Archivbild: Zwei Dogsharing-Partner uebergeben in Berlin die Hundeleine eines Mischlings. (Quelle: dpa/Gabbert)

Berlin Halber Hund, dreifaches Glück

Stand: 22.06.2025 08:07 Uhr

Frida ist quasi ein halber Hund. Denn ihre Besitzer - eine Familie aus Prenzlauer Berg - teilen sich die 14-jährige Hundedame mit einer jungen Frau aus dem Wedding. Das Konzept heißt Dogsharing, die Besitzer nennen es "Win-Win-Win". Von Sabine Priess

Im Internet, das ergibt eine schnelle Recherche, suchen Hunde namens Fynn, Pauli und auch American Staffordshire Terrier Rocky "zuverlässige und liebevolle Betreuer" in Berlin. Vielmehr brauchen ihre Besitzer aus den unterschiedlichsten Gründen Unterstützung bei der Betreuung ihrer Tiere.
 
Marco aus Prenzlauer Berg ist ganz ohne Internet fündig geworden. Seine etwa kniehohe Hündin Frida wechselt seit zwei Jahren wöchentlich den Stadtbezirk und zieht zu Julia in den Wedding. Fridas Besitzer, eine Familie mit Kleinkind aus Prenzlauer Berg, waren mit der immer aufwändigeren Betreuung der inzwischen 14-jährigen Hündin und den Bedürfnissen ihres Kleinkindes mehr als ausgelastet und hatten sogar schon überlegt, ob sie die Hundedame abgeben müssen. Doch dann fand sich über Freundesfreunde die 36-jährige Hundefreundin Julia.

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Beim Dogsharing teilen sich mehrere Menschen einen Hund

Wie ein Kind im Wechselmodell bei getrennten Eltern wechselt die betagte Hundedame seither alle paar Tage den Haushalt. Dogsharing nennt sich das Konzept. Dabei kann es sich um Hundeeltern handeln, die sich getrennt haben und sich trotz zweier Wohnsitze weiter um den geliebten Vierbeiner kümmern. Oder zwei Parteien schaffen sich gleichberechtigt einen gemeinsamen Hund an.
 
Viel öfter ergibt es sich aber so oder so ähnlich wie bei Marcos Familie und Julia: Die Bedingungen der Hundebesitzer verändern sich durch einen neuen Job, Familiengründung oder eine Trennung - oder der Hund bleibt schlicht nicht alleine in der Wohnung. Dann wird auf sämtlichen denkbaren Wegen nach einem oder auch mehreren Co-Partnern gesucht, die nicht nur aushelfen wie ein Sitter, sondern die sich auch emotional involvieren. Um Geld geht es hier im Regelfall nicht.
 
Für die beteiligten Menschen ist die Teilung des Hundes also ein Gewinn. Doch wie sieht das eigentlich für die Tiere aus? "Für die Menschen ist es so, dass es ihnen viele Vorteile bringt, weil sie jemanden haben, an den sie den Hund mal abgeben können. […] Aus Hundesicht ist das eine ganz andere Sache. Für Hunde ist es wichtig, dass sie Bindung und Sicherheit haben. Das heißt, wenn es für den Hund sehr viele wechselnde Personen gibt, ist es für ihn schwierig", sagte Hundetrainerin Julia Recker dem rbb.

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Hundevermittlung durch Apps

Damit sich die Partner finden, gibt es längst eigens auf die Vermittlung spezialisierte Internetplattformen, auf denen sich Suchende und Anbietende anmelden können und die gemeinsame Hundebetreuung bei gegenseitigem Gefallen organisiert werden kann. Eben ein bisschen wie bei der Dating-App Tinder - nur dass die Sympathien des Hundes auch noch mitentscheiden, ob es zu einem sogenannten Match, also einer Übereinstimmung, kommt.
 
Julia, die mit Hunden aufgewachsen ist, und mit ihrer kleinen, weit oben liegenden Wohnung und ihrem eher unsteten Leben nicht rund um die Uhr einen eigenen Hund halten will, beschreibt die Kennenlernphase mit Frida und ihrer Herkunftsfamilie so: "Erstmal waren wir gemeinsam mit Frida spazieren, schnell hat sich dann herausgestellt, dass wir uns alle sympathisch sind". Seither bringt Marco Frida jeden Dienstag zu Julia, wo sie bis Donnerstag oder Freitag bleibt - mit all den Gebrechen, die ein alter Hund mitbringt. Mitunter geht Julia daher auch mit der Hündin zum Tierarzt. Die Kosten hierfür bekommt sie, genau wie die für das Futter, das Frida bei ihr braucht, von den Besitzern erstattet.

Dogsharerin Julia. (Quelle: privat)

Julia geht mit Hündin Frida im Wedding spazieren

Der Hund ist Teil einer "Win-Win-Win-Situation"

Julia betont, dass das Dogsharing für sie nicht funktionieren würde, wenn sie sich nicht auch mit den Hundebesitzern gut verstehen würde. Es sei über die Zeit eine freundschaftliche Beziehung entstanden und alle würden immer das Wohl Fridas bei den Absprachen in den Mittelpunkt stellen. Das unterstreicht auch Hundebesitzer Marco. "Es ist eine echte Win-Win-Win-Situation", sagt der 43-Jährige. Der Hund sei fröhlicher, seit er tageweise bei Julia sei, der Elternalltag entspannter und zudem habe sich eine neue Liebe zwischen Mensch und Hund entwickelt. Sein Fazit: Julia helfe der Familie, ihren Alltag besser zu bewältigen und der Hundedame im Alter angemessen gerecht werden zu können.
 
Und Julia, die sich kein eigenes Tier hatte zulegen wollen, schwärmt von ihrem halben Hund. Obwohl Frida eher gebrechlich sei, mitunter altersbedingt sämtliche Treppen getragen werden müsse und insgesamt nur langsam vorankomme, sagt die Teilzeithundehalterin: "Frida freut sich sichtlich, wenn sie zu mir kommt. Und sie freut sich auch, wenn sie wieder zurück ist bei ihren Besitzern". Die Hündin hätte von Anfang an auf sie gehört und sei wirklich gut erzogen, so die 36-Jährige.
 
Das sei wesentlich, betont auch die Kölner Hundetrainerin Julia Recker im rbb. Man müsse sich auf eine gemeinsame Sprache einigen, die mit dem Hund gesprochen wird, sagt sie. Beispielsweise, welche Kommandos benutzt werden. "Was darf der Hund, was darf er nicht. Man sollte klären, welche Regeln es gibt und an diese sollten sich alle Beteiligten konsequent halten, um dem Hund Sicherheit zu geben", so Recker.

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Absprachen sind wichtig beim Dogsharing

Wer also auf der Suche nach einem (halben) Hund in Berlin ist, hat durchaus Chancen, fündig zu werden. Schließlich ist Berlin eine der größten und hundereichsten Städte Deutschlands mit über 130.000 registrierten Hunden (Stand Ende 2023) und einer seit Corona stets wachsenden Zahl an Hundebesitzern. Bei der Vermittlung helfen Kleinanzeigen-Portale oder Apps: Neben Hundelieb gibt es beispielsweise Patzo und Dogshare.
 
Sie alle versprechen Win-Win-Win-Situationen. Aber das ist sicherlich analog zum Wechselmodell bei Kindern nur so, wenn die Hundeeltern sich gut absprechen und einen ähnlichen Erziehungsstil haben.

Sendung: Super.Markt, 02.06.2025, 20:15 Uhr