
Berlin Premiere von "Hospital der Geister" am Deutschen Theater: Gespensterparade
Der Regisseur Jan-Christoph Gockel bringt seine Grazer Theater-Adaption von Lars von Triers kultiger Krankenhaus-Spukserie "Hospital der Geister" nach Berlin – inklusive Zombies, Geisterpuppen und viel Comedy-Blödsinn in Überlänge. Von Barbara Behrendt
Dass dieser Abend viele andere Welten ausloten möchte, zeigt sich schon in Szene eins. Da betritt Tanja Hameter am Arm ihrer Dolmetscherin die Bühne. Hameter ist taub und blind und kommuniziert mit Hilfe des Lorm-Alphabets, in das sie das Publikum kurz einführt. Auf den Fingerspitzen sitzen die Vokale A-E-I-O-U. Ein Trommeln auf die Handinnenfläche bedeutet R, wie Regen. Ein Kreis auf der Innenhand steht für S wie Sonne. Das Klatschen des Publikums kann sie nicht hören, wohl aber die Vibration spüren, wenn es mit den Füßen trampelt. Was mag das für eine stille, dunkle Welt sein, in der Tanja Hameter lebt?

Pressefotos: Hospital der Geister
Ulrich Matthes und Wolfram Koch als Chefärzte
In Jan-Christoph Gockels Theater-Adaption von Lars von Triers kultiger Krankenhaus-Spukserie "Hospital der Geister" aus den 1990ern spielt Tanja Hameter ein Medium, eine Patientin, die einen Zugang zur Zwischenwelt der Geister besitzt. Den Abend hat Gockel 2023 in Graz inszeniert, nun ist er mit der ehemaligen Grazer Intendantin Iris Laufenberg ans Deutsche Theater in Berlin gewandert. Etwa die Hälfte des Ensembles wurde dafür neu besetzt, mit Schauspiel-Größen wie Ulrich Matthes als gutmütigem Klinikleiter, Wolfram Koch als fiesem Chefarzt und Anja Schneider als dessen esoterisch beflissene Geliebte und Kollegin. Und mit den Stars aus dem inklusiven Berliner Ramba-Zamba-Theater als Geister, Götter und Gurus.
Jan-Christoph Gockel macht kein Geheimnis darum, ein großer Fan von Lars von Triers Serie zu sein. Auch das zeigt sich gleich zu Beginn der langen fünf Stunden Spielzeit. Da treten alle Schauspieler:innen zur wiedererkennbaren Titelmusik an die Rampe und posieren wie im Vorspann, während die Namen ihrer Charaktere hinter ihnen eingeblendet werden. Nach jeder Folge tritt zudem ein anderer Schauspieler vor und spricht in etwa Folgendes: "Mein Name ist Lars von Trier und jetzt geht es weiter mit der nächsten Folge. Seien Sie bereit für das Gute und das Böse."
Eine Hommage an Lars von Trier
Ja, Gockel folgt der Serienhandlung genau. An fast jedem Seitenstrang wird sich hier abgearbeitet. Da ist zuvorderst der arrogante Chefarzt Helmer, der wegen eines plagiierten Forschungsartikels in seiner geliebten Heimat Schweden keine Stelle mehr bekommt und deshalb ans Reichskrankenhaus ins verhasste Dänemark wechselt – wo er gleich mit einer verpfuschten Gehirn-OP an einem kleinen Mädchen auffällig wird. Wolfram Koch macht ihn zum komödiantischen Star des Abends: miesepetrig und frauenfeindlich wie ein schwedischer Michel Houellebecq slapstickt er sich über die Bühne. Sein Gegenpart: Ulrich Matthes als menschenfreundlicher Klinikleiter, der mit Kindergartenspielchen, die er als "Aktion Morgenluft" tituliert, die "Kommunikation im Team" verbessern und den angekündigten staatlichen Budget-Kürzungen entgegenwirken möchte.
Daneben findet sich allerlei skurriles Klinik-Personal. Ein Pathologe, der sich zu überhöhten Forschungszwecken eine Tumor-Leber transplantieren lässt. Eine sexfixierte Schlaflabor-Leiterin. Ein mittelbegabter Arzt, der sich im Keller des Klinikums eine Wohnung und eine schwarze Schaltstelle für Medikamente und Material eingerichtet hat. Die Ärzteschaft ist zudem in einer grotesken Freimaurer-Loge organisiert, die ihre Vetternwirtschaft zur "Logen-Ehre" schönfärbt.

Pressefotos: Hospital der Geister
Monster-Baby: eine viereinhalb Meter große Puppe
Und dann ist da natürlich das Kernstück: die Geisterwelt. Nur die hypochondrische Frau Drusse (rabiat und komisch: Beatrice Frey), die wöchentlich in der Notaufnahme steht, kann das kleine Mädchen weinen hören, das, wie sich über allerlei spiritistische Sitzungen herausstellt, 1919 im Krankenhaus von seinem Vater für die Forschung missbraucht und ermordet worden ist. Dieser Vater hat nun als wiedergekehrter Dämon eine Ärztin geschwängert. Das gigantische Monster-Baby trägt das Gute der Mutter und das Böse des Vaters in sich und ringt um sein Leben.
Der Puppenbauer und -spieler Michael Pietsch stellt diese Geisterfiguren als trauriges kleines Mädchen mit langem Haar und als beeindruckendes, viereinhalb Meter großes Riesenbaby mit Greisengesicht auf die Bühne. Ihre düstere, melancholische Existenz bringt die Welt der Wissenschaft mit all ihren Gewissheiten ins Wanken.

Comedy und Slapstick statt Geister-Grusel
Unheimlich wird es jedoch an diesem Abend (im Gegensatz zur Film-Serie) nie – dafür hat der Regisseur den Stoff viel zu sehr auf Comedy und Slapstick getrimmt. Und fährt pompös auf: mit einer schrägen Abba-Musical-Szene in Glitzeroutfits, mit einer Todesdroschke und schwarzgefiedertem Engel auf dem Kutschbock, mit dunkler Überwältigungsmusik, Live-Videos und klapprig-schrägen Krankenhaus-Fahrstühlen auf der Drehbühne.
In den ersten zwei bis drei Stunden hat das einen starken, unterhaltsamen Drive, vereint die Hierarchiefragen im Krankenhaus und die realistischen Budget-Debatten mit den unterschwelligen Ängsten vor dem Nichtkontrollierbaren, dem Sterben und dem Tod. Doch spätestens nach der zweiten Pause driftet die schmissige Unterhaltung immer mehr ins Geblödel und Geplänkel ab, die Witze zum Stuhlgang des Klinikleiters nehmen Überhand und man fragt sich, welche Zombie-Figur, welcher Dämon und welcher böse Geist nun noch alles exorziert werden müssen, bevor der letzte Vorhang fallen darf.
Das Ensemble, vorneweg das von Ramba Zamba, macht das ungeheuer spritzig und witzig. Und im Fall von der tauben und blinden Tanja Hameter auch mit Hintersinn. Erstaunlich bleibt dennoch, wie wenig eigenes Jan-Christoph Gockel der alten Serie hinzuzufügen hat. Künstlerisch ist das alles versiert auf die Bühne gebracht, doch eine inhaltlich-gedankliche Weiterführung des Stoffs ist nicht zu erkennen. Was soll uns dieser Fan-Ausflug in den Lars-von-Trier-Kosmos der 90er-Jahre nun eigentlich heute sagen? Und warum dann nicht gleich das Kult-Original bei Netflix anschauen?

Pressefotos: Hospital der Geister
Sendung: rbbKultur, 29.03.2025, 18:30 Uhr