Sören Pellmann, Ines Schwerdtner und Jan van Aken

Parteitag der Linken Neuer Klassenkampf und alte Konfliktlinien

Stand: 10.05.2025 18:11 Uhr

Bei der Bundestagswahl war sie der Überraschungssieger: die Linke. Auf einem Parteitag hat sie den Erfolg jetzt gefeiert. Doch ganz am Schluss wurde es doch noch knifflig für die Parteispitze.

Von Bianca Schwarz, ARD-Hauptstadtstudio

US-Rapper Eminem und die Linkspartei? Schon als der Parteitag in Chemnitz losgeht, merkt man: Da ist ein neuer Sound. Die Fraktionschefs Heidi Reichinnek und Sören Pellmann sowie die Parteichefs Ines Schwerdtner und Jan van Aken laufen strahlend mit lautem Hip-Hop von Eminem ein. "Guess who’s back", heißt der Song aus den frühen 2000ern - "Ratet, wer zurück ist". Die Antwort ist klar.

Die Linke erfindet sich gerade neu. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelt: 112.000 sind es aktuell, so viele wie noch nie. Die meisten der Neuen sind unter 30.

Sören Pellmann, Jan van Aken, Heidi Reichinnek und Ines Schwerdtner

Zu Hip-Hop-Musik zieht die Linken-Spitze ein.

Das wirkt sich auf die Partei aus und das merkt man nicht nur an Eminem. Vor der Messe Chemnitz findet ein Festival der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. "Onboarding" ist das Ziel - die Neuen so gut und schnell wie möglich zu integrieren.

Da geht es einerseits um linkspolitische Basics. Man findet zum Beispiel sozialistische Literatur oder Hintergründiges zu den Errungenschaften durch den Kampf der Arbeiterklasse.

Andererseits will das Festival die vielen neuen Mitglieder darin bestärken, selbst zu linken Sprachrohren zu werden. Man kann seine Argumente testen in Diskussionsrunden über Care Arbeit oder Solidarität, man kann sich vernetzen in feministischen Foren oder in Workshops lernen, wie man linke Prinzipien über Social Media vertritt.

Reichinnek erreicht neue Zielgruppen

Und überall mittendrin: die "Social Media-Queen" der Linken, Heidi Reichinnek. Sie lacht, schüttelt Hände, macht Selfies. Wenn man sie fragt, ob die Linke ohne ihre große Präsenz auf Social Media so ein Comeback hätte feiern können, winkt sie ab.

Ihre Arbeit sei ein Baustein gewesen, aber ein kleiner, meint die 37-Jährige aus dem Wahlkreis Osnabrück. Reichinnek ist davon überzeugt, dass der Erfolg ihrer Partei daran liegt, dass die Mitglieder so aktiv im Wahlkampf waren, dass sie beispielsweise bundesweit Hunderttausende Haustürgespräche geführt haben.

"Dass sie die Partei so nach vorne holt, das ehrt sie. Aber Politik ist personalisiert", meint dazu Jasmin Riedl. Sie ist Professorin an der Universität der Bundeswehr in München und forscht an einer Schnittstelle zwischen Politik und Informatik. In Echtzeit sieht sie in ihrem Projekt "Sparta", wie Diskussionen auf Social Media über Politikerinnen und Politiker gerade laufen, welche Debatten in welcher Gefühlslage geführt werden.

Heidi Reichinnek

Fraktionschefin Heidi Reichinnek gilt als das Gesicht der Partei.

Heidi Reichinnek, meint Riedl, hat es geschafft, meistens positiv besprochen zu werden. Weil sie verschiedene Rollen authentisch einnehmen kann, erklärt die Forscherin. Als Berufspolitikerin erkläre sie komplexe Themen wie das Wahlrecht oder Sondierungsgespräche verständlich und unterhaltsam.

Als Privatperson sitze sie unterm Weihnachtsbaum und gebe Buchempfehlungen. Als Frau spreche sie über Menstruationsschmerzen und die Rolle von Frauen in Politik, Gesellschaft und der Care Arbeit. Gerade damit habe sie für die Linke eine Zielgruppe gekriegt, die für die Politik als nur schwer erreichbar gelte: junge Frauen.

Für Sozialismus und gegen Kapitalismus

"Wir sind die Hoffnung", ist das Motto auf dem Parteitag in Chemnitz. Die SPD organisiere sich eine Regierungsbeteiligung, die AfD organisiere Hass - aber die Linke wolle die Hoffnung organisieren, die so viele Menschen im ganzen Land neu in diese Partei gesetzt haben, erklärt Reichinnek. Die Linke will wieder da sein für die Menschen, will sich kümmern, mit Haustürgesprächen auch ohne Wahlkampf, mit Sozialsprechstunden auch auf dem Land.

Es geht in Chemnitz also nicht um die großen Themen, es gibt keine Wahlen, kein neues Parteiprogramm. Aber einen neuen Leitantrag und einen neuen Sound, zu dem zwei Formulierungen gehören: Die Linke betont stark den Sozialismus als tragendes Konzept und sich selbst als sozialistische Partei.

Der Kapitalismus führe zu ungleicher Verteilung von Vermögen, meint Parteichefin Schwerdtner. Man müsse ihn überwinden. Und daran schließt sich die Formulierung "Reiche und Mächtige" für diejenigen, gegen die man vorgehen will. Dabei habe man nichts gegen ein bisschen Reichtum, man habe nichts gegen Menschen, die eine Million oder zwei besitzen, meint Parteichef van Aken.

Aber Milliardäre müsse es einfach nicht geben. Diesen unverhältnismäßigen Reichtum habe keine einzelne Person verdient, sondern immer die arbeitende Bevölkerung, der ein größerer Anteil daran zustehe.

Ines Schwerdtner, Vorsitzende Die Linke, vom Bundesparteitag der Linken in Chemnitz

tagesthemen, 09.05.2025 21:45 Uhr

Der Ton wird auch mal rauer

Sichtlich Mühe bereitet es der Linken immer noch, die gegensätzlichen Pole in der Partei auszuhalten. Bei einer Debatte über Krieg und Frieden wird der Ton rau. Eine Rednerin fordert, dass man das Vorgehen von Israel in Gaza als Genozid benennen müsse. Palästinensertücher sind unter den Delegierten und Gästen weit verbreitet.

Die Stimmen gegen Krieg und Aufrüstung und für Frieden wirken oft unversöhnlich. Am Ende kommt aber ein Kompromissvorschlag aus der Parteispitze, den die Mehrheit der Delegierten mittragen kann. Darin kommt das Wort Genozid vor, die Linke macht es sich aber nicht zu eigen. Sie verurteilt den Krieg scharf und fordert einen Rückzug der israelischen Armee und ein sofortiges Vorgehen gegen die drohende Hungersnot in Gaza.

Delegierte mit sogenannten Palästinensertüchern auf dem Bundesparteitag der Linke in Chemnitz

Delegierte mit Palästinensertüchern beim Parteitag

"Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung, eine lernende, eine andere Partei zu sein", sagt Parteichefin Schwerdtner. An solchen Sätzen merkt man, dass es auch eine neue Linke ist, die hier entsteht. Die Zeiten der unversöhnlichen Lager scheinen vorbei. Aber die Haltungen einzelner Mitglieder wurden noch diverser als in der Vergangenheit. Ob es ihr gelingen wird, das intern alles unter einen Hut zu bringen, bleibt offen. Nach außen wirkt sie. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend steht die Partei bei zehn Prozent.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 10.05.2025 17:21 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. Mai 2025 um 18:00 Uhr.