
Israel und Hamas Phase eins der Waffenruhe beendet - und nun?
Heute läuft die erste Phase des Abkommens für eine Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln und Gefangenen zwischen der Hamas und Israel aus. Wie geht es nun weiter?
Die gute Nachricht ist: Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas hat sechs Wochen lang gehalten. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist zwar immer noch prekär, sie hat sich aber durch das Ende der Kampfhandlungen und die deutliche Steigerung der Hilfslieferungen in das Gebiet verbessert.
Doch wie es nun weitergeht, ist völlig offen. Das liegt auch daran, dass sich die Terrororganisation Hamas, aber auch Israel, in den letzten Wochen nicht immer an die Abmachungen gehalten haben.
Israel hatte zwischendurch den Rückzug von Truppen aus Teilen des Gebiets verzögert. Zudem hatte es immer wieder Verzögerungen bei der Freilassung von Geiseln und palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen und Lagern gegeben.
Schicksal der Bibas-Familie empört
In einem Fall übergab die Terrormiliz statt der getöteten Geisel, die laut Abmachung übergeben werden sollte, die Leiche einer anderen Frau an Israel. Der Fall sorgte für Wut und Empörung. Bei der getöteten Geisel handelte es sich um die Deutsch-Israelin Shiri Bibas.
Israel hatte angegeben, eine forensische Untersuchung habe gezeigt, die Mutter und ihre Kinder seien in der Geiselhaft ermordet worden. Laut der Hamas sollen Bibas und ihre Kinder im November 2023 bei einem israelischen Luftangriff getötet worden sein. Belege dafür gibt es nicht.
Entwürdigende Inszenierungen
Und schließlich sorgte auch die entwürdigende Inszenierung der Übergabe von lebenden und toten Geiseln durch die Hamas und andere Terrororganisationen in Gaza in den letzten Wochen für große Spannungen.
Hauptgrund für den ungewissen Fortgang aber ist, dass ein wichtiger Teil der Vereinbarung nicht umgesetzt wurde: Schon seit Anfang Februar sollten Gespräche über die zweite Phase stattfinden, und damit über einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza, die Freigabe der verbliebenen 59 Geiseln und den vollständigen Rückzug der israelischen Truppen.
Gespräche in Ägypten
Die Verhandlungen sind bisher nicht richtig in Gang gekommen. Eine israelische Delegation ist inzwischen aus Kairo zurückgekehrt - ohne Verhandlungsergebnis.
Vorgesehen war eigentlich, dass sich Israel ab diesem Wochenende aus dem so genannten Philadelphi-Korridor im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten zurückzieht. Israels Regierung lehnt das aber inzwischen offen ab.
Und: Große Fragen zur Zukunft des Gazastreifens sind weiterhin ungeklärt - vor allem, wer das Gebiet künftig regiert und wie der Wiederaufbau gelingen kann. Zu beiden Themen hat Ägypten einen Vorschlag vorgelegt, der am Dienstag bei einem Gipfel der arabischen Staaten in Kairo weiter abgestimmt werden soll.
Die Rede ist von einer Art Technokratenregierung in Gaza, bei der sowohl die Hamas als auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Hintergrund bleiben. Israel hält hingegen weiter an seinem Ziel fest, die Hamas zu zerschlagen und lehnt auch eine Rolle der PA in Gaza ab, die unter Präsident Mahmoud Abbas Teile des besetzten Westjordanlandes kontrolliert.
Umsiedelungsidee zurückgewiesen
Israels Oppositionsführer Yair Lapid hatte sich zuletzt mit dem Vorschlag gemeldet, Ägypten könne für die nächsten Jahre den Gazastreifen verwalten - was von Ägypten sofort zurückgewiesen wurde. Ansonsten gibt es bislang keine öffentlichen Vorschläge Israels zur Zukunft des nach mehr als 16 Monaten Krieg flächendeckend zerstörten Gazastreifens.
Auch für den Wiederaufbau gibt es einen Vorschlag Ägyptens, der auch in der kommenden Woche auf dem Gipfel arabischer Staaten abgestimmt werden soll. Im Gegensatz zu den Ideen von US-Präsident Donald Trump für eine "Riviera des Nahen Ostens" kommt die Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung von Gaza von rund 2,2 Millionen Menschen darin nicht vor. Arabische Staaten haben Trumps Ideen als Plan zur ethnischen Säuberung kritisiert und zurückgewiesen.
US-Nahostbeauftragter in der Region
Immerhin: Die Vorschläge Trumps haben für Bewegung auf der arabischen Seite gesorgt und dazu geführt, dass nun über Alternativvorschläge gesprochen wird. Trumps Nahostbeauftragter Steve Witkoff wird in den kommenden Tagen zu Gesprächen in der Region erwartet - auch das könnte noch einmal Bewegung bringen.
Worauf sich Israel am Ende einlassen wird, ist offen: Einerseits gibt es Druck von weiten Teilen der israelischen Bevölkerung auf die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu, sich auf einen dauerhaften Waffenstillstand einzulassen, um die restlichen Geiseln freizubekommen.
Kriegsziele nicht erreicht
Andererseits wurde Israels Kriegsziel, die Hamas zu zerschlagen, bislang nicht erreicht. Netanjahus rechtsgerichtete Koalition droht deshalb zu zerbrechen, sollte der Krieg in Gaza nicht wieder hochgefahren werden.
Sollte seine Regierung auseinanderbrechen, wäre das dann wahrscheinlich Netanjahus politisches Ende. Eine Fortsetzung des Kriegs hingegen würde die schwere humanitäre Krise in Gaza erneut verschärfen.
Das derzeit wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Waffenruhe zunächst noch einmal verlängert wird, um mehr Zeit für die Verhandlungen zu gewinnen. Israel soll eine Verlängerung von Phase eins um weitere sechs Wochen ins Spiel gebracht haben. Die Hamas lehnt das ab und besteht weiterhin auf Verhandlungen über die zweite Phase.