Archivbild: Der manövrierunfähige Tanker "Eventin" liegt zwischen Binz und Sassnitz auf der Reede Sassnitz.

Mecklenburg-Vorpommern Schattenflotte-Tanker vor Rügen: "Beschlagnahmung ist folgerichtig"

Stand: 31.03.2025 17:17 Uhr

Nach der Beschlagnahmung des Schattenflotte-Tankers "Eventin" vor Rügen und dem anschließenden Crewwechsel werden die Konsequenzen diskutiert.

Von Martin Möller und Henning Strüber

Während manche Rechtsexperten davor warnen, das Schleppen eines havarierten Tankers in deutsche Hoheitsgewässer als Einfuhr von Sanktionsware zu werten, begrüßen andere die Aneignung von Schiff und Ladung durch die Bundesrepublik als starkes und konsequentes Signal.

Unfreiwilliger Zwischenstopp

Die 274 Meter lange "Eventin" liegt weiter vor Sassnitz auf Reede, immer gut bewacht von mindestens zwei deutschen Behördenschiffen. Sie sollen jede Form von Sabotage ausschließen. Die Ostsee ist zum Konfliktgebiet geworden. Misstrauisch beobachten sich Russland und NATO in der Luft und auf dem Wasser. Streitobjekt sind auch die Schiffe der sogenannten Schattenflotte, die täglich mit Hundertausenden Tonnen Rohöl, Schweröl und anderen Brennstoffen an Mecklenburg-Vorpommerns Küste im internationalen Fahrwasser vorbeifahren. Nur wenn unmittelbare Gefahr besteht, dürfen die Anrainerstatten eingreifen. So geschehen in der Nacht vom 9. Januar auf den 10. Januar. Damals wurde die manövrierunfähige "Eventin" zunächst mit einem bundeseigenen Notschlepper vor Rügens Küste gesichert und anschließend auf die Reede vor Sassnitz gebracht. Die Reederei mit Sitz in Dubai hatte damals gleich zwei private Hochseeschlepper gechartert, um die "Eventin" möglichst schnell wieder in internationale Gewässer zu bringen.

Feindliche Übernahme

Daraus ist nichts geworden. Mittlerweile hat das Bundesministerium der Finanzen in Berlin die Gewalt über das Schiff. Die "Eventin" ist in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergegangen und damit auch ihre Ladung, in einem Wert von ungefähr 40 Millionen Euro.

Der Experte für maritime Sicherheit Moritz Brake findet das konsequent, weil der Tanker ein Sicherheits- und Umweltrisiko darstellte. Es ging um Gefahrenabwehr, die deutschen Behörden mussten an Bord gehen. Moritz Brake: "Dann müssen sie auch überall genau hingucken. Wenn es Verdachtsmomente gibt, muss der Zoll kommen, die Ladung beproben und überprüfen, ob es sich um Sanktionsware handelt." Das ist offenbar der Fall.

Warnung vor Eskalation

Der Sanktionsexperte Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) warnt hingegen vor Rechtsunsicherheiten. Seiner Meinung nach betritt die Bundesregierung weitgehend rechtliches Neuland im Sanktionsbereich. Lohmann bewertet die Beschlagnahmung des Schattenflotte-Tankers "Eventin" als "erhebliche Eskalation. Die bisherigen Eigentümer der Ladung oder des Tankers könnten gegen die Enteignung klagen,“ warnt der Sanktionsfachmann.

Die zentrale Frage: Ist das Schleppen eines havarierten Tankers in deutsche Hoheitsgewässer als Einfuhrvorgang zu bewerten? Laut Lohmann hätte die Bundesregierung auch Alternativen mit weniger Konfliktpotential gehabt. "So hätte man zunächst auch Dienstleistungsverbote für Schattenflotten-Schiffe durchsetzen können".

Kriminelle Methoden

Der Experte für maritime Sicherheit Brake hat da weniger Bedenken. Er hofft, dass das Beispiel "Eventin" Schule macht. Schließlich bediene sich Russland Methoden, wie in kriminellen Netzwerken. Moritz Brake: "Hier wird mit Verschleierung von Identitäten, mit Briefkastenfirmen gearbeitet, um Waren an den Sanktionen vorbei auf den Weltmarkt zu bringen." Laut Brake müssen die Behörden ein solches Verhalten ahnden. Brake: "Dass Russland dazu schweigt, ist ein Eingeständnis genau dieses Verhaltens. Hier müssen wir wach sein und dürfen uns auf keinen Fall ins Boxhorn jagen lassen. Wir müssen konsequent vorgehen, die Möglichkeiten des Seerechts und des nationalen und europäischen Rechtes voll ausnutzen."

Umpumpen auf See oder nach Wilhelmshaven

Wie es mit dem Tanker und seiner gefährlichen und zugleich wertvollen Ladung weitergeht, ist noch offen. Zurzeit prüfen die Wasser- und Schifffahrtsbehörden verschiedene Optionen, haben in Häfen angefragt, ob dort Entlademöglichkeiten bestehen. Ganz oben auf der Liste steht Wilhelmshaven. Aber auch ein Umpumpen auf See oder eine nur teilweise Entladung, um den Tiefgang zu verringern, wären denkbar. Sascha Müller-Kraenner vom Lobbyverband Deutsche Umwelthilfe ist ungeduldig: "Dieses Öl muss aus diesem Tanker raus, der offenbar in einem schlechten technischen Zustand ist. Allein um die Meeresumwelt zu sichern. Abgesehen davon ist es auch gut, dass Russland dadurch nicht weiter Öl auf dem Weltmarkt verkaufen und damit seinen Krieg finanzieren kann."

Forderung nach Einfahrverbot

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe fordert generell mehr Kontrollen in der Ostsee. Schiffen, die mit schweren technischen Mängeln unterwegs sind, würde er am liebsten die Einfahrt in die Ostsee verbieten. Aber erstmal muss die "Eventin" seetüchtig sein und entladen werden. Moritz Brake hat volles Vertrauen in die heimische maritime Wirtschaft. Da gibt es genug hervorragende Fachleute, die das alles hinbekommen, ohne die Prorer Wiek und die anliegenden Seebäder zu gefährden, glaubt Brake, der gleichzeitig auch Reserveoffizier der Deutschen Marine ist.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 31.03.2025 | 19:30 Uhr