
Berlin Bei den Dreharbeiten zu "Ku'damm 77": Der verdammte grüne Radweg
In der Tanzschule Galant auf dem Kurfürstendamm wird wieder getanzt. Zumindest in der fiktiven ZDF-Serie "Ku'damm 77", die mit Familie Schöllack in die vierte Staffel geht. Anna Wollner war bei den Dreharbeiten in Charlottenburg dabei.
Es ist ein absurdes Bild am Nachmittag in Berlin-Charlottenburg. Über das Straßenschild "Richard-Wagner-Straße" hat die Ausstattung "Kurfürstendamm" geklebt, der U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz wurde auch kurzerhand umbenannt. Einige U-Bahn-Gäste gucken verwundert, als sie das Schild "Kurfürstendamm" über dem Eingang zur Treppe sehen und schütteln den Kopf. Alte Leuchtreklamen zieren die Häuserfassaden, Schaukästen stehen auf dem Gehweg. "Tanzschule Galant" oder "Juwelier Weilert", eine kleine Säule mit Hinweisen auf Stadtrundfahrten
Am Straßenrand steht ein alter BVG-Bus, auf der Kreuzung ein altes Polizeiauto. Der Verkehr besteht aus historischen Filmautos, die mit lauten Motoren immer wieder im Kreis fahren: Opel, Porsche, Mercedes, ein alter VW-Käfer, selbst eine Ente ist dabei. Statisten in 70er-Jahre-Kleidung warten auf Anweisungen. Die Straße ist für den Verkehr weiträumig abgesperrt, ab und zu radelt ein Fahrradfahrer gegen die eigentliche Fahrtrichtung auf dem grünen Radweg an den Statisten dabei.

Frauen im "Deutschen Herbst" 1977
Regisseur Maurice Hübner, der im Pressegespräch die erkrankte Showrunnerin Annette Hess vertritt, erklärt die Szene. Mit einem Kamerakran und viel Aufwand wird hier eine Szene für die neue Staffel "Ku'damm 77" gedreht. Claudia Michaelsen als Matriarchin Caterina Schöllack eilt aus der Tanzschule Galant zu einem der Schaukästen und entfernt wütend einen Zettel mit der Aufschrift "Wegen Trauerfeier heute geschlossen".
In der Luft hängt Diesel-Geruch, das Röhren der Motoren hallt auch noch nach, als die nächste Einstellung schon vorbereitet wird. Claudia Michelsen wartet auf ihren nächsten Einsatz und findet kurz Zeit, um über die vierte Staffel zu sprechen. "Ich kenne kein zweites Format, das so viele Frauen im Hauptcast hat und generationenübergreifend erzählt", schwärmt sie über die Serie. Annette Hess erzählt jede einzelne Figur mit einer Liebenswürdigkeit und Hingabe. Der emotionale Kern der vierten Staffel "Ku'damm 77" sind dabei die Frauen, mittlerweile über drei Generationen und jede einzelne um Caterina, ihre Töchter Helga und Monika und die Enkelkinder Dorli und Friederike. Es geht um weibliche Identität, quasi ein Lackmus-Test, wie Frauen in der Gesellschaft behandelt werden - diesmal mitten im "Deutschen Herbst" 1977. Dabei – und das ist den Drehbüchern von Annette Hess so angelegt – touchiert die Serie die großen politischen Themen der Zeit nur und erzählt vor allem über den Alltag.

Dreharbeiten in der Richard-Wagner-Straße. Foto: Anna Wollner
"Wir haben einen Strumpfhosenverschleiß, der ist unnormal."
Der Zeitsprung von 14 Jahren zwischen Staffel drei und vier zeigt sich dabei nicht nur in der Ausstattung und den Autos, sondern vor allem in der Mode. Kostümbildnerin Judith Holste hat dafür aus einem großen Fundus in Berlin schöpfen können. Alle Kostüme sind Originale, nur leicht angepasst an die Körper der Frauen 2025 – die sich dann doch sehr von denen 1977 unterscheiden. Und die weniger Flower Power sind, als die 1970er vermuten lassen. "Flower Power war eher Anfang der 1970er", sagt Holste in der Mittagspause. "1977 geht schon Richtung 1980er, da gab es viele Beige-Töne. Ich sage gerne Leberwurstfarben dazu."
Die beiden Schöllack-Töchter-Schauspielerinnen Maria Ehrich und Sonja Gerhard genießen die modische Weiterentwicklung. Für sie ist das neue Jahrzehnt eine echte Befreiung. "In der ersten Staffel war es wirklich schlimm, weil wir alles im Original hatten. Es hat gezwickt und war anstrengend", erzählt Sonja Gerhard lachend. Ehrich fügt hinzu: "Da gab es noch diese Spitzen- BHs. Heute sind unser Endgegner die Strumpfhosen. Wir haben einen Strumpfhosenverschleiß, der ist unnormal."
Mit Visual Effects gegen das moderne Berlin
Der Strumpfhosenverschleiß ist allerdings noch das kleinste Problem. Viel schwieriger ist es, im Jahr 2025 das authentische Stadtbild von 1977 nachzubauen. Die Autos von damals gibt es noch – aber das Straßenbild hat sich verändert. Direkt vor der Tanzschule Galant führt ein grüner Fahrradweg entlang, der Produzent Marc Lepetit schlaflose Nächte bereitet. "Wir haben einen Visual-Effects-Supervisor, der mit dem Kameramann jede Einstellung überprüft", erzählt er resigniert lachend. "Dann entscheiden wir, ob wir das kaschieren können oder nicht, mit parkenden Autos oder eben einer nachträglichen Retusche in der Postproduktion."
Eine Arbeit, an die am Set jetzt noch nicht gedacht wird. Schnell müssen sich die Autos und der Bus wieder sortieren für die nächste Einstellung. Alles zurück auf Anfang – ins Jahr 1977.
Sendung: DER TAG, 28.03.2025, 18 Uhr