Dag Johan Haugerud, Gewinner des Goldenen Bären für den besten Film (Quelle: dpa/Scott A Garfitt)

Berlin Goldener Bär für Liebesfilm "Dreams" - und starkes Statement gegen Rechts

Stand: 23.02.2025 13:13 Uhr

Mit dem Goldenen Bären ist am Samstagabend das norwegischen Liebesdrama "Dreams" von Dag Johan Haugerud geehrt worden. Doch auch in diesem Jahr blieb die Politik nicht außen vor - stellenweise fielen deutliche Worte.

Das norwegische Drama "Dreams (Sex Love)" von Dag Johan Haugerud hat am Samstagabend den Goldenen Bären gewonnen. Eine überraschende Entscheidung der Jury, da der Film nicht als großer Favorit für den Hauptpreis gehandelt worden war. Im Mittelpunkt steht ein Mädchen, das sich in seine Lehrerin verliebt – ein Thema, das meisterhaft in einer leichten, witzigen und zugleich formal komplexen Weise behandelt wird. Als letzter Teil der Trilogie des mehrfach ausgezeichneten Regisseurs startet "Dreams" im Frühjahr in den deutschen Kinos.

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Silberner Bär für Dystopie aus Brasilien

Der brasilianische Beitrag "The Blue Trail“ (O último azul) von Gabriel Mascaro galt hingegen im Vorfeld als Liebling der Kritiker:innen - und erhielt nun den Großen Preis der Jury. In einer dystopischen Zukunftsvision wird eine Frau in eine Altenkolonie verbannt, findet jedoch im Amazonas ihre Zuflucht. Sein Film handle vom "Recht am Träumen und dass es nie zu spät ist, einen neuen Sinn im Leben zu finden", sagte Mascaro auf der Gala.
 
Den Jurypreis wurde an das argentinische Drama "The Message" (El mensaje) von Iván Fund vergeben. Das Roadmovie erzählt die Geschichte eines Mädchens, das angeblich mit Haustieren kommunizieren kann und damit die Existenz ihrer kleinen Gemeinschaft sichert. "Es ist wichtig, dass das Kino in Argentinien finanziert wird - auch deswegen ist dieser Bär so wichtig", erklärte Fund.

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Das chinesische Drama "Living the Land" (Sheng xi zhi di) hatte den Wettbewerb eröffnet und setzte sich nun in der Regiekategorie durch. Regisseur Huo Meng schildert darin eindrucksvoll den tiefgreifenden Wandel im ländlichen China über mehrere Generationen hinweg - auch mit Laiendarsteller:innen. Viele seiner Protagonst:innen sähen sich erstmals auf der Leinwand, sagt Regisseur Huo Meng, als er seinen Preis entgegennahm.

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Rose Byrne und Andrew Scott sind die besten Darsteller:innen

Die Australierin Rose Byrne galt bereits im Vorfeld als Favoritin für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle. Nun konnte sie für ihre bravouröse Darstellung einer überforderten Mutter in "If I Had Legs I’d Kick You" von Mary Bronstein einen Silbernen Bären entgegen nehmen. "Ich bin zutiefst geschmeichelt", sagte sie. "Meine Kinder freuen sich schon darauf, sich den Bären anschauen zu können."

Den Silbernen Bären für die beste Leistung in einer Nebenrolle gewann Andrew Scott für seine Darstellung des Komponisten Richard Rodgers in dem biografischen Musikdrama "Blue Moon" von Richard Linklater.

Der Silberne Bären für eine herausragende künstlerische Leistung ging an die französische Regisseurin Lucile Hadzihalilovic. Sie nahm die Auszeichnung für die außergewöhnliche Zusammenarbeit des Filmteams bei der französisch-deutschen Produktion "The Ice Tower" (La Tour de Glace) entgegen.

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Politik auf der Bühne: Radu Jude mit Statements gegen Rechts und '"mordende Bastarde"

Radu Jude nutzte die Preisgala auch für ein politisches Statement. Der Rumäne erhielt für sein bissiges Drehbuch zu "Kontinental '25" den Silbernen Bären – ein Werk, das die Doppelmoral der westlichen Welt aufs Schärfste thematisiert und den etablierten Berlinale-Regisseur in eine Reihe seiner früheren Erfolge stellt. Er wolle den Preis Luis Buñuel widmen, für dessen "Respektlosigkeit", sagte Jude.

Bundestagswahl Liveticker:Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Stimmabgabe und Einwurf seines Wahlzettel zur Bundestagswahl 2025 in der Erich-Kästner-Schule in Berlin-Steglitz, Berlin, 23.02.2025.(Quelle:picture alliance/Flashpic/J.Krick)
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Mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche und politische Lage erklärte er: "Wir gehen durch schreckliche Zeiten. Ich hoffe, dass es mehr Solidarität in Europa geben wird, in diesem Augenblick, wo wir Druck von allen Seiten erleben. Ich hoffe, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag seine Arbeit machen wird gegen all diese mordenden Bastarde. Und weil morgen die Wahl ist, hoffe ich nicht, dass das nächste Festival mit Leni Riefenstahls 'Triumph des Willens' eröffnet wird."
 
