Händler an der Börse Frankfurt
marktbericht

DAX radiert Jahresgewinn aus Historischer Crash an den Börsen

Stand: 07.04.2025 13:02 Uhr

Der massive Kursverfall an den globalen Aktienmärkten setzt sich fort. Der DAX kann sein anfängliches Minus von zehn Prozent zwar deutlich eindampfen - doch Börsenexperten geben noch keine Entwarnung.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Die Börsen erleben einen historischen Ausverkauf, die Kurse fallen so stark wie seit der Corona-Pandemie nicht mehr. Der DAX bricht im frühen Handel um bis zu 10,4 Prozent auf 18.489 Punkte ein. Zwar kann sich das deutsche Börsenbarometer bis zur Mittagszeit berappeln und sein Minus auf rund vier Prozent begrenzen. Doch es ist bereits der dritte tiefschwarze Handelstag in Folge.

"Das 21. Jahrhundert hat nun auch seinen 'Schwarzen Montag'", konstatiert Jens Klatt, Analyst beim Broker XTB. Und Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets resümiert: "Die Nerven der Investoren liegen blank." Die großen Fondsmanager und Vermögensverwalter sortierten sich neu und richteten ihre Portfolios auf eine drohende weltweite Rezession aus.

Mit dem heutigen Kursrutsch radiert der DAX seinen kompletten Jahresgewinn wieder aus - Mitte März hatte dieser noch bei knapp 18 Prozent gelegen. Anleger hoffen nun, dass der DAX heute ein wichtiges Tief und damit einen möglichen Wendepunkt markiert hat.

Hoffnung macht dabei auch die Statistik, ist morgen doch Dienstag - der Börsentag mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für Kursgewinne. Nicht umsonst trägt der Dienstag an der Börse den Spitznamen "Turnaround Tuesday". Wobei in der aktuellen Gemengelage fraglich sein dürfte, wie nachhaltig eine mögliche Gegenbewegung wäre.

Denn mit dem Rutsch unter die 200-Tage-Linie haben sich nun auch die langfristigen Perspektiven am deutschen Aktienmarkt eingetrübt. Börsenexperten mahnen daher zur Vorsicht: Schnäppchenjäger laufen Gefahr, in ein "fallendes Messer" zu greifen.

Hintergrund des Ausverkaufs an den Börsen ist die Furcht vor einer globalen Konjunkturdelle. Der deutschen Wirtschaft droht Ökonomen zufolge wegen der US-Zollpolitik das dritte Rezessionsjahr in Folge. "In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern", schreiben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von Deutsche Bank Research. "Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge", so die beiden Experten.

Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich mit dem Zollpaket Trumps ebenfalls massiv eingetrübt: Die US-Bank JPMorgan hatte erst am Freitag das von ihr berechnete Risiko einer globalen Rezession im laufenden Jahr von 40 auf 60 Prozent erhöht.

Wer wissen möchte, welche dramatischen Folgen eine protektionistische Handelspolitik nach sich ziehen kann, braucht derweil nur in die Geschichtsbücher zu schauen. So gilt das berüchtigte Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 als eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass aus der Rezession nach dem Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise wurde.

Dabei erhöhte das Smoot/Hawley-Gesetz Berechnungen der Commerzbank zufolge den US-Effektivzoll, also die Zolleinnahmen in Prozent des gesamten Einfuhrwertes, um rund sechs Prozentpunkte. Zum Vergleich: Mit dem neuen Trumpschen Zollpaket würde der Effektivzoll der USA um rund 17 Prozentpunkte steigen.

Fakt ist: Das Risiko weiterer Verluste bleibt bestehen, solange sich die fundamentalen Rahmenbedingungen nicht nachhaltig verbessern. Viel hängt kurzfristig nun auch von der Reaktion der EU auf die US-Zölle ab. Für langfristig orientierte Anleger besteht dennoch keine Not zu handeln. Im Gegenteil: Panik ist an der Börse stets ein schlechter Ratgeber.

So rät denn auch Börsenlegende Warren Buffett den Anlegern in Crash-Situationen zur Gelassenheit. In seinem Aktionärsbrief von 2017 schrieb Buffett: "Man kann einfach nicht vorhersagen, wie weit Aktien in kurzer Zeit fallen können." Buffett riet den Anlegern, Rudyard Kiplings Gedicht "If" aus dem Jahr 1895 zu beherzigen: "Wenn du einen kühlen Kopf behältst, während alle um dich herum ihn verlieren ... dann gehört dir die Welt."

