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Drei Jahre nach Kriegsbeginn Fast 300.000 Ukrainer arbeiten in Deutschland
Knapp drei Jahre nach dem russischen Angriff arbeiten in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit fast 300.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Trotzdem gibt es weiterhin große Hürden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt.
Drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs gehen fast 300.000 Menschen aus dem Land in Deutschland einer Arbeit nach. Mehr als 245.000 seien davon sozialversicherungspflichtig beschäftigt, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) heute mit. Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten danach besonders oft in der Industrie, im Handel, Gesundheits- und Sozialwesen, Baugewerbe, Gastgewerbe und im wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich. Zu diesem zählen zum Beispiel die Zeitarbeit, der Gartenbau und das Gebäudemanagement. Die Daten stammen aus der jüngsten Hochrechnung von November 2024. Neuere Zahlen lagen der Behörde zufolge noch nicht vor.
Fortschritte bei Integration - und Herausforderungen
Die Arbeitsmarktintegration von Menschen aus der Ukraine schreite voran, hieß es von der Bundesagentur für Arbeit weiter. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 arbeiteten noch 230.500 Ukrainerinnen und Ukrainer weniger in Deutschland. Die Integrationsquote habe sich im vergangenen Jahr trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds mehr als verdoppelt und damit gut entwickelt.
Die Zahl der ukrainischen Menschen in Deutschland stieg seit Beginn des Krieges laut dem Statistischen Bundesamt um mehr als das Achtfache auf 1,256 Millionen (Stand: 31. Oktober 2024). 211.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind nach Angaben der BA aktuell arbeitslos. 98.000 Menschen nehmen an Integrationskursen, 29.000 Menschen an berufsbezogenen Sprachkursen und 21.000 Ukrainerinnen und Ukrainer an Arbeitsmarkt-Programmen teil. Rund 706.000 Menschen bekommen Bürgergeld, davon etwa 200.000 Kinder.
Auch Arbeitsmarktforscher Enzo Weber sieht deutliche Fortschritte bei der Integration von Menschen aus der Ukraine. "Seit Anfang 2024 geht es deutlich stärker bergauf, die Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern steigt derzeit um rund 7.000 pro Monat", sagte der Wirtschaftswissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Nachrichtenagentur dpa. "Wir sind mittlerweile bei einer Beschäftigungsquote von klar über 30 Prozent." Im europäischen Vergleich bewege sich Deutschland im Mittelfeld.
"Job-Turbo wirkt"
Im Herbst 2023 hatte die Bundesregierung den sogenannten "Job-Turbo" angekündigt. Ziel ist es, Geflüchteten mit Bleibeperspektive eine schnellere Vermittlung in Arbeit zu ermöglichen. "Der Job-Turbo wirkt - und zwar bundesweit", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der dpa. Mithilfe des "Job-Turbos" würden jeden Monat Tausende Menschen aus der Ukraine in Arbeit gebracht, die Steuern zahlten und das Land voranbrächten. "Diesen Weg gehen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit den Jobcentern weiter", so Heil.
Ob der Anstieg der Beschäftigung am "Job-Turbo" liegt, ist laut Experte Weber bislang noch unklar. "Es liegen ja Erfahrungen mit der Integration von Geflüchteten vor und wir wissen, dass es da bestimmte Verläufe bei der Arbeitsmarktintegration gibt", erklärte er, "und die brauchen Zeit."
Seit 2022 gilt für ukrainische Kriegsflüchtlinge EU-weit die "Massenzustrom-Richtlinie", wie der Mediendienst Integration erläutert. Der Vorteil sei, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine "automatisch einen Aufenthaltsstatus" bekommen. Die Bundesregierung verlängerte Ende des Jahres die derzeitige Regelung bis März 2026.
Weiterhin Hürden beim Eintritt in den Arbeitsmarkt
Eine der größten Hürden beim Einstieg in den Arbeitsmarkt sind aus Sicht von Sarah Strobel, Projektleiterin vom "Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge" geringe Sprachkenntnisse. Das Projekt wurde als Initiative der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Bundeswirtschaftsministeriums bereits 2016 gestartet. "Auch das Thema mangelnde Kinderbetreuungsangebote spielt eine entscheidende Rolle, da die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten Frauen sind", erläuterte Strobel.
Neben Sprachbarrieren und fehlender Kinderbetreuung sieht Experte Weber außerdem die Anerkennung von Abschlüssen sowie langwierige Verfahren als Hindernisse bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Diese müsse weiter gefördert werden: "Man muss da weiter an der Entwicklung dranbleiben, damit wir aus dem beruflichen Potenzial das Beste machen können." Es reiche nicht, einen "Haken daran" zu machen, sobald die Person in der Beschäftigungsstatistik sei - denn oft führe der Weg zunächst über Helferjobs. Viele arbeiteten in Jobs, für die sie eigentlich überqualifiziert seien.
Nach Ansicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) fehlten zunächst vielen Geflüchteten neben ausreichenden Deutschkenntnisse auch die passenden Vorqualifikationen. Ein weiteres Hindernis sei das fehlende Wissen über das deutsche Ausbildungssystem: "Viele Geflüchtete kennen die beruflichen Möglichkeiten und Karrierechancen, die das Handwerk bietet, schlichtweg nicht". Laut Verband bleibt die Zahl der im Handwerk beschäftigten Menschen "bislang hinter den Erwartungen" zurück.
Wie die Teilhabe am Arbeitsmarkt gelingt
Das Dazukommen der Ukrainerinnen und Ukrainer sei dennoch spürbar, sagt Weber. Das sei allerdings nicht "das Schwergewicht des Arbeitsmarkts". "Rein aus Alterungsgründen verlieren wir deutlich mehr Arbeitskräfte pro Jahr, als Ukrainer überhaupt beschäftigt sind." Netzwerk-Projektleiterin Strobl berichtet, dass Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit in den Betrieben vermehrt in den Fachkrafttitel wechselten. Neben verbesserten Deutschkenntnissen hänge dies mit Nachqualifizierungen, Berufsankerkennung sowie dem Ausbau von beruflichen Qualifikationen zusammen.
Um die Teilhabe am Arbeitsmarkt weiter auszubauen, ist Strobl zufolge ein flexibler sowie flächendeckender Zugang zu Sprachkursen wichtig. Auch die Anerkennung von Qualifikationen könne in der Praxis heute noch teils sehr lange dauern. Zudem sei der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten eine wichtige Stellschraube. Laut Handwerksverband sollte zudem in den Integrationskursen das Thema Berufsausbildung und langfristige Perspektiven stärker betont werden. Außerdem brauche es mehr praxisnahe Angebote wie Praktika oder Einstiegsqualifizierungen, um Geflüchteten zu ermöglichen, Berufe direkt kennenzulernen.
Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa.