
Berlin Die 75. Berlinale startet - und das sind die Highlights
Ab Donnerstag bringt die Berlinale Kino und Glamour zurück an den Potsdamer Platz. Stars wie Jessica Chastain und Timothée Chalamet sorgen für Highlights. Erstmals leitet Tricia Tuttle das Festival - und hat einige spannende Filme im Programm. Von Knut Elstermann
Der verödete Potsdamer Platz freut sich auf die Berlinale wie die Wüste auf den Regen. Während des Festivals vom 13. bis 23. Februar wird wieder filmisches Leben erwachen. Das Theater am Marlene-Dietrich-Platz wird wieder zum Premieren-Kino, mit dem "Stage Bluemax Theater" der "Blue Man Group" kommt sogar eine neue Spielstätte hinzu und das Filmkunstkino Arsenal nimmt für die Filme des "Forums" hier zum letzten Mal den Spielbetrieb auf.
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Arthouse-Filme mit Weltstars
In hellen Scharen werden Berliner Filmfans zum Roten Teppich strömen, in der Hoffnung auf Selfies mit Stars oder Autogramme. Sie werden auf ihre Kosten kommen – auch, wenn die großen Hollywood-Produzenten wie gewohnt mit ihren Filmen lieber nach Cannes und Venedig gehen.
Aber auch in den Arthouse-Produktionen dieser 75. Berlinale sind große Künstlerinnen und Künstler zu sehen. Richard Linklater, seit seinem Silbernen Bären für "Boyhood" 2014 endlich wieder im Berliner Wettbewerb, wird für "Blue Moon" seine Hauptdarsteller Ethan Hawke und Margaret Qualley mitbringen. Und Jessica Chastain hat ihren Besuch zum mexikanischen Wettbewerbsbeitrag "Dreams" in der Regie von Michel Franco angesagt.

Hollywood auf dem roten Teppich
Freuen dürfen sich die Berlinale-Besucher schon am Eröffnungstag, dem 13. Februar, auf Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton. Die Stammgästin des Festivals erhält bei der Gala einen Ehrenbären – eine sicher gänzlich unumstrittene Entscheidung: Denn diese überragende Schauspielerin prägt das Kino der Gegenwart in fast allen Genres mit ihrer Ausdruckskraft und Vielseitigkeit.
Mit Timothée Chalamet kommt zudem ein Oscar-Anwärter, um hier sein Bob-Dylan-Porträt "Like A Complete Unknown" (Regie: James Mangold) vorzustellen. Auch Robert Pattinson ("Mickey 17") und Benedict Cumberbatch ("The Thing with Feathers") werden für Gala-Vorstellungen nach Berlin reisen. Freuen dürfen sich die Fans zudem auf einige der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen und Schauspieler. In Tom Tykwers Eröffnungsfilm "Das Licht" spielen Lars Eidinger und Nicolette Krebitz in einer Geschichte über eine syrische Haushälterin (Tala Al-Deen) in einer deutschen Mittelstandsfamilie.
Wettbewerb: Viel Arthouse, einige gute Bekannte
19 Filme konkurrieren um den Goldenen und die Silbernen Bären im Internationalen Wettbewerb, darunter zwei deutsche Produktionen, auch sie mit prominenter Besetzung. Fassbinder-Ikone Hanna Schygulla gehört neben Sibel Kekilli, Georges Khabbaz und Tom Wlaschiha zum Cast von "Yunan". Regie dieser internationalen Koproduktion über einen lebensmüden Autor führte Ameer Fakher Eldin.
In "Was Marielle weiß" von Frédéric Hambalek sehen wir Julia Jentsch und Felix Kramer als zerrüttetes Ehepaar, dessen Tochter telepathische Fähigkeiten entwickelt. Einige gute Bekannte sind ebenfalls dabei, etwa der experimentierfreudige Rumäne Radu Jude mit "Kontinental '25". Er erhielt für seinen provozierenden Film "Bad Luck Banging or Loony Porn" 2021 den Goldenen Bären. Schon zum achten Mal wurde der koreanische Meisterregisseur Hong Sang-soo in den Berliner Wettbewerb eingeladen. Im vergangenen Jahr gewann er den Großen Preis der Jury für "A Traveler's Needs" mit Isabelle Huppert. Diesmal zeigt er "What Does that Nature Say to You".

