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Berlin Lange Liste mit Ausnahmen könnte der Berliner Polizei die Arbeit schwer machen
Wegen steigender Gewaltdelikte mit Messern und Schusswaffen gelten in Berlin ab Samstag drei Orte als dauerhafte Waffen- und Messerverbotszonen. Eine Reihe von Ausnahmen könnte der Polizei die Durchsetzung allerdings etwas erschweren. Von Helena Daehler
Ab dem 15. Februar gelten in Berlin erstmals drei dauerhafte Waffen- und Messerverbotszonen: Görlitzer Park und Kottbusser Tor in Kreuzberg und der Leopoldplatz im Wedding. Alle drei Gebiete sind als Kriminalitätsschwerpunkte bekannt. Ziel der neuen Regelung ist es, Gewaltkriminalität einzudämmen.
Mit Inkrafttreten der Verordnung am Samstag darf die Polizei in den Verbotszonen verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Wer verbotene Waffen oder Messer mit sich führt, muss mit einer Strafe rechnen. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit geahndet und können mit bis zu 10.000 Euro Bußgeld belegt werden. Zudem dürfen Waffen und Messer eingezogen werden. Das Verbot umfasst nicht nur klassische Waffen, sondern jede Art von Messer, also auch Taschen- und Küchenmesser.
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Liste von Ausnahmen
Die Rechtsverordnung, die die Regeln in der Waffen- und Messerverbotszone festlegt, sieht allerdings eine lange Liste von Ausnahmen vor. So ist das Mitführen von Messern beispielsweise erlaubt, wenn diese nicht "zugriffsbereit" sind.
"Zugriffsbereit bedeutet, dass das Messer mit weniger als drei Handgriffen zum Einsatz bereit ist", erklärt der Waffensachverständige Dirk Schöppl. Das heißt: Ein Schweizer Taschenmesser in der Hosentasche ist verboten, im Rucksack ist es erlaubt. Und wer ein Küchenmesser gekauft hat und es verpackt durch eine Messerverbotszone transportiert, kann auch nicht belangt werden.
Eine andere Ausnahme: Messer dürfen weiterhin mitgeführt werden, wenn sie einem "allgemein anerkannten Zweck" dienen. Waffenexperte Schöppl erklärt es so: "Wenn jemand ein großes Messer dabei hat plus eine Wassermelone, wird die Polizei wahrscheinlich nicht eingreifen. Das Mitführen eines langen Messers ohne Wassermelone hingegen könnte die Polizei auf den Plan rufen.“
Definitionslücke in der Verordnung
Klar definiert sei der "allgemein anerkennte Zweck" allerdings nicht, sagt Schöppl: "Da ist einfach die Lücke." Bisher fehlten natürlich auch Präzedenzfälle vor Gericht.
Während der bevorstehenden Grill- und Picknicksaison im Görlitzer Park könnte es also vielleicht hier und da Diskussionen mit der Polizei geben, denn beim Grillen geht es ohne Messer oftmals nicht.
Ebenfalls vom Verbot ausgenommen sind laut der Rechtsverordnung Rettungskräfte, Beschäftigte von Pflegediensten, Gewerbetreibende, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mitführen, "der Anlieferverkehr", Personen, die Messer für die "Brauchtumspflege", den Sport oder die Jagd benutzen.
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Polizeigewerkschaft sieht komplizierte Prüfprozesse
Die Polizeigewerkschaft sieht gewisse Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Verbots. "Die Ausnahmen erschweren der Polizei die Durchsetzung enorm. Jeder kann eine plausible Ausrede haben, warum er ein Messer dabei hat", sagt Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er bezeichnet die Regelung als "Wackelpudding-Verordnung".
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert den Mehraufwand für die Beamten. "Diese komplizierten Prüfprozesse führen dazu, dass stark belastete Kolleginnen und Kollegen noch mehr Zeit für Einzelfall-Entscheidungen aufwenden müssen", sagt Landeschef Stephan Weh von der GdP.
In einer Messerverbotszone ist niemand sicherer als vorher
GdP fordert generelles Trageverbot von Messern
Die Berliner Politik sieht die Maßnahme immerhin als ersten Schritt gegen Gewaltkriminalität, denn die Zahl der Messerangriffe in der Hauptstadt ist zuletzt gewachsen. Laut Polizeistatistik gab es im Jahr 2023 3.482 registrierte Angriffe – ein Anstieg von fünf Prozent im Vergleich zu 2022.
Stephan Weh hält die Verbotszonen nicht für ausreichend, um die Gewaltkriminalität einzudämmen: "An den eigentlichen Symptomen, warum Menschen Messer mitführen und diese auch einsetzen, wird nicht gearbeitet. Wir sehen falsche Vorbilder in Social Media und erleben bei Kontrollen meist junge Männer, die ein Messer gezielt zur Verteidigung mitführen."
Zudem müsse sich die Politik fragen, ob die neuen Verbotszonen überhaupt effektiv durchsetzbar sind oder ob sie nur ein trügerisches Sicherheitsgefühl vermitteln, sagt Weh. "In einer Messerverbotszone ist niemand sicherer als vorher." Die GdP fordert daher ein generelles Trageverbot für Messer in der Öffentlichkeit, um die wachsende Zahl an Messerangriffen langfristig einzudämmen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.02.2025, 8:24 Uhr