Transportbox für eine Niere bei einer Nierentransplantation

Thüringen Einer überlebt, fünf sterben: Warum Organspenden so wichtig sind

Stand: 07.06.2025 13:30 Uhr

Der plötzliche Hirntod ist für Angehörige ein emotionaler Ausnahmezustand. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Entscheidung zur Organspende – sie kann Hinterbliebene entlasten und Leben retten. Samstag ist "Tag der Organspende".

Von Grit Hasselmann, MDR THÜRINGEN

272 kranke Thüringer stehen in diesem Moment auf der Warteliste von Eurotransplant. Deutschlandweit warten aktuell knapp 8.100 Menschen auf ein lebenswichtiges Spenderorgan. Die Zahl derjenigen, die ihre Organe nach dem Tod gespendet haben, lag im vergangenen Jahr hingegen bei nur 953. Der "Tag der Organspende" am Samstag soll dieses Missverhältnis bekannter machen.

Paul Drößler aus Gotha möchte dabei helfen. Der 22-jährige Student weiß, wie wichtig die Organspende ist, vor einem Jahr war er selbst auf eine angewiesen. "Ich hatte das Riesenglück, eine Leber-Lebendspende von meiner Mama zu bekommen. Sie hat mir also das zweite Mal das Leben geschenkt und deswegen kann ich auch heute wieder hier sitzen."

Ich kann meinem Studium nachgehen, kann Sport treiben, in den Urlaub fahren. Also alles das, was vorher nicht möglich war. Paul Drößler | Transplantierter

Eine chronische Lebererkrankung war der Grund, warum ihm nur eine Transplantation helfen konnte. Heute kann er sein Leben wieder ganz normal leben, abgesehen von den Begleiterscheinungen einer Transplantation, wie zum Beispiel die tägliche Medikamenteneinnahme gegen die Abstoßung des Organs, wie er erzählt. "Ich kann meinem Studium nachgehen, kann Sport treiben, in den Urlaub fahren. Also alles das, was vorher nicht möglich war."

Und so, wie er jetzt immer zweimal im Jahr Geburtstag feiert, engagiert er sich dafür, das Thema Organspende bekannter zu machen. Beispielsweise bei "TransDia Sport". Das ist ein Verein für Transplantierte und Dialysepatienten.

Es geht nicht nur darum, gemeinsam fit zu bleiben, die Sportlerinnen und Sportler informieren auch über Transplantation und Dialyse und wollen das Bewusstsein für Organspenden erhöhen. Im August gibt es in Dresden die "World Transplant Games", da wird Paul dabei sein und freut sich schon sehr darauf.

Paul hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen sich erst dann mit dem Thema Organspende beschäftigen, wenn es sie selber oder Angehörige betrifft. Für ihn wäre deshalb die Widerspruchsregelung sinnvoll, würde sie die Menschen doch zwingen, sich zumindest mit dem Thema zu befassen.

Zum Aufklappen: Was bedeutet "Widerspruchslösung"?

Im Jahr 2019 wurde in Parlament, Gesellschaft und Medien darüber debattiert, welcher Weg der richtige ist, um die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen.

In dieser Debatte hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Spahn mit einer Gruppe weiterer Mitglieder des Deutschen Bundestages einen Gesetzentwurf zur Einführung der doppelten Widerspruchslösung in die Beratungen eingebracht. Dieser Entwurf sah vor, dass grundsätzlich jeder Organspender ist, es sei denn er hat zu Lebzeiten widersprochen. Dieser Entwurf fand keine parlamentarische Mehrheit.

Tag der Organspende: Spenden heißt Leben schenken

Der Deutsche Bundestag hat am 16. Januar 2020 das "Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ verabschiedet. Dieser Entwurf wurde von einer weiteren fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Danach ist auch in Zukunft eine Organspende nach dem Tode nur dann zulässig, wenn der mögliche Organspender zu Lebzeiten eingewilligt oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat.

Im vergangenen Jahr wurde erneut ein fraktionsübergreifender Entwurf einer Änderung des Transplantationsgesetzes vorgelegt, der eine Widerspruchsregelung präferiert. Ob und wann der neue Bundestag sich damit befasst, ist noch offen.

In der DDR galt eine Widerspruchsregelung. 1975 wurde ein Organtransplantationsgesetz durch den Ministerrat der DDR eingeführt. Von da an durften allen, die nicht zu Lebzeiten widersprochen hatten, nach dem Tod Organe entnommen werden.

