Symbolbild: Eine Frau trägt eine Niqab auf der Straße. (Quelle: dpa/Utrecht)

Berlin Niqab-Trägerin: "Ich möchte Auto fahren wie jeder andere auch"

Stand: 27.01.2025 20:34 Uhr

Der Gesichtsschleier Niqab darf am Steuer eines Autos nicht getragen werden, entschied am Montag das Verwaltungsgericht Berlin. Mit dem Urteil wurde die Klage einer Muslimin abgewiesen. Von Ulf Morling

Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) darf man am Steuer eines Autos sein Gesicht nicht verhüllen. Eine laut Gesetz grundsätzlich mögliche Ausnahmegenehmigung ist einer 33-jährigen Muslimin zu Recht versagt worden von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, hieß es im Urteil.
 
Die Klägerin könne sich nicht auf ihre grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit berufen. Das Gericht begründete das damit, dass das Verhüllungsverbot hinterm Steuer gewährleiste, dass eine effektive Verfolgung von Verkehrverstößen erfolgen könne wie das Blitzen bei zu schnellen Fahrens und damit auch das Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer geschützt werde. Deshalb könne die Muslimin trotz ihrer ebenfalls grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit keine Ausnahmegenehmigung beanspruchen.

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Klägerin hatte Führerschein ohne Niqab gemacht - Ausnahme beantragt

2011 hatte die heute 33-jährige Nancy A. ihren Führerschein noch ohne den Niqab gemacht. Einige Zeit, nachdem sie zum Islam konvertiert war, habe sie sich entschieden, in der Öffentlichkeit zukünftig den Gesichtsschleier anzulegen, der nur eine Aussparung für die Augen hat, erzählt sie rbb|24.
 
Der Niqab sei Pflicht für sie. Aber: "Ich habe kleine Kinder und möchte gern mit ihnen schnell von A nach B kommen, es ist komfortabel. Ich möchte mich wie jeder Autofahrer, frei in der Gesellschaft bewegen. Ein Auto ist praktischer als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und meine Familie wohnt außerhalb."

Nancy A. beantragte im August 2023 bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt eine Ausnahme vom Verhüllungsverbot der der StVO. "Ich wollte das wagen, weil ich dachte, dass das möglich sein sollte", sagt sie. "Und dann kam relativ schnell die Rückmeldung mit einer Ablehnung."

Klägerin mit Niqab-Gesichtsschleier bei Gericht (Bild: rbb)

Niqab-Trägerin Nancy A. klagte um mit Schleier Auto fahren zu dürfen (Bild: rbb)

Verwaltung: Niqab schränke Sicherheit beim Autofahren ein

Ende Januar letzten Jahres lehnte die Senatsverwaltung eine Ausnahmegenehmigung ab. Nancy A. dürfe nicht mit Niqab am Steuer ihres Autos sitzen und habe außerdem nicht ausreichend begründet, warum sie individuell auf ein Auto unbedingt angewiesen sei.
 
Mit einem Niqab sei sie als Fahrerin des Pkw nicht eindeutig identifizierbar, außerdem sei möglich, dass der Niqab verrutsche, die Sicht dann eingeschränkt und die nonverbale Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern durch die Gesichtsverschleierung nicht möglich sei. Damit seien Leben und Gesundheit der anderen möglichweise in Gefahr. Bei Verkehrsverstößen könne man außerdem wegen der Verschleierung nicht sicher feststellen, dass sie die Fahrerin des Autos gewesen sei.

"Das war keine ordentliche Erklärung und war sehr einseitig meiner Überzeugung nach", sagt Nancy A. zu rbb|24.

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Anwalt der Klägerin schlägt QR-Code auf Niqab zur Identifizierung vor

Im August 2024 begründet der Rechtsanwalt der Muslimin dem Verwaltungsgericht Berlin, warum man gegen die Verweigerung des Niqab-Tragens beim Autofahren jetzt gerichtlich vorgehe.
 
Rechtsanwalt Benjamin Kirschbaum schreibt in der Klage gegen die Senatsverwaltung, dass die Rundumsicht der niqabtragenden Klägerin beim Autofahren genauso gegeben sei wie bei einer unverschleierten Person, ihre Sicht sei so sogar noch besser wie beim Tragen eines Integralhelms, der für Motorradfahrer ja erlaubt sei.
 
Das Bayrische Staatsministerium habe im Zuge der Coronapandemie und dem Autofahren mit Masken sogar wörtlich mitgeteilt: "Das Tragen einer Maske (beim Autofahren) verdeckt zwar Nasen- und Mundpartie, lässt aber die Augen noch erkennen. Dies ist in der Regel ausreichend, um die Fahrer-Identität feststellen zu können."

Der Anwalt Nancy A.s bietet dem Gericht unter anderem an, seine Mandantin zum Tragen eines Niqabs am Steuer zu verpflichten, auf dem ein fälschungssicherer QR-Code aufgedruckt ist. Das lehnte die 11. Kammer mit dem Hinweis ab, dass das kein sicherer Nachweis dafür wäre, dass die Klägerin darin stecke, denn ein Niqab könne gewechselt werden.

Gesichtsschleier-Klägerin will bis zum Bundesverfassungsgericht gehen

"Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr", so das Verwaltungsgericht im Urteil am Montag. Wenn man nicht sicher sein könne, unerkannt Verkehrsverstöße begehen zu können, würden wegen der Gefahr, gefasst zu werden weniger geschehen.
 
So würden präventiv Leben und Gesundheit andere Verkehrsteilnehmer geschützt – ein in diesem Fall höher zu gewichtendes Grundrecht mit Verfassungsrang als die Einschränkung in der Religionsfreiheit der Klägerin, so das Gericht

Nancy A. will mit ihrer Klage, wenn es sein muss, bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Sie will Berufung einlegen gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg. Die OVGs in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben bereits in bisherigen Beschlüssen den Klagen anderer Frauen auf das Niqab-Tragen am Steuer nicht stattgegeben.

"Wir leben in einer offenen Gesellschaft und ich habe mich für diesen Weg entschieden," sagt Nancy A. "Ich will ein gottgefälliges Leben führen und dazu gehört, dass ich den Niqab tragen möchte. Ich fühle mich damit wohler. Die Menschen gehen respektvoller mit mir um und das genieße ich."
 
 

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.1.2025, 19:01 Uhr