So stellt sich beim Lesen des diesjährigen Wettbewerbsprogramms ein Gefühl der Vertrautheit ein – angesichts der bekannten Mischung aus renommierten Regisseuren, Neuentdeckungen und einem offenbar gediegenen Arthouse-Angebot. Die Erwartungen an die neue Berlinale-Chefin Tricia Tuttle sind hoch – doch auch sie kann das Festival in der Konkurrenz zu Cannes und Venedig nicht neu erfinden und scheint auf bewährte Konzepte zu setzen.
Kalter Krieg und aktuelle Krisen
Ein Höhepunkt des diesjährigen Festivals kann die Retrospektive werden. Sie präsentiert sehenswerte Beispiel des stets unterschätzten deutschen Genre-Kinos, darunter Publikumserfolge aus Ost und West wie "Rocker" von Klaus Lemke (1972) und "Nelken in Aspik" von DEFA-Regisseur Günter Reisch (1973).
Gerade bei diesen sicher anregenden, filmgeschichtlichen Wiederbegegnungen wird deutlich, dass die Berlinale in der Zeit des Kalten Krieges bei allen politischen Schwierigkeiten immer ein Festival des Brückenschlags zwischen Ost und West war. Daran versucht sie auch unter den Bedingungen des aktuellen Krieges in der Ukraine anzuknüpfen: Mehrere ukrainische Produktionen berichten vom harten Alltag und dem Widerstand gegen die russische Aggression. Der Dokumentarfilm "Timestamp" von Kateryna Gornostai über das gegenwärtige Leben von Pädagogen und Schülern, die um Normalität ringen, läuft sogar im Wettbewerb.
Ist die neue Sektion "Perspectives" eine gute Idee?
Eine Neuerung hat Tricia Tuttle in ihrem ersten Jahrgang durchgesetzt: den Wettbewerb "Perspectives", in dem vierzehn Spielfilmdebüts konkurrieren. Doch einen Nachwuchspreis gab es bei der Berlinale immer. Er wurde quer durch alle Sektionen verliehen, wie es auch die anderen großen Festivals halten. Ob es eine gute Idee war, einen eigenen Wettbewerb zu schaffen, wird sich zeigen. Möglicherweise entzieht man dem Nachwuchs die internationale Aufmerksamkeit, wenn er auf diese eigene Schiene geschoben wird.

Keine Politikerreden zur Eröffnung
Tricia Tuttle startet mit einem finanziellen Überraschungspaket in ihr erstes Festival. Fast zwei Millionen Euro fließen ihr zusätzlich von der Kulturstaatsministerin zu, eine Starthilfe, die in Zeiten allgemeiner Kürzungen in den Kulturhaushalten die Stimmung der Festivalmacher aufhellen dürfte. Trotz dieser staatlichen Unterstützung setzte Tuttle von Beginn an ein deutliches Zeichen für die unabhängige Filmkunst, verständlicherweise auch gewarnt durch die Auseinandersetzungen um den Gaza-Krieg und den Film "No Other Land" bei der Preisverleihung im vergangenen Jahr. Es wird zum Beispiel diesmal keine Politikerreden zur Eröffnung geben. Tuttle erklärte, sie strebe ein Festival des offenen Meinungsaustausches in dieser zerrissenen Welt an, den sie keineswegs unterdrücken werde. Im Mittelpunkt aber sollten immer die Filme stehen, die sicher auch in diesem Jahr genug Stoff für Debatten liefern werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.02.2025, 19:30 Uhr