
Berlin Festival "Women in Architecture": Architektur überdenken
Das Festival "Women in Architecture" will Frauen aus architekturbezogenen Berufen sichtbar machen - und den Diskurs um die aktuelle Planungspraxis unserer gebauten Umgebung voranbringen. Von Laurina Schräder
"Wenn es keinen Ort gibt, wo von Frauen produzierte Architektur wirklich sichtbar ist, dann müssen wir diesen Ort erschaffen", sagt die Architektin Anapama Kundoo. Seit vergangenem Jahr ist sie Professorin des Lehrstuhls Making Matters an der TU Berlin.
Gemeinsam mit ihrem Team, Li Linn und Marius Busch, hat sie für das WiA Festival (19. bis 29. Juni) eine Ausstellung kuratiert, die zehn weiblichen Architekturschaffenden eine Plattform bietet. In Videos, die sie in ihren Ateliers oder Büros zeigen, sprechen die Frauen über die für sie wichtigen Architektur-Themen. Das einfach so tun zu können, sei nicht immer selbstverständlich. "Wenn ich eingeladen werde, eine Vorlesung zu halten, werde ich die Hälfte der Male gefragt, wie das für mich als Frau war; dann kommt noch der Faktor meiner Hautfarbe. Ich glaube, die wahre Freiheit kommt erst, wenn ich selbstverständlich über Architektur reden kann – wie alle anderen auch", sagt Kundoo und fügt hinzu: "Wenn Jeanne Gang also über ihre Gestaltungsmethoden reden will, soll sie auch direkt damit anfangen können." Die US-amerikanische Architektin Jeanne Gang hat unter anderem den St. Regis Tower gebaut, das bis dato höchste Gebäude – von einer Frau gebaut.

Mehr Frauen im Studium - mehr Männer in Führungspositionen
Dass es nicht mehr Frauen wie Anapama Kundoo und Jeanne Gang gibt, ist allerdings ungewöhnlich. Erstmal studieren nämlich mehr Frauen als Männer Architektur; in führungsrelevanten Positionen sind aber derzeit laut aktuellen Umfragen der Bundesarchitektenkammer etwa 70 Prozent der Stellen mit Männern besetzt, erklärt Lisa Gerth vom WiA-Festivalbüro. "Da halten wir so ein Festival, wo wir uns vernetzen, für einen guten und wichtigen Schritt."
Das Festival fand bereits 2021 in Berlin statt. Damals initiiert vom Architektinnen Netzwerk nails mit der Intention ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schaffen, dass sich generell etwas an der derzeitigen Planungspraxis ändern muss. Die Festivalidee ist auf so viel Resonanz gestoßen, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal bundesweit, federführend von der Berliner und Bundesarchitektenkammer, organisiert wurde.
Kaum diverse Perspektiven bei der Planung
Eine Erklärung, warum man die "weiblichen Fachkräfte" im Beruf verliere, erklärt Mary Dellenbaugh-Losse, sei, dass vor allem oftmals Vollzeit-Stellen die einzige Option in den Büros sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig umsetzbar ist. So fehle es aber letztlich auch an diversen Perspektiven bei der Planung. Mary Dellenbaugh-Losse hat aus diesem Grund urban.policy gegründet, ein Beratungsunternehmen für inklusive & gendergerechte Stadtentwicklung und erklärt in ihren Vorträgen. Insbesondere in der Nachkriegszeit seien Städte und Häuser vor allem von einem Typ Mensch geplant worden, und der sei männlich, weiß, erwerbsfähig, körperlich fit, heterosexuell und gut gebildet.
Folglich wurden beispielsweise Frauen, die zur Arbeit müssen, auf dem Weg noch einkaufen und gegebenenfalls Kinder dabeihaben, nicht berücksichtigt, genauso wenig wie Barrierefreiheit oder auch genügend Bänke für ältere Menschen.
Mit Studierenden der FH Potsdam hat sie gezielt Berliner Orte auf diese Kriterien hin untersucht, die unter dem Titel "Ist deine Stadt für dich gebaut?" beim WiA ausgestellt werden [weitere Infos auf der Festival-Website: wia-festival.de].
Berufspolitische Rolle der Frau in der Architektur
Beim WiA geht es in allen Projekten darum, die berufspolitische Rolle der Frau in der Architektur zu beleuchten, wenngleich die Projekte selbst sehr vielfältig sind. So zeigt die Berlinische Galerie beispielsweise Portraits von DDR-Architektinnen, die maßgeblich am Aufbau Ost-Berlins beteiligt waren oder das extra für das Festival neu gegründete Kollektiv LOOM der Berliner Hochschule für Technik hat Vorträge wie die Ausstellung "Entwerfen für Frauen" organisiert, in der Entwurfsprojekte präsentiert werden, die sich mit Frauen und FLINTA* beschäftigen. "Das ist genau das, was wir auch sehen wollen", betont Lisa Gerth, "dass sich neue Leute verbinden, neue Formationen schließen und in dieser Rolle auch die Uni 'stürmen'. Dass es ein Eigenleben entwickelt und aus dem Festival heraus ausbricht."
Das ist auch die Idee von Anapama Kundoo und ihrem Projekt "Making Differently. Women Rethinking Architecture." Die zehn Videos der Ausstellung sollen im Anschluss an das Festival online verfügbar sein – und sind nur als Auftakt gedacht für eine neue Plattform, auf der Frauen in der Architektur sichtbar werden.
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