Das sieht auch seine Ärztin so. Christina Malessa ist Oberärztin in der Klinik für Allgemein und Viszeralchirurgie an der Uniklinik Jena.

Informationsveranstaltung in der Jenaer Innenstadt

Zusammen mit Paul Drößler und vielen Kollegen stand sie in dieser Woche in Jena im StadtLab Interessierten Rede und Antwort zum Thema. "Es ist schon sehr lange bekannt, dass 80 bis 90 Prozent der Bundesbürger sagen, Organspende ist wichtig und gut. Aber wir wissen, dass nur etwa 30 bis 35 Prozent überhaupt einen Organspendeausweis mit sich tragen. Ich denke, es ist einfach eine Vermeidungshaltung."

Organspende Info-Veranstaltung StadtLab

Expertinnen zum Thema Organspende aus allen bereichen standen in Jena Rede und Antwort.

Die Menschen wollen aus ihrer Sicht nicht darüber nachdenken, was nach dem Tod passiert. Aber es sei wichtig, diese Entscheidung zu treffen, weil man sie ja sonst den Angehörigen überlässt. "Wir erleben das oft auf der Intensivstation. Man würde den Angehörigen in der schweren Trauer-Situation sehr viel Last und Druck nehmen, wenn man die Entscheidung vorher für sich getroffen hat."

Man weiß, bei der Leber ist es ungefähr so: Für jeden Menschen, den sie transplantieren, sterben fünf auf der Warteliste. Dr. med. Christina Malessa | Oberärztin am Uniklinikum Jena

Ob sich jemand dafür oder dagegen entscheidet, spielt dabei für die Medizinerin keine Rolle. Aus ihrer Sicht würde aber die Zahl der Organspenden steigen, wenn jeder diese Entscheidung für sich treffen würde. Und Christina Malessa erlebt täglich, wie wichtig das wäre: "Wenn man die Wartelistenpatienten kennt, kennt man die Geschichte. Man weiß, bei der Leber ist es ungefähr so: Für jeden Menschen, den sie transplantieren, sterben fünf auf der Warteliste."

Und natürlich kennt die Ärztin auch den Menschen, der das große Glück gehabt und überlebt hat. Und, so sagt sie, man kennt auch die Familien, die Kinder der Patienten. "Und deswegen wünschen wir uns natürlich nichts Sehnlicheres als mehr Organe, mehr Chancen für Menschen auf der Warteliste."

Deshalb präferiert sie auch ganz klar die Widerspruchsreglung. "Man muss ja eine klare Position beziehen, sonst ist man Organspender. Ich glaube, dass die Widerspruchslösung einen großen Beitrag dazu leistet, dass wir mehr Organe zur Verfügung haben."

Damit das funktioniert, brauche es aber auch viele andere Maßnahmen und viel Aufklärungsarbeit. Dabei sind ihre Patientinnen und Patienten für sie gute Botschafter für die Organspende. "Sie haben den Sprung geschafft. Sie sind auf der anderen Seite angekommen. Sie sind dem Tod entkommen auf der Warteliste. Und sie kennen alle jemanden, der gestorben ist."

Oberärztin Malessa begleitet ihre Patienten ein Leben lang, erzählt sie. Egal, ob beim Schulabschluss, bei der Geburt eines Kindes oder wenn jemand heiratet. "Das ist wirklich wunderbar für uns."

Das Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Jena ist das einzige in Thüringen. Im Jahr 2023 wurden fast 400 Transplantationen durchgeführt.

Besondere Verantwortung als Transplatationsbeauftragter

Dirk Brämer ist dort Transplantationsbeauftragter. "Ich muss schauen, dass Patienten, die für eine Transplantation infrage kämen, nicht übersehen werden." Natürlich hat der Neurologe noch mehr zu tun, ob organisatorisch oder im Umgang mit den Familien.

Es geht uns in den Gesprächen darum, den Willen des Patienten, den er jetzt nicht mehr äußern kann, herauszubekommen. Dr. med. Dirk Brämer | Uniklinik Jena

Auf der Veranstaltung in Jena kam er vor allem mit jungen Menschen ins Gespräch. "Wenn man kein Organ braucht oder jemanden kennt, der eins braucht, dann beschäftigt man sich mit dem Thema nicht. Das ist der eigentliche Punkt."

Viele Fragen, die an diesem Tag in Jena gestellt werden, sind sehr speziell, sagt er. "Also, wie sind die Abläufe? Wie funktioniert das eigentlich? Es gibt eine gewisse Faszination für dieses Thema. Wenn die erstmal geweckt wurde, dann möchte man auch mehr darüber wissen vom Technischen und Medizinischen her."

