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Berlin "Durchs Herz ins Hirn und wieder zurück" - Tom Tykwer prägte die Filmwelt
"Lola rennt", Das Parfum" oder die Serie "Babylon Berlin" - Tom Tykwer prägt die Filmwelt. Der Wahl-Berliner arbeitet mit Weltstars wie Cate Blanchett und Tom Hank. Sein Film "Das Licht" eröffnet die Berlinale – ein bewegender Moment für den Ausnahmeregisseur. Von Silke Mehring
Er hält eine Super-8-Kamera in beiden Händen, sein Blick wirkt forschend, neugierig und leicht spöttisch zugleich. Tom Tykwer als Kind – ein Moment, fotografisch festgehalten in einem Schnappschuss aus den 1970er-Jahren. Im Mai 2025 wird der Filmemacher 60, aber sein Blick ist noch der gleiche wie damals.
Eine zündende Idee in eine packende Geschichte mit starken Bildern zu übersetzen, fasziniert Tom Tykwer schon früh. Die Lust am Kino liegt in der Familie: Auch Tykwers Vater Kurt liebt die große Leinwand schon als Kind – und gründet viele Jahrzehnte später ein eigenes Programmkino.
Vom Filmvorführer zum Produzenten
Was die Magie der Filme ausmacht, kann Tom Tykwer als Jugendlicher ausgiebig ergründen: Mit 14 wird er Filmvorführer in seiner Heimatstadt Wuppertal. Aber auch wenn Tykwer für die Filmwelt brennt – an großen Filmhochschulen werden seine Bewerbungen später abgelehnt. Seinen cineastischen Weg geht er trotzdem: In den 1980er-Jahren als Kinovorführer im Moviemento-Filmtheater in Berlin-Kreuzberg, 1988 steigt er dort zum Geschäftsführer auf. Bis auf einen kurzen Ausflug ins Philosophie-Studium ist das Thema Film in Tykwers Leben allgegenwärtig. Und immer mehr wird es ihm zum Lebensinhalt: 1994 ist er Mitbegründer der Produktionsfirma X Filme Creative Pool GmbH. Sie wird zu einer der erfolgreichsten deutschen Adressen, unter der bis heute alle Tykwer-Filme erscheinen.

Franka Potente, ehemalige Lebensgefährtin Tykwers, im Kult-Film "Lola Rennt"
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen
Produzent Bernd Eichinger bezeichnet Tykwer einmal als "extrem innovativen Regisseur", der aber auf einer "klassische Bildsprache" aufbaue. Tykwer beobachtet, analysiert, experimentiert und ist immer auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen, die mitreißen. Über den Einfluss des Berliner Regisseurs Rosa von Praunheim auf sein eigenes Werk sagt er: "Rosa hat mir beigebracht, dass ein Film durchs Herz des Filmemachers ins Hirn und wieder zurückgejagt werden muss, bevor er es verdient hat, gedreht, geschweige denn irgendjemand anders gezeigt zu werden".

Mit "Lola rennt" durch die Decke
Auch wenn "Lola rennt" nicht der erste Spielfilm von Tom Tykwer ist: Mit der atemlosen Action-Lovestory stellt er den deutschen Film 1998 auf den Kopf. Wenn Franka Potente als Lola mit grellroten Haaren durch Berlin sprintet, steht dem 90er-Jahre-Publikum der Mund offen: Zeichentrick-Elemente, Splitscreen, schwarz-weiß Fotos, verschiedene Szenarien derselben Ausgangsgeschichte, treibende Musik – eine Mischung, mit der Tykwer den Puls der Zeit trifft. "Lola rennt" wird zum Überraschungs-Hit, Tom Tykwer damit weltbekannt. Alles ist jetzt möglich, auch Hollywood.

Internationale Erfolge
Mit "Heaven" hat Tykwer 2002 seine erste internationale Produktion. Auch mit der Verfilmung des historischen Bestsellers "Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" beweist er 2006 sein Gespür für Kinoerfolge – selbst bei als unverfilmbar geltenden Stoffen. Für seine Spielfilme "Cloud Atlas" und "Ein Hologramm für den König" kann der Regisseur zweimal Tom Hanks als Hauptdarsteller gewinnen. Sein Verhältnis zu dem Hollywood-Star beschreibt er einmal wie folgt: "Ein Herz und eine Seele. Wir ergänzen uns in unseren Harmoniebedürfnissen fast kongenial, weil wir beide Typen sind, die komplizierte Situationen gut lösen wollen und nicht auf Krawall gebürstet sind."
Allrounder und Teamplayer
Sogar die Musik zu seinen Filmen komponiert Tom Tykwer teilweise selbst. Für ihn einer der schönsten Prozesse, erklärt er einmal. Wenn er musikalisch den Klangraum erschafft, kann er dabei den Film schon erträumen. Auch wenn sich Tom Tykwer seiner Rolle als Mastermind seiner Filme durchaus bewusst ist, er will und braucht den Dialog mit MitstreiterInnen: "Ich habe eine Menge Ideen, aber die gehen manchmal auch nach hinten los, deshalb brauche ich unbedingt Widerstand." Die Rolle des Ego-Shooters ist nicht seine: "Diese Zepter-Idee ist irgendwie alt. Das ist vorbei, und Gott sei Dank", sagt er in einem Interview.
Mit "Babylon Berlin" erobert Tykwer das Serien-Format
Die Storys, denen sich der Regisseur und Drehbuchautor widmet, sind komplex. Besonders die Mammut-Serie "Babylon Berlin". In sieben Jahren und vier Staffeln hat sich Tykwer mit dem berauschenden Geschichten-Geflecht aus dem Berlin der 1920er- und beginnenden 30er-Jahren das Serien-Format erobert, die finale fünfte Staffel ist in Arbeit. Und auch hier zeigt er als einer der kreativen Köpfe hinter "Babylon Berlin", dass er Teamplayer ist: Hand in Hand arbeitet er seit Jahren mit seinen Kollegen Henk Handloegten und Achim von Borries zusammen an der Mammutproduktion.
Sozial engagiert und Stammgast bei der Berlinale
Zusammen mit seiner Ehefrau Marie Steinmann hat der Wahlberliner und zweifache Familienvater 2008 den Verein "One Fine Day e.V." gegründet. Die Organisation fördert kulturelle Projekte mit Jugendlichen in Ostafrika, insbesondere in Kenia. Aus dem Projekt ging der Film "Soul Boy" hervor, der 2010 in den Kinos zu sehen war.
Zweimal haben Filme von Tom Tykwer schon die Berlinale eröffnet. Auch Jury-Präsident war er bereits. Die Berlinale bezeichnet der Regisseur als "Festival meines Lebens". Dieses Jahr startet sein Film "Das Licht" mit Lars Eidinger und Nicolette Krebitz das Festival am 13. Februar. Zum 75. Jubiläum der Internationalen Filmfestspiele kann Tykwer wieder seinen Teil dazu beitragen, dass die Magie der Filme am Potsdamer Platz Funken sprüht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.02.2025, 07:55 Uhr