
Neuer Bundestag Welche Bedeutung hat die erste Sitzung?
Der frisch gewählte Bundestag kommt heute zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Was steht auf der Tagesordnung? Welche Rolle spielt dabei Gregor Gysi? Und wie sieht der Bundestag nun aus? Ein Überblick.
Warum tritt der neue Bundestag heute zusammen?
Das neue Parlament muss laut Grundgesetz spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentreten. Der 25. März ist demnach der letzte mögliche Tag. Die Sitzung beginnt nun um 11 Uhr, das vereinbarte der Vorältestenrat. Dem Vernehmen nach waren die Vertreter aller Fraktionen bis auf SPD und Union für einen früheren Termin, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete.
Organisatorisch waren die Vorbereitungen dieses Mal schwieriger und für den Umbau der Stühle im Plenarsaal blieb besonders wenig Zeit. Der Grund: Der alte Bundestag kam in den vergangenen zwei Wochen zu zwei Sondersitzungen zusammen, bei denen ein milliardenschweres Schuldenpaket beraten und beschlossen wurde.
Welche Bedeutung hat die konstituierende Sitzung?
Mit der Konstituierung des neuen Bundestags beginnt die nächste Legislaturperiode für regulär vier Jahre. Damit greift auch die sogenannte Diskontinuität: Das bedeutet, dass nahezu alle Angelegenheiten des vorherigen Parlaments mit der Wahl und dem Beginn der Arbeit des neuen Bundestags hinfällig sind.
Laut Geschäftsordnung gibt es drei Aspekte der Diskontinuität: personelle, organisatorische und sachliche. Die personelle betrifft die gewählten Abgeordneten. Mit der Konstituierung des neuen Bundestages verlieren alle bisherigen Parlamentarier ihr Mandat. Bis dahin sind sie noch gewählte Abgeordnete, etwa für Sondersitzungen zwischen Wahl und Neukonstituierung.
Die organisatorische Diskontinuität bezieht sich auf alle Untergliederungen und Organe des Bundestags. Diese müssen in einer neuen Legislatur neu gewählt werden. Das gilt nicht nur für das Präsidium, sondern auch für Ausschüsse. Ein Ausschussmitglied, das erneut in den Bundestag gewählt wurde, ist somit nicht automatisch im gleichen Ausschuss wie zuvor.
Die sachliche Diskontinuität wiederum ist für den Wähler die beinahe wichtigste: Alle Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, darunter fallen auch Kleine und Große Anfragen an die Bundesregierung, die vom alten Bundestag nicht beschlossen wurden, müssen neu eingebracht und verhandelt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie weit der Entwurf im Gesetzverfahren bereits gekommen war. Einzige Ausnahmen sind Petitionen und EU-Angelegenheiten.
Was wird aus der alten Bundesregierung?
Noch heute erhalten Bundeskanzler Olaf Scholz und die Mitglieder seines Kabinetts von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Entlassungsurkunden. Ist wegen andauernder Koalitionsverhandlungen aber noch keine neue Regierung gefunden, ersucht der Bundespräsident den bisherigen Kanzler in der Regel, geschäftsführend im Amt zu bleiben. Dieser bittet seinerseits die Ministerinnen und Minister, auch im Amt zu bleiben - ebenfalls geschäftsführend.
Ziel ist es, einen regierungslosen Zustand zu verhindern. Ablehnen können die bisherigen Kabinettsmitglieder die geschäftsführende Amtsausübung außer bei schwerer Krankheit nicht.
Die geschäftsführende Regierung kann theoretisch so agieren wie eine normale. Ihre Handlungsspielräume sind aber begrenzt, weil sie keine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat. Zudem ist es üblich, dass eine solche Regierung keine weitreichenden Vorhaben mehr auf den Weg bringt oder wichtige personelle Entscheidungen trifft.
Welche Rolle spielt Gregor Gysi?
Eröffnet wird die erste Sitzung des 21. Bundestags mit einer Ansprache des Alterspräsidenten. Das ist der Linken-Politiker Gregor Gysi, er kommt auf knapp 31 Dienstjahre als Bundestagsabgeordneter. "Ich werde das Amt nicht für eine Dauerrede missbrauchen", sagte er der Rheinischen Post. "Aber eine gute halbe Stunde werde ich schon sprechen."
