Saskia Esken

Kritik an SPD-Chefin Was wird aus Esken?

Stand: 30.03.2025 08:17 Uhr

Verpatzte Bundestagswahl, ausbleibende personelle Konsequenzen - die Kritik an SPD-Parteichefin Esken reißt nicht ab. Gleichzeitig wird ihr nachgesagt, ein Ministerinnenamt anzustreben. Wie geht es weiter?

Von Dominic Hebestreit , ARD Berlin

Calw in Baden-Württemberg, eine Stadt mit 25.000 Einwohnern im Nordschwarzwald. Die Heimat von Saskia Esken (63). Im benachbarten Bad Liebenzell hat die SPD-Co-Vorsitzende ihre politische Laufbahn im Ortsverein begonnen, sich in der Region engagiert, hat ein Bündnis gegen Rechts gegründet, war in der Flüchtlingshilfe aktiv und im Weltladen.

Eine Hausmacht hat die SPD-Politikerin in ihrer Heimat trotzdem nicht. Bei der Bundestagswahl kam sie hier nur auf 12,9 Prozent der Erststimmen. Zum Vergleich: bundesweit holte die SPD 16,4 Prozent, ihr Co-Parteichef Lars Klingbeil (47) in seinem Wahlkreis in Niedersachsen stolze 42,1 Prozent.

Klingbeil hat neben dem Parteivorsitz - strategisch geschickt, aber auch umstritten - zusätzlich nach dem Posten als Fraktionschef gegriffen und steht dank beider Ämter in der SPD nun mehr und mehr im Zentrum der Macht. Derweil reißt die Kritik an Saskia Esken nicht ab.

Bundestagswahl 2025: Saskia Esken, SPD, zum enttäuschenden Abschneiden ihrer Partei

23.02.2025 17:10 Uhr

Kritik quer durch die Republik

Die Liste ihrer Kritiker reicht von Oberbürgermeistern bis zu Ministerpräsidenten, von Bremen bis nach München. Nicht immer fällt dabei explizit Eskens Name. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke forderte nach dem desaströsen Wahldebakel eine "personelle und inhaltliche Erneuerung der SPD". Genauso Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey im Tagesspiegel: "Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der SPD […] ist es offensichtlich, dass daraus in der Partei Konsequenzen gezogen werden müssen".

Klartext kam vom Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung: "Für die Genossin Esken sehe ich eigentlich keine weiteren Aufgaben in der Parteiführung, die letztlich für die SPD auch Fortschritt und Mehrwert bringen könnten." Aus ihrem Wahlkreis heißt es, Esken klebe wie Pattex am Parteivorsitz. Sie verkörpere den Niedergang der SPD, mit ihr habe die Partei keine Zukunft. Esken solle ihr Amt noch vor dem Parteitag im Juni zur Verfügung stellen.

Auch ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete wie Dagmar Freitag sehen keinen Rückhalt mehr für Esken bei den Bürgerinnen und Bürgern. "Daher wäre es im Interesse der SPD wünschenswert, wenn Saskia Esken zeitnah selbst zu dieser Erkenntnis kommen und von sich aus zurücktreten würde." Rückendeckung bekommt sie indes von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen.

An Klingbeil prallt die Kritik am Wahlergebnis ab

Die krachende Niederlage der Sozialdemokraten wird maßgeblich Eskens Linkskurs zugeschrieben. Dabei darf man nicht übersehen, dass eine Wahl auch immer eine Abstimmung über das politische Spitzenpersonal ist - im Fall der SPD vor allem über den inzwischen nur noch geschäftsführenden Bundeskanzler Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden.

An Lars Klingbeil prallt die Kritik am Wahlergebnis ab. Bei Esken hingegen stören sich einige Genossen zudem an ihren öffentlichen Auftritten. Manche Äußerung, manches Interview hätte sie besser nicht gegeben, meint die Ex-Abgeordnete Freitag. Dass sie laut Medienberichten während der Koalitionsverhandlungen ein paar Tage Urlaub auf den Kanaren gemacht haben soll, wirkte wohl mehr als nur ungeschickt.

Weg zur Macht

Eine Zeit lang sah es zwischen Esken und Klingbeil nach einer Art Arbeitsteilung aus. Im Spitzenduo vertritt sie die Parteilinke, hält den Kontakt zur Basis und wirkt damit eher nach innen als nach außen. Klingbeil hingegen, smart, rhetorisch geschickt, vertritt den konservativen Seeheimer Kreis und ist zunehmend das Gesicht der Partei. Ob das hält?

Die SPD will den noch auszuhandelnden Koalitionsvertrag der Parteibasis zur Abstimmung vorlegen. Da dürfte Esken eine wichtige Rolle haben. Und danach? Was passiert dann mit der personellen Erneuerung in der SPD? Steht Esken für einen Neuanfang? Ihr wird nachgesagt, sie strebe ein Ministerinnenamt an. Wenn es so käme, hielte die SPD dann noch am Modell der Doppelspitze fest? Das erwarten wohl die wenigsten. Zumal potentielle Nachfolgerinnen wie Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin im Saarland, und Manuela Schwesig, Regierungschefin in Mecklenburg-Vorpommern, bereits abgewunken haben.

Esken hatte sich 2019, damals noch als weitgehend unbekannte Digital-Politikerin, um den Parteivorsitz beworben - gemeinsam mit dem früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans - und sich unter anderen gegen Olaf Scholz durchgesetzt. Sie kritisierte seinerzeit die amtierende große Koalition aus Union und SPD und traf den Nerv der Sozialdemokraten. Ihr Generalsekretär damals: Lars Klingbeil. 2021 tritt er an die Stelle von Walter-Borjans. Jetzt steht ein neues, schwarz-rotes Bündnis an.

Parteitag im Sommer

Trotz harter Kritik: Saskia Esken gibt nicht auf. Sie sitzt mit am Tisch, verhandelt mit. Und erlebt schwierige Momente - so scheint es zumindest. Beim Smalltalk im Bundestag wird sie von Olaf Scholz übersehen, bei den Koalitionsverhandlungen steht ihr Stuhl abseits. Manches davon spielt sie runter, manches war ihre Entscheidung.

Auch wenn die Kritik an ihrer Person anhält, Saskia Esken scheint sich standhaft zu behaupten. "Kritik kommt ja vor allen Dingen aus ihrem Kreisverband. Kaum Kritik hört man hingegen aus dem linken Lager in der SPD und schon gar nicht aus der engeren Parteiführung beziehungsweise dem Parteivorstand. Käme sie von dort, wäre das noch mal anderes", analysiert Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier und fügt hinzu: "Die SPD hat gelernt, dass innerparteilicher Streit schadet, wenn er öffentlich ausgetragen wird."

Nach Jahren der Auseinandersetzung wissen die Sozialdemokraten sehr genau: die Menschen mögen keine zerstrittenen Parteien. Diskussionen ja, aber bitte intern, nach außen das Bild der Geschlossenheit. Lars Klingbeil verliert jedenfalls kein schlechtes Wort über seine Co-Vorsitzende.

Esken selbst verweist auf den vorgezogenen Parteitag im Sommer, bei dem das Wahlergebnis analysiert werden soll. "Da werden auch personelle Konsequenzen notwendig sein. Das werden wir als Team entscheiden." Dann steht auch die Wahl einer neuen Parteispitze an. Ob Esken wieder antritt?

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 am 19. März 2025 um 07:00 Uhr.