In die Widerspruchsregelung setzt Brämer nicht so große Hoffnungen. Sie helfe nur, wenn hirntote Patienten keine Angehörigen haben, mit denen man sprechen kann. "Es geht uns in den Gesprächen darum, den Willen des Patienten, den er jetzt nicht mehr äußern kann, herauszubekommen."

An der Distanz der meisten Menschen zum Thema Organspende würde aus seiner Sicht eine Widerspruchsregelung nichts ändern. Das hätte zur Folge, dass sie sofort ablehnen würden. "Ich habe vom Gefühl her ein bisschen Zweifel, dass es einen enormen Sprung nach vorne geben würde."

Wichtige Ehrung für Krankenhaus in Sömmerda

Einen Transplantationsbeauftragten gibt es auch außerhalb der Transplantationszentren, an kleineren Krankenhäusern, wie am Klinikum Sömmerda.

Zum Aufklappen: Das Klinikum Sömmerda

Das KMG Klinikum Sömmerda ist ein Akutkrankenhaus mit Sitz im thüringischen Sömmerda und ein Krankenhaus mit regionalem Versorgungsauftrag.
Es gehört zum privaten Gesundheitsunternehmen KMG Kliniken SE. Das Klinikum hat 176 Betten und beschäftigt rund 300 Mitarbeiter.
Es unterhält sieben Fachabteilungen und die Zentrale Notfallaufnahme zur Versorgung der Bürger der Region. Zudem ist es Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

In dieser Woche ist das Krankenhaus für den Einsatz für Organspenden ausgezeichnet worden. Die Ehrung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurde auf der Wartburg überreicht.

Die Gesundheitsministerinnen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben heute in Eisenach gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in der DSO-Region Ost drei Kliniken ausgezeichnet, deren Mitarbeitende sich in besonderer Weise für die Organspende engagiert haben.

Jedes Jahr werden Krankenhäuser aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt von der DSO ausgezeichnet.

Die DSO hob hervor, dass die Klinik beispielsweise Angehörige von Spendern in dieser Ausnahmesituation auch abseits der medizinischen Vorgänge mit großem Einfühlungsvermögen begleite. Zudem würden die Mitarbeiter regelmäßig rund um Organspenden weitergebildet.

Zum Aufklappen: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation

Die DSO ist die Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende gemäß Transplantationsgesetz und bietet den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern in Deutschland umfassende Unterstützungsangebote bei den Abläufen der Organspende an.

Dazu gehören Vorträge und Beratungen in den Kliniken, Fort- und Weiterbildungen, ein zertifiziertes E-Learning-Fortbildungsprogramm sowie fachbezogene Informations- und Arbeitsmaterialien.

In der DSO-Region Ost (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) betreut ein Team von 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 130 Entnahmekrankenhäuser in allen Belangen der Organspende.

Im Jahr 2024 gab es in der Region Ost insgesamt 130 Organspenderinnen und Organspender (2023: 126). Es konnten 343 Organe für die Transplantation entnommen werden (2023: 351). Über 900 Menschen aus der Region standen Ende 2024 auf der Warteliste für eine Transplantation.

Der Transplantationsbeauftragte des Klinikums, Humam Razok, sagte, die Auszeichnung motiviere die Mitarbeiter in ihrem lebenswichtigen Engagement, das sich oft im Stillen abspiele.

Organspende Urkunde KKH Sömmerda

Das gesamte Team der Intensivstation ist stolz auf die Auszeichnung.

Thüringens Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD) übergab die Auszeichnung. "Nur durch die hervorragende Arbeit der Transplantationsbeauftragten der Kliniken und das große interdisziplinäre Engagement des Personals wird die Umsetzung von Organspenden ermöglicht."

Zum Aufklappen: Warum das Krankenhaus Sömmerda ausgezeichnet wurde:

Im Klinikum Sömmerda gibt es einen festen internen Ablaufplan für den Prozess einer Organspende. Die Transplantationsbeauftragten steht in regelmäßigem Kontakt mit dem Koordinator der DSO. Im Fall einer akuten Organspende nehmen die Mitarbeitenden frühzeitig Kontakt mit der DSO auf und besprechen offene Fragen.

Ärztinnen, Ärzte und Pflegende begleiten Angehörige von Organspendern mit großem Einfühlungsvermögen. Die hohe Qualität der Intensivtherapie und -pflege ist die beste Voraussetzung, um Organe in guter Qualität für die Transplantation zur Verfügung zu stellen.