Bis zur Bundestagswahl 2017 war der oder die nach Lebensjahren älteste Abgeordnete Alterspräsident, seitdem wird diese Aufgabe nach Dienstjahren zugeteilt. Beim Lebensalter liegt der 77 Jahre alte Gysi auf Platz zwei der Bundestagsabgeordneten. Ältester Abgeordneter ist der AfD-Politiker Alexander Gauland, der vor wenigen Tagen 84 Jahre alt wurde.

Bereits nach der letzten Sitzung des alten Bundestags testete Gregor Gysi das Pult für seine heutige Rede.
Was steht auf der Tagesordnung?
Die Tagesordnung sieht die Beschlussfassung über die Geschäftsordnung des Bundestags sowie die Wahl der Bundestagspräsidentin oder des Bundestagspräsidenten vor. Nominiert für den Posten ist die CDU-Politikerin Julia Klöckner. Traditionell besetzt die größte Fraktion im Parlament das Amt, in der kommenden Legislaturperiode also die Union.
Klöckner wäre die vierte Frau an der Spitze des Bundestags und im protokollarisch zweithöchsten Staatsamt nach dem Bundespräsidenten. Sie und die Vizepräsidenten würden die Bundestagssitzungen leiten und über die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung wachen. Sie könnten Abgeordnete ermahnen, ihnen das Wort entziehen oder sogar von Plenar- und Ausschusssitzungen ausschließen.
Nach der Abstimmung folgt eine Ansprache und die Festlegung der Anzahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter sowie deren Wahl. Beendet wird die erste Sitzung des neuen Bundestags mit der Nationalhymne. Das Ende ist für 15.45 Uhr angesetzt.
Wie sieht der neue Bundestag aus?
Der neue Bundestag ist mit 630 Abgeordneten um 103 Sitze kleiner als der alte. Vertreten sind auch weniger Parteien. Die Abgeordneten kommen aus CDU und CSU, AfD, SPD, Grüne und Linke. Auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist mit einem fraktionslosen Abgeordneten vertreten, die Minderheitenpartei ist von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen. Die FDP und das BSW verpassten den Einzug in den neuen Bundestag.
Der Frauenanteil im neuen Bundestag beträgt nur noch 32,4 Prozent. Damit ist er um 2,4 Prozentpunkte niedriger als zu Beginn der vorigen Legislaturperiode. An dem geringen Frauenanteil hat sich laut dem Statistischen Bundesamt seit 2008, als die Ergebnisse erstmals im Gleichstellungsatlas der Bundesregierung veröffentlicht wurden, wenig geändert. Damals lag der Frauenanteil im Bundestag bei 31,8 Prozent.
Das Durchschnittsalter aller Abgeordneten liegt nun bei 47,1 Jahren, nach der Wahl 2021 betrug der Schnitt noch 47,3 Jahre. Die Frauen im neuen Parlament sind mit 44,8 Jahren jünger als Männer mit 48,2 Jahre. Durch 186 Abgeordnete ist die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen am stärksten vertreten.
Mit Blick auf den Beruf oder Stand der Abgeordneten kommen mit 459 Personen die meisten aus dem Bereich "Unternehmensorganisation, Recht, Verwaltung". Es folgen Gesundheits-, Lehr-, Sozial- und Erziehungsberufe mit 45 und der Bereich "Sprache, Literatur, Gesellschaft, Wirtschaft, Medien, Kultur" mit 44 Personen.
Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist im Bundestag fast unverändert. Nach einer Recherche des Mediendienstes Integration haben rund 11,6 Prozent der frisch gewählten Abgeordneten einen Migrationshintergrund. Im 2021 gewählten Bundestag waren es 11,3 Prozent. Einen Migrationshintergrund haben nach der Definition des Statistischen Bundesamtes alle Menschen, die bei der Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, sowie jene mit mindestens einem Elternteil, auf den dies zutrifft.