
Klimaneutral bis 2030 Wie Borkum die Wärmewende schaffen will
Die ostfriesische Insel Borkum möchte in fünf Jahren bei der Energieversorgung klimaneutral sein. Das dürfte eng werden, dennoch ist die Insel ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz.
Olaf Look steht am Borkumer Hafenbecken und deutet auf ein Metallgestänge unter einer Brücke. Das, was dort unten im Wasser dümpelt, ist gewissermaßen das Herzstück der Borkumer Klimawende. Ein Wärmetauscher. Mit ihm lässt sich Wärme aus dem kalten Nordseewasser gewinnen.
"Der Wärmetauscher wird mit einer speziellen Solelösung durchströmt, die so die Temperatur des Nordseewassers annimmt“, erläutert Look, der bei den Stadtwerken für den Bereich neue Technologien zuständig ist.

Hier sitzt das Herzstück der Wärmewende: der Borkumer Hafen
Fußbodenheizung dank Energie aus der Nordsee
Momentan beträgt die Wassertemperatur zehn Grad. Die Solelösung wird einige Hundert Meter weiterbefördert und landet in einem ehemaligen Öltank. In dem runden, fensterlosen Gebäude befindet sich die Wärmepumpenanlage, auf die Olaf Look nach eigenen Worten "immens stolz“ ist. Sie soll seine Gemeinde in eine klimaneutrale Zukunft führen - oder zumindest einen großen Schritt in diese Richtung.
"Die Sole wird in der Anlage um fünf Grad heruntergekühlt, und dieser Vorgang erzeugt Energie.“ Diese wird gespeichert und versorgt eine benachbarte Appartementanlage mit Wärme für Fußbodenheizung und Wasser.
Nach jahrelanger Testphase läuft das System jetzt seit wenigen Tagen - bisher erfolgreich. Die Nordsee, sagt Olaf Look, sei eine unerschöpfliche Energiequelle. "Im Winter haben wir im Meer knapp über null Grad, und eigentlich denkt man nicht, dass man da Energie rausziehen kann, aber es ist möglich!" Künftig sollen weitere Wohngebiete mit Energie aus Nordseewasser versorgt werden.

Olaf Look (links) und Axel Held im ehemaligen Öltank. Dort entsteht jetzt Wärme für 115 Wohnungen.
Auch Geothermie ist eine Option auf der Insel
Eigentlich hatte die Inselgemeinde den Plan, bis zum Jahr 2030 sämtliche Haushalte mit klimaneutraler Wärme und grünem Strom auszustatten. So ganz wird das nicht gelingen, gibt Axel Held zu, der Geschäftsführer der Stadtwerke Borkum. Aber immerhin sei Borkum weiter als der Rest der Republik.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzt die Insel auch auf Geothermie. In zwei Jahren sollen erste Probebohrungen stattfinden. Rund 3.700 Meter unter der Insel liegen Erdschichten, die vermutlich besonders geeignet sind, Wärme abzugeben. "Wir haben hier auf Borkum wirklich die Chance, unsere Strategie zu erfüllen und die Wärmewende zu schaffen“, gibt sich Axel Held optimistisch. Er sieht aber auch: Der Weg hin zur Klimaneutralität ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon, der aus vielen kleinen Etappen besteht.
Der grüne Strom durch Wind- und Solaranlagen, die vielen E-Autos auf der Insel, die neue Tankstelle für Wasserstoff sind wichtige Schritte.

Borkums Bürger wollen die Klimawende
Aber Borkum ist eine der ostfriesischen Inseln, auf der Autos fahren dürfen: Touristen und Handwerker kommen zu Tausenden, und nur eine Minderheit ist elektrisch unterwegs. Gebaut und saniert wird auch. Dass auf der Insel in fünf Jahren tatsächlich gar keine Emissionen mehr freigesetzt werden, scheint trotz aller Bemühungen unrealistisch.
Die Insulaner stehen allerdings hinter dem Projekt, so Held: "Wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels hier ja ganz besonders durch die Sturmfluten und die Wasserstände." Die Borkumer Bürger und auch die Unternehmen seien somit ressourcenbewusster, ist Helds Eindruck.
Außerdem habe man auch den Touristen gegenüber einen Bildungsauftrag und wolle mit gutem Beispiel vorangehen. Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums gibt es neben Borkum weitere Kommunen, die sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt haben.