
Berlin Volksbühne kämpft wegen Einsparungen um ihre Werkstatt
Der Spardruck auf der Berliner Kultur ist enorm. Die Volksbühne fürchtet deswegen um ihre Werkstätten und geht jetzt mit einem Gegenplan in die Offensive. Von Lukas Haas
Über Fräsen, Hobelmaschinen und Werkbänken segelt ein lebensgroßer Flugsaurier, an der Wand hängen Porträts von Walter Ulbricht und Erich Honecker, auf einem Poster ist ein großer Mittelfinger in die Höhe gereckt. Wer die große Halle in Berlin-Pankow betritt, sieht direkt, dass es sich nicht um eine normale Werkstatt handelt. Hier entstehen seit Jahrzehnten Bühnenbilder, die Theatergängern in Erinnerung bleiben: die Bühnenbilder der Berliner Volksbühne.

Das aufwändige Bühnenbild von "Ophelia's Got Talent" beinhaltete u.a. ein großen Wasserbecken.
Das imposante Aquarium aus Florentina Holzingers "Ophelia's Got Talent" wurde hier gebaut; der Helikopter, der im selben Stück durch die Luft fliegt, ebenso. Auch ein originalgetreuer Nachbau der Raumstation ISS ist hier schon entstanden. Doch bald könnte damit Schluss sein. Die Volksbühne fürchtet um ihre Werkstatt.
Grund dafür ist der Sparkurs des Berliner Senats: Etwa 130 Millionen Euro will man im Kulturbetrieb einsparen und es wäre in Berlin nicht das erste Mal, dass Theaterwerkstätten dem finanziellen Druck zum Opfer fallen. Die Volksbühne hat deswegen Alarm geschlagen und will verhindern, dass die eigene Werkstatt mit dem Bühnenservice zusammengelegt wird. Sie hat jetzt einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, um die Werkstatt aus der Schusslinie zu bringen.

"Von der ersten Schraube bis zum letzten Farbtupfer"
Stefan Möllers arbeitet seit den 90er Jahren in der Werkstatt der Volksbühne, inzwischen leitet er sie. Das gesamte Bühnenbild der Volksbühne werde hier von den 77 Mitarbeitenden gebaut, sagt er. "Von der ersten Schraube bis zum letzten Farbtupfer passiert hier alles." Zur Werkstatt gehören eine eigene Tischlerei, eine Schlosserei, eine Deko-Abteilung, ein Malsaal und eine Abteilung für die Konstruktion.
Besonders sei vor allem die Nähe zur Kunst. Denn Künstler und Handwerker stünden in engem Kontakt, manchmal sogar gemeinsam an der Werkbank. Eine Zusammenlegung mit anderen Theaterwerkstätten wäre aus seiner Sicht fatal. "Im Grunde käme dem Ganzen die Seele abhanden. Es wäre ein rein technischer Vorgang", sagt er. Man könne nur noch von der Stange produzieren. Keine Maßanfertigungen, kein direktes Eingehen auf die Wünsche der Kunstschaffenden.

v.l.n.r.: Kostümdirektorin Ulrike Köhler, die künstlerische Betriebsdirektorin Celina Nicolay und der Werkstattleiter Stefan Möllers stehen in der Werkstatt der Volksbühne.
"Kreativität würde verloren gehen"
Auch Celina Nicolay, künstlerische Betriebsdirektorin der Volksbühne, sieht das so. "Die Kreativität im gemeinsamen Entwicklungsprozess zwischen den Künstlerinnen, der Werkstatt und dem Haus selbst würde tatsächlich verloren gehen", sagt sie.
Und die Sorge der Volksbühne ist konkret. Seit Beginn der Sparmaßnahmen Ende letzten Jahres sei die Werkstatt in Gesprächen mit dem Senat Thema gewesen, sagt Celina Nicolay von der Volksbühne. Immer wieder hätte man Zahlen für die Werkstatt nachweisen und belegen müssen. Deswegen sei man jetzt aktiv geworden, habe öffentlich Alarm geschlagen.

