
Berlin Berlinale-Filmkritik: "Peter Hujar's Day" ist ein höchst anregendes, stilvolles Kammerspiel
Zwei Menschen reden darüber, was der eine am Tag zuvor gemacht hat. Klingt nicht nach einem aufregenden Filmstoff, ist es aber: Ira Sachs' "Peter Hujar's Day" ist ein höchst anregendes, überbordend stilvoll gefilmtes Kammerspiel. Von Fabian Wallmeier
Was hast du gestern so gemacht? Diese Frage stellte die Publizistin Linda Rosenkrantz im New York der 1970er-Jahre befreundeten Künstler:innen. Sie sollten sich Notizen machen - und ihr dann am nächsten Tag bei laufendem Tonband von ihrem Gestern erzählen.
Einer von ihnen war der Fotograf Peter Hujar, entstanden ist aus den Aufnahmen ein Buch von Rosenkrantz - und nun der neue Film von Panorama-Dauergast Ira Sachs. "Peter Hujar's Day" zeigt Rosenkrantz (Rebecca Hall) und Hujar (Ben Whishaw), wie sie einen Tag zusammen in ihrer Wohnung verbringen und reden.
Ginsberg getroffen, zu wenig gegessen
Und was hat Hujar nun gestern gemacht? Nicht viel, scheint es. Er ist aufgestanden, hat einige Telefonate geführt (okay, teilweise mit sehr prominenten Menschen wie Susan Sontag), er hat den Schriftsteller Allan Ginsberg für Fotoaufnahmen für die "New York Times" getroffen und den Tag über viel zu wenig gegessen.
Ausgehend von Hujars Erzählungen kommen die beiden im Dialog aber von Höcksken auf Stöcksken - und viel weitschweifigere und grundsätzlichere Themen kommen dabei zur Sprache als das reine Abarbeiten eines Tagewerks. Es geht um grundsätzliche Fragen nach dem Stellenwert der Kunst in der Gesellschaft, aber auch um Reflexionen der New Yorker Bohème und ein kleines bisschen Gossip. Rosenkrantz fragt nach, kommentiert, erzählt auch selbst - es entsteht ein höchst anregendes, echtes Gespräch, getragen von zwei exzellenten Schauspieler:innen, denen man geradezu an den Lippen hängt und ihre Vertrautheit und jedes Wort, das sie sagen, nur zu gern abnimmt.
Beiläufige Intimität
Ira Sachs begleitet die zwei durch den ganzen Tag in Rosenkrantz' Apartment und auf dem Dach des Hauses. Bis am Ende die gleißende Abendsonne durch das Fenster scheint und sich der Tag allmählich dem Ende zuneigt.
Während die beiden reden, tun sie ganz banale Dinge: Sie sitzen am Tisch und essen Kekse und Käse. Rosenkrantz macht Tee. Hujar legt eine Platte auf und sie tanzen kurz. Von draußen wird die Geräuschkulisse des Großstadtalltags so laut, dass Rosenkrantz ein Fenster schließt. Sie liegen in enger Verbundenheit auf dem Bett. Hujar raucht eine Zigarette nach der anderen. Rosenkrantz richtet das Mikrofon aus - und so weiter. Dabei entsteht ganz beiläufig eine Intimität und Nähe, die den Dialog grundiert und umso glaubhafter macht.

Großes ästhetisches Vergnügen
Die 16-Millimeter-Aufnahmen mit ihrer herrlich getupften Grobkörnung sind so farbsatt, so klug und stylish kadriert, dass sie fast schon ein bisschen zu schön sind. Jedenfalls ist der Film auch ein großes ästhetisches Vergnügen. Das gilt auch für die Ausstattung des Sets - vom Fonduetopf bis zum Tonbandgerät ist alles so liebevoll und detailgetreu dem state of the art der 1970er-Jahre nachempfunden, dass man den Blick gern schweifen lässt.
Sachs' voriger, ebenfalls im Panorama gezeigter Film "Passages" mit Franz Rogowski als egomanischem Regisseur, der abwechselnd mit einer Frau und einem Mann (wiederum: Ben Whishaw) schläft, war ein Indie-Welterfolg. "Peter Hujar's Day" geht in eine ganz andere Richtung und wird vermutlich wegen seiner vergleichsweisen Ereignislosigkeit kein so großes Publikum erreichen. Schade, denn einen so klugen, warmen und stilvollen Film über ein Gespräch zweier Menschen bekommt man nur selten zu sehen.
Sendung: radioeins, 14.02.2025, 20:40 Uhr