
Berlin Kommentar zu Sprach-Auflagen bei Pro-Palästina-Demo: Kurz vor "hier wird gefälligst Deutsch gesprochen"
In Berlin verbietet die Polizei auf einer propalästinensischen Demo Parolen und Plakate, die nicht auf Deutsch oder Englisch sind. Das ist nicht nur ein starker Eingriff in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, sondern befeuert einen gefährlichen Diskurs, findet Efthymis Angeloudis.
Es klingt wie eine Nachricht aus einer fernen Dystopie. "Für eine pro-palästinensische Demonstration am Samstag in Berlin-Schöneberg gelten strenge Auflagen. Laut Polizei sind Slogans und Plakate nur auf Deutsch und Englisch erlaubt", so berichtete auch rbb|24 in der vergangenen Woche.
Als Grund für die Einschränkungen nannte die Polizei eine Vielzahl an Straftaten bei solchen Versammlungen in der Vergangenheit. Unter anderem komme es dort regelmäßig zu antisemitischen Äußerungen und Volksverhetzung.
Das ist zu verurteilen. Nun aber kündigte die Polizei nicht etwa an, streng zu prüfen, ob es bei Parolen und auf Plakaten zu derlei Äußerungen kommt. Sondern sie untersagt direkt pauschal die Verwendung aller Sprachen außer Deutsch und Englisch – meint damit aber hier konkret Arabisch.
Diese Auflage soll zudem nicht nur an diesem Wochenende gelten, etwa weil der arabisch-Übersetzer der Berliner Polizei zufällig ausfiel, wie man vermuten könnte. Nein. Schon vor Demobeginn kündigte die Polizei an, dass die neuen Auflagen "bis auf Weiteres" gelten sollen, also nicht nur am Samstag. Und das ist nicht nur ein Novum, sondern auch gefährlich.

Vor 25 Jahren sorgte ähnliche Forderung für Empörung
Noch im Jahr 2000, hatte eine beängstigend ähnliche Forderung des SPD-Politikers Hans-Ulrich Klose [welt.de], fremdsprachige Transparente bei Kundgebungen verbieten zu lassen, für deutschlandweite Empörung gesorgt – Klose selbst musste einräumen, dass ein solcher Vorschlag mit Blick auf die im Grundgesetz garantierte Meinungs- und Versammlungsfreiheit problematisch sei.
25 Jahre später wird ebendiese Forderung nun auf Berliner Kundgebungen umgesetzt - und es herrscht ohrenbetäubende Stille.
Dabei ist das längst nicht die einzige Sprach-"Einschränkung" die auferlegt wurde. Bereits im April 2024 war die Polizei in Kritik geraten, als für ein propalästinensisches Protestcamp vor dem Reichstagsgebäude Redebeiträge auf Arabisch und Hebräisch untersagt wurden. Auch auf einer ukrainischen Demonstration vor der russischen Botschaft im Juli letzten Jahres wurden Redebeiträge in ukrainischer Sprache verboten.
Dazu kommt, dass propalästinensische Demonstrationen besonders häufig mit weiteren unverständlichen bis hin zu exzessiven Einschränkungen belegt werden. So wurde in mehreren Fällen das Zeigen der Palästina-Fahne oder das Tragen des "Palästinensertuchs" Kufiya untersagt – beides ist in Deutschland aber nicht verboten. Propalästinensische Demonstrationen wurden zudem bereits 2022 mitunter vollkommen untersagt.
Versammlungsfreiheit garantiert auch freie Wahl der Sprache
Nun sind strenge Auflagen nicht das Gleiche wie gänzliche Demonstrationsverbote. Aber die Versammlungsfreiheit garantiert meiner Meinung nach auch die Art und Weise der Meinungskundgebung - und damit auch die freie Wahl der Sprache.
Die Polizei soll und muss gegen Volksverhetzung und menschenfeindliche Parolen vorgehen. Ein Ausschluss von Sprachen, die jemand bei der Ausübung seines Versammlungsrechts benutzen darf, ist jedoch ein direkter Eingriff in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Und das ist in einer Demokratie gefährlich.

In einer Weltmetropole wie Berlin, in der zudem 150.000 Menschen mit arabischem Migrationshintergrund leben, sollte es möglich sein, ausreichend Polizisten mit Arabischkenntnissen oder notfalls Übersetzer einzusetzen.
Denn die Sprachauflagen der Berliner Polizei kommen zu einem Zeitpunkt, in dem kulturelle und daher auch sprachliche Enge in Deutschland um sich greift. Migration wird vor der Bundestagswahl als das wichtigste Problem des Landes bezeichnet, Migranten und Geflüchtete nachfolgend in Diskussionen und Parteiprogrammen häufig in den Bereich der Sozialschmarotzer oder der potentiellen Straftäter verortet. Eine Polizei, die nun vor diesem Hintergrund den Anschein erweckt, dass auch die Sprache von Migranten lieber vorsorglich verboten werden sollte, befeuert ebendiese gefährliche Richtung des Diskurses nur weiter.
Die Symbolwirkung solch strenger Auflagen darf zudem nicht unterschätzt werden. Denn das Verbot von Parolen in ausländischer Sprache auf Demonstrationen ist nur einen Schritt entfernt von "hier wird gefälligst Deutsch gesprochen".
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