Sahra Wagenknecht
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BSW-Wahlniederlage Die Suche nach der Schuld - bei den anderen

Stand: 24.02.2025 19:51 Uhr

Knapp 0,03 Prozentpunkte - so wenig trennt das Bündnis Sahra Wagenknecht vom Einzug in den Bundestag. Der Frust ist groß - aber wer hat Schuld? Die Namensgeberin sucht diese nicht bei sich.

Eine Analyse von Alexander Budweg, ARD-Hauptstadtstudio

Als Sahra Wagenknecht am Morgen das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin betritt, sind nur wenige Kameras auf sie gerichtet. Der große Pulk an Fotografen, Kameraleuten und Reportern scharrt sich in diesem Moment um Alice Weidel - eine der Gewinnerinnen der Wahl. Während die AfD-Chefin Mühe hat, sich ihren Weg nach draußen zu bahnen, steht Wagenknecht weitestgehend unbemerkt nur wenige Meter daneben und wartet darauf, den großen Pressesaal betreten zu dürfen.

Dort räumt sie ihre Niederlage kurz darauf zwar ein, doch die Gründe dafür sieht Wagenknecht keineswegs bei sich selbst. Ihre Analyse für das Scheitern des nach ihr benannten Bündnisses lässt sich knapp zusammenfassen: Schuld sind die anderen. Personelle Konsequenzen schließt sie deshalb für sich aus. Dabei hatte Wagenknecht vor der Wahl selbst gesagt, dass man in der deutschen Politik kein relevanter Faktor sei, wenn man nicht im Bundestag vertreten ist. Ihrer eigenen Logik folgend sind sie und ihr Bündnis Sahra Wagenknecht jetzt also nicht mehr relevant.

0,028 Prozentpunkte vom Bundestag entfernt

Dabei gab es für die Partei noch während der Auszählung der Stimmen in der Nacht durchaus Hoffnung. Zwar sah die Prognose um 18 Uhr das Bündnis Sarah Wagenknecht zunächst nur bei 4,7 Prozent. Der Applaus auf der Wahlparty im ehemaligen Kino Kosmos an der Berliner Karl-Marx-Allee fiel dementsprechend verhalten aus. Doch umso mehr Wahlkreise ausgezählt waren, desto näher rückte das BSW an die Fünf-Prozent-Hürde heran. Kurz vor Mitternacht sah es dann sogar so aus, als könnte die Partei den Sprung in den Bundestag schaffen. Am Ende fehlten ihr aber 0,028 Prozentpunkte, was umgerechnet keine 14.000 Stimmen sind.

Ist Wagenknecht also nun mit ihrem Projekt gescheitert? Ihre trotzige Antwort darauf ist eindeutig: Nein. Sie werde den Medien nicht den Gefallen tun und ihren Rückzug verkünden. Was zunächst nach einem "jetzt erst recht" klingt, wird im Verlauf der Pressekonferenz zu einer Generalabrechnung mit Medien, Meinungsforschungsinstituten und den von ihr stets skeptisch gesehenen Beteiligungen ihrer Partei an den Landesregierungen in Thüringen und Brandenburg.

Wagenknechts Zweifel an Umfragewerten

Die Suche nach einem Schuldigen für die eigene Niederlage beginnt für Wagenknecht aber nicht erst an diesem Montagmorgen, dem Tag nach der Wahl. Während des gesamten Wahlkampfes sieht sie sich mit schlechten Umfragewerten konfrontiert. Während des gesamten Wahlkampfes zweifelt Wagenknecht diese bei ihren Auftritten an. Von neun Prozent im Sommer letzten Jahres folgt der Sinkflug unter die Fünf-Prozent-Marke im Januar und Februar. Für Wagenknecht ist das aber kein Zeichen nachlassender Unterstützung. Ihre Lesart lautet, es seien die Medien und die anderen Parteien, die damit versuchten, das unbequeme BSW aus dem Bundestag zu drängen. Bei ihren Anhängern verfängt das. Am Abend der Wahlparty glaubt kaum jemand im Saal daran, dass es die Partei nicht schaffen könnte.

Doch statt Katerstimmung am nächsten Morgen arbeiten Wagenknecht und ihre Getreuen daran, die Legende von der Fremdverantwortung fortzuerzählen. Der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi kritisiert auf dem sozialen Netzwerk X, dass viele Auslandsdeutsche ihre Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig erhalten hätten und deshalb nicht wählen konnten. Er ist überzeugt, andernfalls hätte es das BSW geschafft.

Wie De Masi kündigt auch Wagenknechts Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali juristische Schritte an - auch weil am Wahltag falsche Umfragewerte auf der Plattform X erschienen sind. Das BSW lag dort deutlich unter fünf Prozent, was Sympathisanten der Partei aufgrund geringer Erfolgsaussichten womöglich von der Wahl abgehalten haben könnte.

Offene Fragen und zu hohe Erwartungen

Was in Wagenknechts eigener Analyse der Wahl bislang komplett fehlt, sind die Fragen nach ihrer eigenen Verantwortung. Schließlich trägt die Partei ihren Namen und nahezu jedes BSW-Plakat ihr Gesicht. Waren also neun Wahlkampfauftritte - die meisten davon in Hallen irgendwo am Stadtrand - wirklich genug? Hatte die Partei aufgrund des auch von ihr verordneten, langsamen Wachstums vielleicht doch zu wenig Unterstützer? Und war es richtig, gemeinsam mit Union und AfD für einen umstrittenen Antrag zur Migration zu stimmen, der am Ende nichts an den Problemen ändert, aber viele Menschen auf die Straße brachte?

Wagenknecht verweist zurecht darauf, dass das BSW noch eine junge Partei sei. Eine Bundestagswahl ein knappes Jahr nach der Gründung ist eine enorme Herausforderung. Auch der AfD gelang nicht sofort der Sprung ins Parlament. Und ja, das BSW hat in absoluten Zahlen gesehen mehr Stimmen geholt als bei der Europawahl. Zwar nur etwas mehr als 12.000 - aber dennoch mehr. Doch die selbstgesteckten Erwartungen waren hoch. Und diese konnte das BSW zumindest bei dieser Wahl nicht erfüllen. Auch Wagenknecht hat daran ihren Anteil.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 24. Februar 2025 um 19:06 Uhr.