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Berlin Neukölln-Komplex: Oberstaatsanwalt dementiert Sympathien für Rechtsextremisten
Im Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln hat Oberstaatsanwalt Matthias Fenner Vorwürfe der Befangenheit zurückgewiesen. Abgeordnete ärgerten sich jedoch über viele "Erinnerungslücken".
Im Untersuchungsausschuss Neukölln des Berliner Abgeordnetenhauses hat ein Oberstaatsanwalt den Verdacht zurückgewiesen, er habe die Aufklärung der rechtsextremen Anschlagsserie verschleppt.
"Wir haben alles angeklagt, was ging", versicherte Matthias Fenner den Abgeordneten. Fenner war ab 2016 Abteilungsleiter Staatsschutz bei der Berliner Staatsanwaltschaft, in seinem Team landeten unter anderem Fälle von Brandanschlägen in Neukölln. Den Vorwurf, der Bereich Rechtsextremismus sei zu wenig beachtet worden, nannte Fenner falsch. Bei der Bearbeitung hätten "politische Einstellungen" keine Rolle gespielt, er und sein Team hätten "immer sachorientiert gearbeitet".
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Zuständigkeit für Neukölln-Komplex entzogen
Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hatte Fenners Abteilung im Sommer 2020 die Zuständigkeit für den Neukölln-Komplex entzogen, weil es den Verdacht gab, Fenner sei befangen. Der Hintergrund: Ein Neonazi, dessen Kommunikation überwacht wurde, schrieb nach seiner Vernehmung durch Fenner in einem Chat, von diesem Oberstaatsanwalt sei nichts zu befürchten, der stehe der AfD nah. Fenner sagte dazu im Ausschuss, er könne sich diese Behauptung des Neonazis, der Mitte Dezember wegen Anschlägen in Neukölln verurteilt wurde, nicht erklären. Er habe in der Vernehmung "nichts gesagt oder getan, was ihn dazu verleiten könnte". Der Vorwurf, er sympathisiere mit Rechtsextremen, entspreche nicht der Wahrheit, so Fenner.
Dem Neukölln-Komplex werden seit 2013 mindestens 72 rechtsextrem-motivierte Straftaten zugeordnet, davon 23 Brandstiftungen. Opfer waren vor allem Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder einen Migrationshintergrund haben. In der Befragung durch die Abgeordneten wies Oberstaatsanwalt Fenner auch den Vorwurf zurück, er habe das Landeskriminalamt bei der Ermittlungsarbeit behindert.
SPD kritisiert "Erinnerungslücken"
LKA-Zeugen hatten im Ausschuss erklärt, nach ihrem Eindruck sei Fenner an der Verfolgung bestimmter Straftaten nicht interessiert gewesen und habe Anfragen, verdächtige Neonazis zu observieren oder abzuhören, gar nicht oder sehr spät gebilligt. Fenner tat diese Aussagen als "zusammengedichtet" ab, ihn habe nie Kritik an seiner Arbeit erreicht.
Vor allem Abgeordnete von Grünen und Linken waren hörbar unzufrieden mit Fenners Ausführungen, aber auch die SPD kritisierte hinterher "Erinnerungslücken". Es sei eine "seltsame Verteidigungsstrategie", Differenzen mit dem LKA komplett zu negieren, sagte Niklas Schrader (Linke). Denn diese Differenzen seien doch offiziell erwähnt in der Begründung der Behördenleitung, warum Matthias Fenner in eine andere Abteilung umgesetzt wurde.
Verärgerung über zweiten Zeugen
Für Unmut unter den Abgeordneten sorgte auch der zweite Zeuge des Tages, Oberstaatsanwalt Ralph Knispel. Er war Fenners direkter Vorgänger in der Abteilung Staatsschutz, konnte sich aber angeblich nicht einmal mehr daran erinnern, in welchem Zeitraum (es war von 2011 bis 2016). Gleich zu Beginn betonte der Oberstaatsanwalt, er sei überrascht über die Ladung vor den Ausschuss, in der Befragung konnte er sich dann an keinen einzigen konkreten Fall mit Bezug zum Neukölln-Komplex erinnern. "Ein erschreckender Auftritt", bilanzierte der grüne Abgeordnete André Schulze.
Auch Abgeordnete der CDU verbargen ihren Ärger nicht, als Knispel sie in der Befragung auflaufen ließ. Denn er weigerte sich, als Leiter der Vereinigung Berliner Staatsanwälte den Umgang mit Fenner und dessen Umsetzung in eine andere Abteilung zu beurteilen.
Vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierte eine kleine Menschenmenge für bessere Aufklärung im Neukölln-Komplex. Eine Rednerin kritisierte, die aktuelle Sitzung habe wieder gezeigt, dass es kein Interesse an Aufklärung gebe und niemand Verantwortung übernehmen wolle.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.02.2025, 17:30 Uhr