
AfD im Bundestag Höckes Männer
Die AfD feiert im Osten Deutschlands erdrutschartige Wahlerfolge. Damit zieht nun auch eine Gruppe engster Mitstreiter um Björn Höcke in den Bundestag. Welche Macht haben sie?
Das Reichstagsgebäude ist am Tag nach der Bundestagswahl noch verwaist, da treffen sich schon die neuen AfD-Abgeordneten aus Ostdeutschland zu einer ersten Sitzung - noch bevor sich ihre Fraktion formal überhaupt konstituiert hat. Es wirkt wie ein Klassentreffen, das auch die engsten Vertrauten um Björn Höcke versammelt.
Der Vorsitzende des rechtsextremen AfD-Landesverbands Thüringen war selbst nicht zur Bundestagswahl angetreten, hatte aber gleich mehrere Getreue in den Wahlkampf geschickt. Sie sind mit Wahlergebnissen auch um 50 Prozent in den Bundestag eingezogen und könnten den Kurs der Radikalisierung der AfD weiter vorantreiben.
Aus Thüringen nach Berlin
Einer dieser Höcke-Mitstreiter ist Torben Braga. Der 33-Jährige war am Tag nach der Wahl eigentlich zum Tennisspielen verabredet. Überraschend war er, neben den Direktkandidaten, als einziger über die Liste in den Bundestag eingezogen. Er ist sich noch unschlüssig, ob er das Mandat antritt. Erst einmal wolle er darüber mit Höcke sprechen, so Braga.
Bei der Sitzung der Ostverbände der AfD waren auch Robert Teske und Stefan Möller anwesend, beide ebenfalls aus Thüringen. Robert Teske war sechs Jahre lang Björn Höckes Büroleiter, Stefan Möller zusammen mit Höcke das Spitzenduo der Thüringischen AfD. "Gute Beziehungen" zu Björn Höcke könnten sie, egal in welchem Parlament, weiterhin aufrechthalten, sagte Braga dem MDR.
Richtung: Björn Höcke
Galt Höcke vielen anfangs noch als radikaler Außenseiter in der AfD, brauche es mittlerweile die direkte oder zumindest indirekte Unterstützung aus dem Umfeld von Höcke, um in der Partei Karriere zu machen, erklärt Anna-Sophie Heinze. Die Politikwissenschaftlerin forscht an der Universität Trier zur AfD in den Parlamenten.
Auch Co-Parteichefin Alice Weidel hatte sich beim vergangenen Parteitag dezidiert an Björn Höcke gewandt und ihm gedankt. Vor wenigen Jahren sei so etwas noch undenkbar gewesen. Es zeige, wohin die Reise gehe und "wer die inhaltliche Schlagrichtung bestimmt", so Heinze.
Rechtsextreme in der Mitte
Robert Teske und Torben Braga sind zwei junge aufstrebende Köpfe unter Björn Höcke. Beide haben einen extremistischen Hintergrund. Teske wird dem völkischen Flügel zugeordnet, demonstrierte beispielsweise zusammen mit Rechtsextremen der Identitären Bewegung und leitete bis 2019 die Junge Alternative in Bremen, die wegen ihres offenen Rassismus schon früh vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.
Torben Braga kommt aus einer rechtsextremen Burschenschaft und leitete 2015 einen Dachverband, dem mehrere vom Verfassungsschutz beobachtete Verbindungen angehörten. Im Interview ist Braga freundlich und zuvorkommend, denkt nach, bevor er antwortet.
Dabei gilt der gerade einmal 33-Jährige als Höckes strategischer Strippenzieher. Auch die Kemmerich-Wahl 2020 und die damit ausgelöste Verfassungskrise schreiben Beobachter unter anderem ihm zu.
Sperrminorität
Im thüringischen Landtag wendet die Höcke-AfD eine Strategie an, die auch zur Blaupause für den Bundestag werden könnte. In Thüringen verfügt die Partei über ausreichend Stimmen für eine sogenannte Sperrminorität. Sie kann also Entscheidungen blockieren, für die eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig wäre. Im neuen Bundestag haben AfD und Linke zusammen die dafür notwendige Anzahl an Abgeordneten.
Aktuell blockiert die AfD in Thüringen die Bildung des Richterwahlausschusses, der dringend benötigte Richter ernennt. Im Gegenzug möchte sich die AfD dadurch zwei Sitze in dem Gremium sichern, das den Verfassungsschutz kontrolliert, der wiederum die thüringische AfD seit 2021 als "gesichert rechtsextrem" einstuft und deshalb überwachen darf.
AfD will Verfassungsschutz kontrollieren
Auf die Frage, ob eine solche Erpressung in Ordnung sei, antwortet Torben Braga, es sei keine Erpressung. Seine Fraktion müsse so handeln, "weil die anderen Parteien es nicht akzeptieren, vermutlich aus guten Gründen, dass eine kritische Kraft sich auch mit der Arbeit des Verfassungsschutzes auseinandersetzt".
Oder, haken die Autoren nach: rechtsextreme Kraft? Torben Braga erwidert: Die Einstufung als rechtsextrem gehe auf die Organisation zurück, die man kritisch betrachte und auch "kritischer überprüfen und kontrollieren" will.
Sozial und nationalistisch
Robert Teske, der bisherige Büroleiter Höckes, will sich im Bundestag vor allem um Sozialpolitik kümmern. Unter Björn Höcke fährt die AfD von Thüringen aus einen sozialeren Kurs, um vor allem die ostdeutsche Wählerschaft langfristig an die Partei zu binden.
Im Wahlkampf hatte Teske vor allem mit dem hohen Ausländeranteil unter Bürgergeldempfängern Stimmung gemacht. Tatsächlich hatten Stand Oktober 2024 knapp 48 Prozent der Bezieher keinen deutschen Pass. Was Teske und auch andere AfD-Politiker bei ihren Auftritten allerdings nicht erwähnten: Mehr als die Hälfte der ausländischen Bürgergeldempfänger sind anerkannte Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, aus Syrien und Afghanistan. Teske wirbt schon seit Jahren offen für "millionenfache Remigration".
Radikal bis offen rechtsextrem
Es gebe zurzeit gar keine Anreize für die AfD, sich zu de-radikalisieren, meint die Politikwissenschaftlerin Heinze. Eher sei das Gegenteil der Fall. Mittlerweile teile sich die Partei nicht mehr in moderat und radikal, sondern in radikal und offen rechtsextrem.
Wenig überraschend lehnt auch Torben Braga es ab, extremistische Kräfte aus der Partei auszuschließen, auch wenn die AfD dadurch koalitionsfähiger werden würde: Es wäre ja irrsinnig, "wenn wir sagen würden wir stoßen Teile unserer Partei ab".
Würden sie Teile abspalten, die anderen zu extremistisch seien, dann "würden wir uns ja ein Stückweit von unseren Positionen trennen, von unseren Idealen und von unserem Personal", so Braga. Ein Personal, das ungeachtet ihrer extremistischen Verbindungen, nun mit mächtig Rückenwind in den Bundestag zieht.