Ralf Stegner
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"Petersburger Dialog" Geheimtreffen mit Putin-Vertrauten in Baku

Stand: 08.05.2025 17:52 Uhr

Erneut haben sich einflussreiche Deutsche und russische Vertreter des offiziell eingestellten "Petersburger Dialogs" in Baku getroffen. Mit dabei: Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Geheimdienst-Kontrollgremium.

Von Georg Heil, Markus Pohl und Daniel Schmidthäussler, RBB

Es ist 4:25 Uhr am Morgen des 13. April, als der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner auf der Plattform X seinen Followern einen "Guten Morgen aus Bordesholm", seinem Wohnort in Schleswig-Holstein, wünscht und eine Musikempfehlung postet. Stegner empfiehlt das Klavierkonzert Nummer 1 in B-Moll des Russen Pjotr Iljitsch Tschaikowsky.

Kurz nach dem Post muss Stegner aufgebrochen sein. Sein Ziel: das Luxushotel Four Seasons in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, wo er mit weiteren Deutschen und Schweizern eine hochrangige Delegation aus dem Umfeld des Kreml getroffen hat. Das ergaben Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste mit der Wochenzeitung Die Zeit.

"Petersburger Dialog" ist offiziell eingestellt

Thema der konspirativen Zusammenkunft war offenbar die Zukunft des "Petersburger Dialogs", jenes Gesprächsforums, das die Duz-Freunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin 2001 ins Leben gerufen hatten.

Man wollte damals Deutsche und Russen einander näherbringen - und auch Geschäfte machen. Angesichts des immer autoritärer gewordenen Russlands schon lange zur Farce verkommen, löste die deutsche Seite den "Petersburger Dialog" nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schließlich offiziell auf.

Geheimes Treffen mit hochrangigen Russen

Nun also das klandestine Revival-Treffen in Baku, nach Informationen von Zeit und Kontraste seit April 2024 bereits das dritte seiner Art. Zum zweiten Treffen im Oktober 2024 war auch der ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet eingeladen. Laschet erschien jedoch nicht in Baku.

Zum jüngsten Treffen begleitete SPD-Mann Stegner eine Riege einflussreicher Strippenzieher: Ronald Pofalla, ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts, und Leiter des "Petersburger Dialogs"; Matthias Platzeck, ehemals brandenburgischer Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender sowie Vorstand des Petersburger Dialogs; Stephan Holthoff-Pförtner, CDU-Europaminister unter Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen, sowie Martin Hoffmann, langjähriger Geschäftsführer des "Petersburger Dialogs".

"Privater Charakter"

Auf Anfrage dementiert keiner von ihnen die Beteiligung an dem Treffen in Baku. Hoffmann lässt "im Namen auch anderer Angeschriebener" wissen, die angesprochene Begegnung habe "einen privaten Charakter", sie erfolge weder im Auftrag, noch mit Finanzierung öffentlicher Institutionen.

Ganz ähnlich klingt das bei Stegner. Angesprochen auf seine Reise nach Baku sagt er am Rande einer 1. Mai-Demonstration in Elmshorn gegenüber Kontraste und Zeit, er äußere sich zu privaten Dingen nicht öffentlich. "Ich bin nicht im Auftrag unterwegs gewesen und ich habe keine Mittel in Anspruch genommen von irgendjemandem", so Stegner.

Wie wenig "privat" die konspirative Konferenz in Baku tatsächlich war, zeigt ein Blick auf die weiteren Teilnehmer: Mit Thomas Greminger war ein Schweizer Diplomat anwesend. Greminger war OSZE-Generalsekretär und leitet heute das auch vom Schweizer Staat finanzierte Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. Auf Anfrage äußert er sich nicht.

Treffen mit Putin-Vertrauten

Politisch brisant sind aber vor allem die Abgesandten aus dem Umfeld des Kreml: allen voran Viktor Subkow, ehemaliger Ministerpräsident Russlands und seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender des Staatskonzerns Gazprom. Subkow hat für die russische Seite lange Zeit den "Petersburger Dialog" geleitet.

Nach Baku begleitet wurde er von Waleri Fadejew, Chef von Putins Menschenrechtsrat. Wegen Verbreitung von Propaganda und Desinformation im Zuge des Angriffs auf die Ukraine steht er auf der EU-Sanktionsliste.

Sanktionspolitik unterminiert

"Fadejew ist ganz klar ein Hardliner", sagt Sabine Fischer, Russland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Er ist eine Galionsfigur des imperialistischen Putin-Regimes." Sich mit ihm und Subkow konspirativ zu treffen, unterminiere die harte Sanktionspolitik gegenüber Russland.

"Man sendet das Signal, dass es auf der deutschen Seite trotz des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin Akteure gibt, die das Verhältnis zu Russland normalisieren wollen." Den Russen gehe es mit solchen Treffen vor allem darum, Einflusskanäle auf die deutsche Politik zu öffnen.

Bundesregierung dementiert Auftrag

Hat die Reisegruppe um Stegner also bewusst die offizielle deutsche Außenpolitik der diplomatischen Isolierung Russlands untergraben? Oder hat man mit Billigung oder sogar im Auftrag der Bundesregierung gehandelt, möglicherweise um Annäherungsmöglichkeiten auszuloten? Aus dem Auswärtigen Amt kommt dazu ein klares Dementi: "Die erwähnten Treffen sind weder im Auftrag der Bundesregierung erfolgt noch geplant worden."

Im Falle Ralf Stegners ist die Reise nach Baku noch aus einem besonderen Grund brisant: Stegner gehörte in der vergangenen Legislatur dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages für die Geheimdienste (PKGr) an. Er ist Geheimnisträger und damit für Russland von besonderem Interesse.

Schutzmaßnahmen ergriffen?

In einem konspirativen Setting wie in Baku müsse man natürlich davon ausgehen, dass dort auch der russische Geheimdienst involviert sei, sagt Russland-Expertin Sabine Fischer.

Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter, ebenfalls PKGr-Mitglied, sieht deshalb weiteren Aufklärungsbedarf bei Stegner: "Ist er mit einem zweiten Handy gereist? Wie hat er sich geschützt? Welche Maßnahmen gab es im Vorfeld? Hat er hinterher den Bundesnachrichtendienst informiert? Solche Fragen muss er sich schon gefallen lassen."

Bislang hat Stegner alle Fragen nach seiner Baku-Reise abprallen lassen, dies mit Verweis auf den angeblich privaten Charakter der Reise. Im politischen Berlin ist zu vernehmen, Stegner strebe für die neue Legislatur den Vorsitz im Kontrollgremium für die Geheimdienste an.

Über das Thema berichtet das ARD-Politikmagazin am 8. Mai 2025 um 21:45 Uhr im Ersten.