
Brandenburg "Dublin-Zentrum" in Brandenburg: Abschiebeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt wenig ausgelastet
Zwei Monate nach Eröffnung des sogenannten Dublin-Zentrums hat der Leiter der Einrichtung eine Bilanz gezogen. Die bundesweit einmalige Einrichtung ist derzeit nicht einmal zu einem Viertel ausgelastet. Von Michael Lietz
Olaf Jansen ist auf Einladung der Stadtverordnetenversammlung aus der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs (ZABH) ins Rathaus von Eisenhüttenstadt gekommen. Er möge Bericht ablegen, welche Auswirkungen das neue Dublin-Zentrum auf die Stadt habe. Die Abgeordneten fühlten sich mit der Entscheidung von Bund und Land, die Abschiebeeinrichtung in der Stahlstadt einzurichten, überrumpelt. Sie seien vorab nicht informiert worden und wollten deshalb Aufklärung von Jansen.
Unaufgeregt und mit ruhigen Worten, erklärte Jansen den Abgeordneten, dass durch das Dublin-Zentrum die Zahl der in Eisenhüttenstadt vorübergehend lebenden Geflüchteten nicht gestiegen sei und auch nicht steigen werde. "Bezogen auf die Belegung in der Zentralen Ausländerbehörde ist das ein Nullsummenspiel", so Jansen.
Nur 33 Menschen im Dublin-Zentrum registriert
Grund dafür ist der sogenannte Königsteiner Schlüssel. Er regelt die Aufteilung, abhängig von Steueraufkommen und Bevölkerungszahl, wie sich die einzelnen Länder an der gemeinsamen Finanzierung bei der Aufnahme Geflüchteter beteiligen. Der Brandenburger Anteil liegt bei etwa drei Prozent.
Ausgelegt ist das bundesweit bislang einmalige Dublin-Zentrum für 150 Menschen. Dabei handelt es sich um keine geschlossene, haftartige Einrichtung – die Geflüchteten können sich frei bewegen. Zwei Gebäude stehen für die Unterbringung zur Verfügung – ein Haus für Frauen und Familien, ein weiteres für allein reisende Männer.
Die vor zwei Monaten eröffnete Einrichtung dient der zentralen Unterbringung von Flüchtlingen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert oder über ein sicheres EU-Land nach Deutschland eingereist sind. In Eisenhüttenstadt soll die Rückführung der Geflüchteten vorbereitet werden. Im Moment sind in der Abschiebeeinrichtung nach Angaben von Olaf Jansen 33 Menschen registriert, von denen 15 untergetaucht sind.

Bett, Brot und Seife?
Auf Nachfrage eines Abgeordneten sagte Jansen, dass darunter niemand sei, der einer Straftat wie etwa eines Gewaltdeliktes verdächtigt wird. Alle dem Dublin-Zentrum zugerechneten Menschen "haben Zugang zu allen sozialen Leistungen. Wir behandeln alle gleich", so Jansen. Auch würden die Ausreisepflichtigen weiterhin ein Taschengeld bekommen. Jansen habe kein Interesse daran, dass Menschen auf der Suche nach Geld durch die Stadt zögern. Leistungskürzungen gebe es laut Jansen seit sieben oder acht Jahren, verschärfte Leistungskürzungen würden die Sozialgerichte nicht mitmachen.
Die Praxis in Eisenhüttenstadt steht der Ankündigung der Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) entgegen. Sie hatte im Februar, zur Unterzeichnung der Vereinbarung mit der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Eröffnung der Einrichtung, verkündet, dass die Asylsuchenden dort keine Asylbewerberleistungen, also auch kein Taschengeld, bekämen. Es gelte der Grundsatz "Bett, Brot und Seife."
Polen verweigert erstmals Rücknahme
Seit dem Start des Rückführungszentrums sind nach Angaben des Brandenburger Innenministeriums von Anfang Mai zwei Asylsuchende nach Polen abgeschoben worden. Mehrere Zeitungen, darunter die Berliner Zeitung, hatten das berichtet. Auf die Ankündigung Polens angesprochen, keine Flüchtlinge zurückzunehmen, sagte Olaf Jansen: "Wir sind wohl nicht das einzige Land mit Symbolpolitik. Das gibt es wohl auch in Polen."
Derweil hat Polen offenbar erstmals die Rücknahme von Asylbewerbern verweigert. Das schreibt der "Spiegel". Demnach hat die Bundespolizei am Montag in Guben (Spree-Neiße) zwei junge Afghanen aufgegriffen, die über die polnische Grenze illegal nach Deutschland eingereist waren. Weil Polen die Rückführung der beiden Männer verweigerte, wurden sie in die Erstaufnahme nach Eisenhüttenstadt gebracht.
"In der Erstaufnahme passiert weniger als im Fußballstadion"
Jansen widersprach auf der Eisenhüttenstädter Stadtverordnetenversammlung auch einem Gerücht. Ein AfD-Abgeordneter gab an, dass es jüngst zu einer Messerstecherei und einem Polizeieinsatz in der ZABH gekommen sei. Laut Jansen habe sich lediglich jemand an einer kaputten Tasse geschnitten. Zwar gebe es auch Zwischenfälle, aber das sei normal in einer Einrichtung, in der viele Menschen zusammenleben, sagte der ZABH-Leiter weiter. Aber, so Jansen: "In der Erstaufnahme passiert weniger als im Fußballstadion."
In der ZABH in Eisenhüttenstadt sind nach Auskunft des Leiters derzeit etwa 850 der 2.500 Plätze belegt. Derzeit würden täglich etwa 15 bis 20 Personen registriert, in Spitzenzeiten seien das bis zu 150 gewesen. Jansen führt den Rückgang auf die verstärkten Grenzkontrollen zurück. In ganz Brandenburg gibt es rund 6.000 Plätze, nur ein Drittel davon ist derzeit belegt.
Eine neue Studie im Auftrag des grünen Europapolitikers Erik Marquardt bezweifelt allerdings die Wirksamkeit der Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Das Fazit der Forschenden: Diese lasse sich nicht nachweisen. Die Politik suggeriere, dass weniger Asylsuchende und mehr Zurückweisungen ein Zeichen für den Erfolg seien. Die Datenlage gebe das aber nicht her. Die Autorin und Autoren der Studie kritisieren, dass der Nutzen der Kontrollen in keinem Verhältnis zu den Kosten stehe.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.05.2025, 16:40 Uhr