliches Gemisch verschiedener Medikamente" verabreicht haben, um sie zu töten. Als erstes und jüngstes Opfer nennt die Anklage eine 25-Jährige, als ältestes eine 94 Jahre alte Frau. Die betroffenen Patienten und Patientinnen befanden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft zum Tatzeitpunkt nicht in einer akuten Sterbephase.
Der Arzt sitzt seit dem 6. August 2024 in Untersuchungshaft. Damals war die Staatsanwaltschaft von vier Opfern ausgegangen. Im Laufe der Ermittlungen stieg die Zahl der mutmaßlichen Opfer: erst auf acht, dann auf zehn - nun gehen die Ermittler von 15 aus. Die Zahl könnte sich weiter erhöhen, weil die Ermittlungen in 75 Fällen weiter andauerten, hieß es. Es seien fünf weitere Exhumierungen geplant. Bislang seien insgesamt zwölf Leichen im Rahmen der Ermittlungen ausgegraben und gerichtsmedizinisch untersucht worden, hieß es.

Tote in mindestens vier Berliner Bezirken
Die bislang bekannten Todesfälle sollen sich laut Staatsanwaltschaft zwischen dem 22. September 2021 und dem 24. Juli 2024 ereignet haben. Die meisten Vorfälle gab es demnach im Bezirk Neukölln, weitere in Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick und Friedrichshain-Kreuzberg.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch Brände, die der Mediziner gelegt haben soll, um die Tötungen zu verdecken. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Dabei geriet zunehmend der Arzt in den Fokus. Dazu beigetragen haben laut Staatsanwaltschaft Hinweise des Pflegedienstes, für den der Beschuldigte gearbeitet hatte.
Der Arzt hat sich laut Staatsanwaltschaft bislang nicht zu der Anklage geäußert.
Möglicherweise eine der größten Mordserien in Deutschland
Bestätigen sich die Vorwürfe gegen den Palliativmediziner, könnte der Fall einer der größten bundesweit sein. Bislang gilt eine Mordserie in Niedersachsen als die wohl größte der deutschen Nachkriegsgeschichte: Ex-Pfleger Niels Högel wurde 2019 wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Motiv für die Taten blieb unklar. Es sei ihm um die "Gier nach Spannung" gegangen, so das Gericht damals. Zuvor war Högel bereits wegen weiterer Morde verurteilt worden.
In Aachen steht derzeit ein Krankenpfleger vor Gericht, der in einer Klinik in Würselen reihenweise Patienten mit tödlichen Injektionen ermordet haben soll. Der Mann ist wegen neunfachen Mordes und 34-fachen Mordversuchs angeklagt. In Berlin wurde im Jahr 2007 eine ehemalige Krankenschwester der Charité wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Frau brachte ihre Opfer mit Medikamenten um.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.04.2025, 9 Uhr