Für die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es regelmäßige interne Fortbildungen zum Thema. Auch in den Medien der Klinik wird das Thema Organspende aufgegriffen. Retrospektiv werden alle Fälle von Verstorbenen mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung analysiert, um die Qualität der Spendererkennung weiter zu optimieren. Durchgeführte Organspenden werden evaluiert.

Peter Brand ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Er hätte die Einladung zur Ehrung auf der Wartburg beinahe übersehen. Zum Glück nur beinahe, denn genau wie das ganze Team ist Bernd sehr stolz auf die Auszeichnung.

Organspende Urkunde KKH Sömmerda

Das Krankenhaus in Sömmerda sieht die Aufklärung zum Thema Organspenden als sehr wichtig an.

Auch für ihn muss die Aufklärung zum Thema noch deutlich besser werden. "Viele denken, meine Organe, die sind sowieso nicht gut. Entweder bin ich zu alt oder ich habe die eine oder andere Erkrankung oder aus welchen Gründen auch immer." Die Entscheidung darüber könnten die Menschen aber getrost den Ärzten überlassen, findet der Mediziner.

Der älteste Organspender Deutschlands war übrigens 98 Jahre alt. Auch in der Gesamtzahl der Spenderinnen in Deutschland war laut DSO im Jahr 2023  fast jede dritte älter als 65 Jahre.

Wir werden keine Maschinen frühzeitig abstellen, weil jemand einen Ausweis bei sich führt. Dr. med. Peter Brand | KMG Klinikum Sömmerda

Peter Bernd schätzt, dass in der Region etwa 20 Prozent der Menschen bereits eine Entscheidung über ihre Organe getroffen haben. "Sie haben sich entweder dafür oder dagegen entschieden, sich tatsächlich aktiv damit auseinandergesetzt. Aber das ist viel zu wenig."

Aus seiner Sicht müsste es den Menschen aber noch einfacher gemacht werden, sich beispielsweise im Organspenderregister einzutragen. Auch Aufklärung über die Abläufe sei wichtig.

Und genau dafür, so Bernd, sei die Auszeichnung für sein Krankenhaus so wichtig. "Dass die Bevölkerung sieht, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und dass wir hier gute Medizin machen. Gut für die Patienten."

Ärgerlich macht den Arzt das Vorurteil, dass Organspender im Krankenhaus weniger gut versorgt werden: "Das ist völliger Quatsch. Für uns als Ärzte steht das Leben jedes Einzelnen im Vordergrund, und das versuchen wir zu retten. Und wir werden keine Maschinen frühzeitig abstellen, weil jemand einen Ausweis bei sich führt."

Vorurteile und mangelnde Aufklärung

Das bestätigt auch Albrecht Günther. Er ist Neurologe und neurologischer Intensivmediziner am Uniklinikum Jena. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Hirntod und weiß, dass es da viele Vorurteile gibt.

"Fakt ist, dass der Hirntod ein sicheres Todeszeichen ist. Genau wie Totenflecken oder anderes ist der Hirntod ein Zustand, wo wir wissen, dass jemand, der in diesem Zustand ist, nie wieder zum Leben erweckt werden kann oder überleben kann, sondern dass das ein Zustand ist, in dem das gesamte Gehirn kaputtgegangen ist und sich auch nicht wieder erholen kann. Und ohne das Gehirn ist der Mensch nicht lebensfähig, und deshalb ist es der Tod des Patienten."

Zum Aufklappen: Was bedeutet "Hirntod“

In Deutschland gilt ein Mensch dann als hirntot, wenn alle Funktionen des Gehirns unumkehrbar ausgefallen sind. Bei der Diagnostik unterscheiden Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel zwischen Hirntod und ähnlichen Zuständen, etwa einem Koma.

Wird der Hirntod festgestellt, ist die Person definitiv nicht mehr lebensfähig und wacht auch nicht mehr auf. Für Angehörige ist dies manchmal schwer zu akzeptieren, denn durch die künstliche Aufrechterhaltung des Herz-Kreislauf-Systems hat es den Anschein, sie würden noch atmen und ihr Körper und ihre Organe noch funktionieren. Denken, fühlen oder selbstständig atmen können hirntote Patientinnen nicht mehr.

Organspende nicht nur bei Hirntod?

Günther denkt eher noch einen Schritt weiter. Und zwar in Richtung "Organspende nach Herzstillstand". Das ist in Deutschland bisher wenig diskutiert worden.

