
Berlin Fünf Jahre Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Beschwerdewelle? Fehlanzeige
Bevor das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz vor fünf Jahren in Kraft trat, warnten viele vor einer Beschwerdewelle. Die kam nicht, Gerichte gaben aber zum Teil aufsehenerregenden Beschwerden statt. Von Ute Schuhmacher
1.785 Beschwerden identifizierte die Ombudsstelle seit ihrer Gründung vor fünf Jahren als Beschwerden im Sinne des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Eine davon kam von Syed N.
Er war im Sommer 2020 mit seinem Fahrrad an der Straße des 17. Juni im Tiergarten über eine Ampel gefahren, als ihn zwei Polizisten anhielten. Syed N. habe angeblich mit dem Handy telefoniert, was er bestritt. Als er sich weigerte, ein Bußgeld zu zahlen, fragte ein Polizist nach seiner Herkunft. Syed N. erklärte Student aus Marburg zu sein. Der Polizist setzte nach und fragte nach seiner wirklichen Herkunft. In Bochum sei er geboren, sagte der heute 38-jährige. Das habe den Polizisten amüsiert, berichtet Syed N. rbb|24. Dieser habe das lautstark nachgeäfft.

750 Euro Entschädigung fürs Oben-Ohne-Verbot
Syed N. fühlte sich diskriminierend behandelt und klagte. Das Amtsgericht Mitte gab ihm recht. Es befand, der Polizist habe Syed N. als Person mit Migrationshintergrund wahrgenommen und mit ihm aggressiv und herabwürdigend gesprochen. Das Gericht verurteilte das Land Berlin zu einer Entschädigung von 750 Euro.
Eine Entschädigung in derselben Höhe bekam eine Französin zugesprochen, die oben ohne in der Plansche im Plänterwald gebadet hatte, bis Sicherheitspersonal sie daran hinderte. Auch sie klagte auf Grundlage des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes und bekam ebenfalls Recht. Zwingend bedeckungsbedürftig seien lediglich primäre Geschlechtsorgane, nicht die sekundären, entschied das Gericht.
Die meisten Diskriminierungsbeschwerden richteten sich in den vergangenen fünf Jahren gegen Bezirksämter. Auf Platz zwei lagen Schulen und Kitas gefolgt von der Polizei. Lange nicht alle Beschwerden waren am Ende erfolgreich. So wurden von den 245 Beschwerden gegen die Berliner Polizei nur 18 als berechtigt eingestuft. Und so geht die Polizei inzwischen auch entspannter mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz um.
CDU-Politiker hält LADG für überflüssig - Grüne wollen es ausbauen
Marco Langner, Vizepräsident der Polizei Berlin, stellt fest: "Einzelfälle, in denen ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt, müssen und sollen sichtbar gemacht werden, um Diskriminierungen keinen Raum zu geben und Kolleginnen und Kollegen zu sensibilisieren, ein Bewusstsein für diskriminierendes Verhalten zu schaffen." In der Gesamtbewertung des Gesetzes sagt er: "Nach fünf Jahren LADG können wir festhalten, dass eine große Beschwerdewelle ausgeblieben ist." Die Zahlen seien gleichbleibend auf eher niedrigem Niveau.
Der CDU-Abgeordnete Niklas Graßelt hält das Berliner Landesantidiskriminierungs-Gesetz trotzdem für überflüssig, mindestens was die Polizei betrifft. Denn Berlin habe mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) eine Struktur, die Beschwerden ermögliche. "Wir haben auch mit dem Berliner Polizei- und Bürgerbeauftragten eine Beschwerdestelle, an die man sich wenden kann."
Aus Sicht der Grünen reicht das nicht. Sie wollen das LADG nicht einstampfen, sondern im Gegenteil weiterentwickeln. Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Walter nennt Beispiele: Große Familien hätten oft Schwierigkeiten eine Wohnung zu finden. Sie würden oftmals pauschal abgelehnt, weil viele Kinder oft eine Herausforderung seien. "Das ist dann natürlich auch eine Diskriminierung."
Ein anderes Beispiel sei Bodyshaming, wenn also Leute zurückgewiesen würden, weil sie beispielsweise übergewichtig sind. Hier wünschen sich die Grünen, dass das Landesantidiskriminierungsgesetz ergänzt wird.
Kiziltepe: Behörden brauchen bessere Fehlerkultur
Mit konkreten Vorschlägen dieser Art hält sich die zuständige Senatorin aktuell zurück. Antidiskriminierungssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) will das Gesetz zunächst evaluieren, bevor sie Weiterentwicklungsideen formuliert. Und sie sagt, dass das Gesetz bereits wirke. So wurden Formulare geändert oder es habe auch schon mal einen Blumenstrauß nach einer Beschwerde gegeben. "Weil es der Person nicht bewusst war, dass sie diskriminierend war", so Kiziltepe.
Eine Entwicklung will sie trotz noch laufender Evaluation voranbringen: Die Behörden bräuchten eine bessere Fehlerkultur, mahnt die Senatorin und ergänzt ungewöhnlich deutlich: Im Unterschied zur freien Wirtschaft gebe es in der Berliner Verwaltung einen stärkeren Widerwillen, Fehler einzugestehen und daraus positiv zu lernen. Das wolle sie ändern.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.06.2025, 19:30 Uhr