Vor knapp 15 Jahren gab es eine Blaupause: Die Werkstätten der Berliner Opern, des Deutschen Theaters und des Theaters an der Parkaue wurden unter Spardruck im sogenannten Bühnenservice zusammengelegt.
Die Senatsverwaltung für Kultur möchte sich aktuell nicht dazu äußern, solange die Gespräche mit den Bühnen im sogenannten Kulturdialog nicht beendet sind.
Ob wirklich gespart werden würde, ist umstritten
Laut Volksbühne wäre eine Zusammenlegung der Werkstatt mit dem Bühnenservice am Schluss sogar teurer: Die Arbeitsstunde beim Bühnenservice koste 60 Euro, bei der Volksbühne seien es knapp 47 Euro. Man habe exakt so gerechnet, wie der Bühnenservice seine Kosten berechnet, sagt Celina Nicolay. "Bei uns ist eine Werkstattstunde einfach deutlich günstiger, weil sich die Overhead-Kosten auf den gesamten Theaterbetrieb verteilen." Overhead-Kosten sind allgemeine betriebliche Kosten, die unabhängig vom Produkt, also dem Bühnenbild, anfallen - zum Beispiel Verwaltungskosten.

Ein riesiger Flugsaurier überblickt die Arbeiten in den Werkstätten der Volksbühne in Berlin-Pankow.
Einen anderen Blick auf die Effizienz der Zusammenlegung von Werkstätten hat Ronny Unganz, Geschäftsführer der Staatsoper Unter den Linden. Er hat miterlebt, wie die eigene Werkstatt 2010 in den Bühnenservice integriert wurde. "Wir produzieren gemeinsam und es funktioniert", sagt er. "Unterm Strich ist es eine Erfolgsgeschichte." Natürlich habe man Autonomie und Flexibilität verloren, aber mit der richtigen Planung habe man es geschafft, Kosten einzusparen und effizienter zu werden. Beispielsweise könne man jetzt gemeinsam in Maschinen investieren. Dadurch sinken für alle beteiligten Bühnen die Kosten.

"Vermutlich würde es sogar teurer werden"
Unterstützung bekommt die Volksbühne hingegen vom ehemaligen Finanzsenator und Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen im Abgeordnetenhaus, Daniel Wesener. Er hält weniger von einer Eingliederung der Volksbühnen-Werkstatt in den Bühnenservice. "Alle Zahlen deuten darauf hin, dass man damit keine kurz-, mittel- oder langfristigen Kosten sparen kann", sagt er. "Im Gegenteil: Vermutlich würde es sogar teurer werden."
Trotzdem sollte man laut Wesener Synergieeffekte nutzen, um Geld zu sparen. Bei Depots, Lagerstätten oder Probebühnen gebe es eine ganze Reihe von Objekten, die teilweise privat angemietet werden. "Hier zu überlegen, ob man das zusammenführen kann, ob es geeignete öffentlich Liegenschaften gibt, wo man auch mittel- und langfristig Kosten spart, halte ich für richtig", sagt Wesener.
Mit dem Gegenvorschlag in die Offensive
Genau in diese Kerbe schlägt nun auch der aktuelle Gegenvorschlag der Volksbühne: Sie will bei den Probebühnen - gemeinsam mit dem Maxim Gorki-Theater - Synergien schaffen. Bislang befinden sich die Probebühnen der beiden Theater auf einem Gelände an der Rummelsburg, das privat angemietet wird. Die Volksbühne zahlt für ihre Probebühne etwa 450.000 Euro Miete im Jahr.

Um dieses Geld zu sparen, möchten die Theater gemeinsam investieren und auf dem landeseigenen Gelände der Werkstatt in Pankow ein neues Gebäude errichten. "Der Architektenentwurf zeigt: Es geht", sagt sie. "Gemeinsam könnten Gorki-Theater und Volksbühne das Probezentrum - mit einer Abschreibung von über 50 Jahren - aus gemeinsamen Kräften finanzieren."
Ob der Senat im Sparprozess tatsächlich einer Investition in ein neues Gebäude zustimmt, ist allerdings fraglich. Der Vorschlag liegt nun jedenfalls auf dem Tisch und kann beim Kulturdialog diskutiert werden. An der Volksbühne hofft man, so verhindern zu können, dass bald Schluss ist mit dem Theater um die Werkstatt in Pankow.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.06.2025, 19:30 Uhr