Bisher sind in Deutschland Organspenden nur nach dem Hirntod erlaubt. Die FDP hatte im vergangenen Oktober vorgeschlagen, sie schon nach dem Herztod zu ermöglichen. Nach Angaben der Deutschen Transplantationsgesellschaft ist das im Ausland die gängige Praxis. Generalsekretär Mario Schiffer sagte damals dem MDR, dadurch hätten sich unter anderem in Frankreich, Spanien und Großbritannien die Wartelisten für ein Spenderorgan deutlich verkürzt.

Leider sei dieser Vorschlag nicht in einer konstruktiven Diskussion gemündet, so Albrecht Günther. In Expertenkreisen allerdings werde intensiv über das Thema gesprochen. "Aber es ist nicht so richtig absehbar, dass das auch zu einer Neuregelung der Organspende in Deutschland in absehbarer Zeit führt."

Mit Blick auf die Zahlen hält er das aber für wirklich wichtig. Als Neurologe steht Günther ja eigentlich "außerhalb" der Organspende. Er ist dafür zuständig, sicher den Tod festzustellen. Mit Organspenden hat er nichts zu tun. "Aber nichtsdestotrotz ist es mir natürlich auch ein Anliegen, als Arzt und als Mensch, das Thema Organspende zu behandeln."  

Wenn das Thema Organspende "unter die Haut" geht

Ein wichtiges Anliegen, eine Herzensangelegenheit sogar, ist die Organspende auch für die beiden Tätowiererinnen, die bei der Aktion im StadtLab Jena dabei waren. Sie tätowieren den ganzen Tag Interessenten gratis ein Tattoo, das die Zustimmung zur Organspende symbolisiert.

Organspende-Tattoos

Etwa 20 Tattoos konnten Anfang der Woche gestochen werden.

Die Idee für das "Opt.Ink" genannte Organspende-Tattoo hatte der Verein "Junge Helden", der sich seit über 20 Jahren um Aufklärung besonders bei jungen Menschen bemüht.

Der Name "Opt.Ink" ist eine Verbindung aus der im Englischen "opt-in" genannten Zustimmungsregelung und dem englischen Wort "ink" für die beim Tätowieren verwendete Tinte. Das Symbol selbst vereint zwei Halbkreise zu einem Ganzen und kann auch als O und D für "organ donor" - englisch für Organspender - gelesen werden.

Organspendeausweise, Buttons und Anhänger.

Für alle, die kein Tattoo wollten, gab es das Motiv auch als Schlüsselanhänger oder Anstecker.

Hunderte Tattoostudios deutschlandweit stechen das Motiv inzwischen kostenlos, auch das Jenaer Studio "Alma & Schwarz".

Bereits kurz nach Beginn des Infotages waren die ausgelegten Wartelisten übervoll, das Interesse riesig. Die meisten Tattoos bekamen Medizinstudentinnen, sagt Alma. Und da das die Ärzte von morgen sind, fand sie das auch gut.

Im Übrigen sei sie für die Widerspruchslösung, sagt sie. "Das ist aber leider in Deutschland anscheinend nicht machbar. Man guckt immer nur so weit, wie der eigene Tellerrand geht und beschäftigt sich erst mit dem Thema, wenn man selber betroffen ist."

Ich finde es absolut okay, wenn jemand nicht möchte; das ist wirklich jedem selbst überlassen. Alma | Tattoo-Künstlerin

Unwissenheit ist für die Künstlerin kein Argument. Überall lägen inzwischen die Spender-Ausweise, es wird auch zunehmend über das Thema geredet. "Ich finde es absolut okay, wenn jemand nicht möchte; das ist wirklich jedem selbst überlassen. Aber nichts zu tun, nur abzuwarten, das finde ich ein bisschen schade."

Organspende Info-Veranstaltung StadtLab

Viele Fragen konnte Paul Drößler beantworten - eine gelungene Veranstaltung war das in Jena, findet er.

Paul Drößler hat sich am Dienstag auch tätowieren lassen. Spontan. Er lebt mehr im Augenblick seit seiner Transplantation. "Man nimmt die Dinge viel intensiver wahr.

Man genießt einfach dieses alltägliche Leben, früh aufzustehen, zu frühstücken, mit der Familie Zeit zu verbringen, seinem Beruf nachzugehen, das Leben so zu gestalten, wie man es selber möchte. Das genießt man und schätzt das jeden Tag extrem wert."

MDR (gh)