Mitglieder des Bundesrates heben am 14.02.2025 ihre Hand für eine Abstimmung. (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)

Brandenburg Abstimmungen im Bundesrat: Brandenburg übt sich in Enthaltsamkeit

Stand: 14.02.2025 17:53 Uhr

Brandenburg enthält sich im Bundesrat zu einer Resolution für die Unterstützung der Ukraine. Nicht das erste Mal, dass das Bundesland nicht mit einer Stimme spricht. In der Zukunft wird sich das aber wohl kaum vermeiden lassen. Von Stephanie Teistler

13 von 16 Bundesländern haben sich am Freitag im Bundesrat dafür ausgesprochen, die Ukraine weiterhin - auch militärisch - zu unterstützen. Unter den drei Bundesländern, die dieser Resolution nicht zustimmten, war auch das von SPD und BSW regierte Brandenburg. Treibende Kraft dahinter der Enthaltung ist das BSW. "In der heutigen Resolution taucht das Wort 'Frieden' nicht einmal auf und Verhandlungen, um den Krieg zu beenden, werden nicht erwähnt", begründet BSW-Fraktionsvorsitzender Niels-Olaf Lüders die Haltung der Partei.
 
In einer für Europa wichtigen außenpolitischen Frage fällt Brandenburg also aus. Statt mit einer Stimme spricht das Bundesland durch seine Enthaltung mit keiner. Beziehungsweise sogar mit zwei Stimmen: Denn während das BSW die Enthaltung öffentlich verteidigt, heißt es von der SPD, dass eine Zustimmung von ihrer Seite durchaus möglich gewesen wäre.

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Kritik an Brandenburgs Enthaltungen

Es ist in der kurzen Regierungszeit der SPD-BSW-Koalition nicht das erste Mal, dass sich Brandenburg in einem überregional wichtigen Thema enthält. Schon im Dezember konnten beide Parteien keine gemeinsame Position in der Länderkammer finden. Dabei ging es etwa um den Schutz des Bundesverfassungsgerichts, die Erhöhung des Pflegebeitrags oder die Stationierung einer Bundeswehrbrigade in Litauen. In Reihen der SPD wurde der Auftritt des Landes damals als wenig glücklich und als schlecht fürs Image eingeschätzt.
 
Offene Kritik daran kommt aus der Opposition. Jan Redmann, Parteivorsitzender der CDU Brandenburg, bezeichnet die Regierung im Bundesrat bisher als "Totalausfall". "So werden wir unseren Einfluss auf der Bundesebene nicht erhöhen. Brandenburg steht im Bundesrat Schachmatt da", so Redmann. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wirft er vor, sich in der Koalition nicht durchsetzen zu können.
 
David Kolesnyk, Staatssekretär für die SPD und Bevollmächtigter des Landes beim Bund, verteidigt hingegen die Enthaltungen im Bundesrat. Bei der Ukraine-Resolution habe es sich um eine Abstimmung ohne konkrete Auswirkungen gehandelt, so Kolesnyk. Im Gegensatz dazu habe das Bundesland bei vielen Themen mit direkten Auswirkungen für Brandenburg mit einer Stimme gesprochen, etwa bei der Steuerung des Windenergie-Ausbaus. Die Entscheidung zur Ukraine-Resolution war am Freitag ein Punkt von insgesamt 65 auf der Tagesordnung des Bundesrats.

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"Bundesratsklauseln" sollen Enthaltungen klären

Grundsätzlich ist eine Enthaltung im Bundesrat nichts Ungewöhnliches. Um nicht in Streit zu geraten und damit die Regierungsmehrheit zu Hause zu gefährden, sind sogenannte "Bundesratsklauseln" in Koalitionsverträgen in den Bundesländern üblich. So steht etwa auch im Koalitionsvertrag der CDU-SPD-FDP-Regierung von Sachsen-Anhalt, dass man sich im Bundesrat enthalte, sollten sich die drei nicht einigen können.
 
Auch im Koalitionsvertrag der alten Brandenburger Kenia-Koalition hatte man sich eine solche Klausel aufgeschrieben. Damals noch mit der Formulierung, dass Enthaltungen eine Ausnahme darstellen sollten, um sich im Bundesrat nicht zu "neutralisieren". Im Vertrag zwischen SPD und BSW steht nun, dass man sich im Einzelfall enthalte – die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags seien dabei zu berücksichtigen.

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Kompliziertere Mehrheitsverhältnisse

Die Entscheidungsfindung im Bundesrat wird zunehmend komplizierter. Ein Grund dafür sind die komplexer werdenden Koalitionen. So ist die Zahl der Zweier- und Dreierbündnisse gestiegen. Während im Jahr 2000 noch sechs von 16 Bundesländern von nur einer Partei regiert wurden, ist das 2025 nur noch in einem einzigen Bundesland der Fall. Auch die Zahl der Parteien im Bundesrat ist in dieser Zeit gewachsen: von sechs auf heute acht.
 
Entscheidungen im Bundesrat können somit zu einem komplizierten Abwägungsprozess zwischen bundes-, landes- und parteipolitischen Interessen werden. Koalitionen können sich politisch blockieren. Manche Beobachter sehen darin sogar ein wachsendes Demokratiedefizit. [verfassungsbog.de]
 
Je öfter eine Partei an einer Landesregierung beteiligt ist, desto größer wird ihre Blockademacht. Die liegt bei 35 von den 69 Bundesratsstimmen. Die Koalitionen in den Bundesländern versuchen das zwar dadurch zu umgehen, dass sie in ihren Bundesratsklauseln die Interessen des Landes voranstellen. Einen Weg, eine Partei von einer Abstimmung nach bundespolitischer Taktik oder Überzeugung abzuhalten, gibt es aber nicht. Eine Eskalation kann - wie 2024 während der letzten Ausläufer der Kenia-Koalition in Brandenburg – zu einem Bruch führen.
 
Von einer politischen Blockademacht ist das BSW im Bundesrat weit entfernt. Über ihre Regierungsbeteiligung in zwei Bundesländern hat sie lediglich Einfluss auf acht Stimmen. Die Abstimmung über die Ukraine-Resolution am Freitag hat außerdem gezeigt: Nicht nur Länder mit BSW-Beteiligung haben sich enthalten. Neben Brandenburg und Thüringen stimmte auch Sachsen nicht für die Resolution. Um eine politische Auseinandersetzung mit strittigen Themen kommen die Bundesländer also auch weiterhin nicht herum.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.02.2025, 17:50 Uhr