Damit mahnte Jude auch deutlich gegen rechtsextreme Kräfte: Der 1935 uraufgeführte Riefenstahl-Film verherrlicht die mörderische NS-Ideologie. Aus dem Publikum gab es zu seiner Aussage Beifall und Jubel.

Symbolbild: Verleihung der Berlinale Bären im Berlinale-Palast. (Quelle: dpa/Ralf Hirschberger)
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Meryam Joobeur: "Wir haben die Vernichtung Tausender Kinder gesehen"

Jude nannte keine konkreten Namen in seinen Äußerungen. Ähnlich hielt es Meryam Joobeur, tunesisch-kanadische Regisseurin und Jury-Mitglied der neuen Sektion "Perspectives". Auf der Bühne sagte sie: "In jüngster Zeit und in der Gegenwart haben wir miterlebt, wie Männer und Frauen durch die Linse eines Scharfschützengewehrs blickten, auf den Kopf und das Herz eines Kindes zielten und abdrückten. Wir haben die Vernichtung Tausender Kinder gesehen, die von politischen und journalistischen Kräften als reine Kollateralschäden abgetan wurden." Sie forderte: "Wir können unsre heilige Pflicht gegenüber Kindern nicht aufgeben, unabhängig von ihrer Religion, Hautfarbe oder Identität."

Dass Jude und Joobeuer - trotz eindringlicher Worte - Zurückhaltung wahrten bei der Benennung von konkreten Konflikten und Personen könnte ein Echo auf den Eklat des Vorjahres sein, als Filmschaffende unwidersprochen einseitig israelkritische Positionen bezogen hatten. Dass die Festivalleitung erst sehr spät reagierte, führte zu heftiger Kritik. In diesem Jahr hatte die Berlinale unter ihrer neuen Chefin Tricia Tuttle Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt. Bei der Eröffnungsgala hatte sich Tuttle einer Solidaritätsaktion für israelische Hamas-Geiseln angeschlossen, zwei Filme über deren Schicksal hatte die Berlinale im Programm. Einer von ihnen, "Holding Liat" von Brandon Kramer, wurde als bester Dokumentarfilm gekürt.

Die Moderatorin der Berlinale-Abschlussgala, Désirée Nosbusch, erinnerte auch an das Opfer des mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriffs am Holocaust-Mahnmal am Freitagabend.

Eröffnungsteppich: Tricia Tuttle (l), Intendantin der Berlinale, und Tilda Swinton, Schauspielerin, stehen am Eröffnungsabend der Berlinale auf dem Roten Teppich. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
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In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Stars das Festival als Bühne für Statements und friedliche Protestaktionen genutzt. Nach der Rede eines Regisseurs, der von "Völkermord" an Palästinensern sprach, ermittelte der Staatsschutz. Die Berlinale-Leitung distanzierte sich von diesen Äußerungen. Die Festivalleitung unter Tricia Tuttle betonte mehrfach, dass das Festival keine politischen Statements setze, aber die Meinungsfreiheit erhalten müsse.

Favorit ging leer aus

Dass die siebenköpfige Internationale Jury unter der Leitung von US-Regisseur Todd Haynes den ukrainischen Dokumentarfilm "Timestamp" bei der Preisvergabe nicht berücksichtigte, hat überrascht. Kateryna Gornostai erzählt darin vom ukrainischen Schulalltag während des Krieges – der Film war einer der Favoriten für einen Goldenen Bären. Auch die beiden deutschen Wettbewerbsbeiträge "Was Marielle weiß" von Frédéric Hambalek und "Yunan" von Ameer Fakher Eldin gingen leer aus.

Symbolbild:Im Bild ist ein Schild mit der Aufschrift "Suche Karte" vor einer Berlinale-Veranstaltung zu sehen.(Quelle:imago images/C.Spicker)
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Insgesamt 19 Filme konkurrierten im diesjährigen Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären. Dass die siebenköpfige Internationale Jury unter der Leitung von US-Regisseur Todd Haynes den ukrainischen Dokumentarfilm "Timestamp" bei der Preisvergabe nicht berücksichtigte, hat überrascht. Kateryna Gornostai erzählt darin vom ukrainischen Schulalltag während des Krieges – der Film war einer der Favoriten für einen Goldenen Bären. Auch die beiden deutschen Wettbewerbsbeiträge "Was Marielle weiß" von Frédéric Hambalek und "Yunan" von Ameer Fakher Eldin gingen leer aus.

Den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk hatte Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton bereits während der Eröffnungsgala erhalten. Die Berlinale Kamera für besondere Verdienste um das Filmschaffen ging an Rainer Rother, Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek und seit 2006 Leiter der Berlinale Retrospektive.

Das Festival endet mit dem Publikumstag

Am Sonntag endet das Festival mit einem Publikumstag, an dem zahlreiche Festivalfilme, von denen viele Vorstellungen bereits ausverkauft waren, noch einmal gezeigt werden.
 
Vom 13. bis 23. Februar präsentiert die Berlinale rund 240 Filme in verschiedenen Programmsektionen. Zahlreiche internationale Stars, kamen nach Berlin, darunter Robert Pattinson, Jessica Chastain, Ethan Hawke, Jacob Elordi, Margaret Qualley und Emma Mackey. Es ist die erste Berlinale unter Leitung von Tricia Tuttle.

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.02.2025, 19:30 Uhr