Von Gelassenheit war heute Morgen an den asiatischen Märkten indes nicht viel zu spüren. In Japan rutschte der 225 Werte umfassende Nikkei-Index um rund sieben Prozent auf 31.475 Punkte ab. Die Börse Shanghai brach um 7,5 Prozent ein. Der Hongkonger Hang-Seng-Index rauschte um 12,3 Prozent abwärts und verzeichnete damit den größten Tagesverlust seit der Finanzkrise 2008.

Auch die Wall Street steuert auf weitere Verluste zu. Die Futures auf den Leitindex Dow Jones Industrial Average und auf den technologielastigen Nasdaq 100 fallen aktuell um jeweils 2,4 Prozent.

Das Börsenbeben radierte auch Vermögenswerte von Privatanlegern in Milliardenhöhe quasi über Nacht aus. Ihnen müssen die Aussagen Trumps zum Kurssturz an den Börsen wie blanker Hohn vorkommen. "Ich denke, es läuft sehr gut", sagte der US-Präsident Ende vergangener Woche. "Die Märkte werden boomen, die Aktien werden boomen, das Land wird boomen."

Er habe das Abrutschen der Märkte nicht beabsichtigt, so der Präsident. "Ich will nicht, dass irgendetwas nach unten geht, aber manchmal muss man Medizin nehmen, um etwas in Ordnung zu bringen", sagte Trump zu Journalisten an Bord der Air Force One.

Am Sonntagabend heizte Trump die Panik an den Märkten sogar noch weiter an, indem er seinen harten Kurs bekräftigte. Der US-Präsident beharrte darauf, dass die Zölle erst zurückgenommen würden, wenn das "Problem" der US-Exportdefizite im Handel mit vielen Staaten "gelöst" sei.

In Luxemburg beraten heute die Handelsminister der EU-Staaten über die Frage, mit welcher Strategie Trump zum Einlenken bei den Sonderzöllen bewegt werden könnte. China hatte bereits am Freitag reagiert und 34 Prozent Einfuhrzölle auf US-Waren sowie Exportbeschränkungen für Seltene Erden angekündigt.

Am Devisenmarkt zieht der Dollar um 0,1 Prozent auf knapp 1,10 Dollar an und kann damit einen Teil der deutlichen Kursgewinne der Vorwoche halten. In der Vorwoche hatte der Eurokurs von der Dollar-Schwäche infolge der US-Zölle profitiert und war bis auf knapp 1,1146 Dollar gestiegen - und damit auf den höchsten Stand seit einem halben Jahr.

Der sichere Hafen Gold kann von der steigenden Risikoaversion der Anleger und dem schwächeren Dollar unterdessen nicht so recht profitieren. Trotz des für Gold eigentlich günstigen Marktumfeldes hat das gelbe Edelmetall seit der Ankündigung der jüngsten Zollrunde durch Donald Trump fast vier Prozent an Wert verloren.

Zu Wochenbeginn notiert die Feinunze Gold bei 3.030 Dollar und damit über 160 Dollar unter ihrem Rekordhoch vom vergangenen Mittwoch. Offenbar müssen viele Investoren ihre Goldbestände reduzieren, um die Verluste am Aktienmarkt aufzufangen und Liquidität bereitzuhalten.

Die Furcht vor einer weltweiten Rezession setzt derweil die Ölpreise weiter unter Druck. Anleger fürchten eine stark nachlassende Nachfrage nach dem "schwarzen Gold", sollte sich das globale Wirtschaftswachstum abschwächen. Der Preis für die Nordseesorte Brent fällt aktuell um 2,6 Prozent auf 63,86 Dollar pro Barrel (159 Liter).

Unter den Einzelwerten an der Frankfurter Börse stehen vor allem jene Aktien unter Druck, für die es in den vergangenen Monaten steil nach oben gegangen war. Rüstungswerte stehen daher auf den Verkaufslisten der Anleger ganz oben. Papiere von Rheinmetall, MTU Aero Engines, Hensoldt und Renk brechen zeitweise prozentual zweistellig ein. "Da ist am meisten Speck dran", konstatiert ein Händler.

Auch im globalen Bankensektor geht der Ausverkauf zu Wochenbeginn weiter. Im DAX fallen Aktien von Deutsche Bank und Commerzbank um über acht Prozent. Anleger fürchten, dass die US-Zollerhöhungen eine globale Rezession auslösen könnten. Dadurch wächst zugleich der Druck auf die Notenbanken, ihre Geldpolitik zu lockern. Fallende Zinsen setzen wiederum die Banken unter Druck, da sie deren Zinsmargen verringern.