Symbolbild: Eine Person untersucht unter dem Mikroskop verschiedene Mückenarten.(Quelle:picture alliance/dpa/J.Büttner)

Brandenburg Interview: "Sie unterscheidet sich deutlich von unseren heimischen Mückenarten"

Stand: 07.06.2025 09:46 Uhr

Im Oderbruch gibt es einen exotischen Neuzugang: Die Mücke "Anopheles hyrcanus" stammt aus Südeuropa und könnte theoretisch Malaria übertragen. Angst müsse man trotzdem nicht haben, erklärt die Biologin Doreen Werner im Interview.

rbb: Frau Werner, Sie betreiben Mücken-Monitoring und suchen regelmäßig nach neuen Arten. Was ist das für ein Gefühl, wenn Ihnen eine neue Art wie jetzt die Anopheles hyrcanus ins Netz geht? Freude oder Alarm?
 
Doreen Werner: Zuerst ist da immer das Glücksgefühl. Man sieht die Mücke zum ersten Mal unterm Mikroskop und weiß sofort: Das ist etwas Besonderes. Die hast du hier noch nie gesehen, da müssen wir näher hinschauen. Für einen Forscher ist das ein unglaubliches Glücksgefühl.

Sie haben 62 Exemplare von Anopheles hyrcanus im Oderbruch gefangen. Wie sieht diese Mücke aus?

Unglaublich hübsch! Man verbindet Stechmücken ja eher mit negativen Assoziationen: hässlich, grau, lästig. Aber diese Art ist wirklich hübsch gesprenkelt – schwarz-weiß gefleckte Flügel, länglich geformt. Sie unterscheidet sich deutlich von unseren heimischen Arten. Aber es gibt noch andere schöne Mückenarten, das darf man nicht vergessen.

Woher stammt dieser hübsche Neuankömmling – und was macht die Mücke in Brandenburg?
 
Ursprünglich ist sie in Spanien, Portugal bis nach Ostasien verbreitet. Aber durch den Klimawandel, also wahrscheinlich durch steigende Temperaturen, breitet sie sich immer weiter nach Norden aus. Es war damit zu rechnen, dass das passiert, weil die bisherigen Nachweise aus Ungarn, Österreich, der Tschechei und Polen stammten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir sie auch bei uns fanden.

Kann Anopheles hyrcanus stechen? Und: Besteht die Gefahr, dass sie – wie andere Anopheles-Arten – Krankheiten wie Malaria überträgt?
 
Jede weibliche Stechmücke kann stechen, nimmt eine Blutmahlzeit – sie braucht das Blut, um ihre Eier entwickeln zu können. Und ja: Auch Anopheles hyrcanus ist grundsätzlich in der Lage, Malaria-Erreger zu übertragen. Aber: Wir haben in Deutschland bereits acht andere Anopheles-Arten, einige davon flächendeckend weit verbreitet – und die sind wesentlich effektivere Überträger.

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Müssen wir uns also Sorgen machen wegen dieser neuen Mücke?
 
Nein, wir müssen keine Angst haben – weder vor dieser noch vor anderen Stechmücken. Ja, sie sind lästig, manche mehr, manche weniger. Die gemeine Hausmücke zum Beispiel, die nachts ins Schlafzimmer kommt, und uns um den Schlaf bringt, ist wohl am nervigsten. Aber wichtig ist: Wer nach einem Stich ungewöhnliche Krankheitssymptome entwickelt, sollte zum Arzt gehen – und dabei bedenken, dass es sich auch um eine Sekundärinfektion an der Einstichstelle handeln kann. Kratzen verursacht oft Eiterungen, Schwellungen, manchmal sogar Blutergüsse. Das sind Reaktionen, die meist auf unsere Unwissenheit zurückgehen.

Was tun Sie eigentlich gegen Mückenstiche – haben Sie so einen kleinen elektronischen Hitzestift?
 
Nein. Erstens werde ich nicht so penetrant angeflogen. Und zweitens weiß ich, wie ich mich schützen kann, wenn ich in gefährdete Gebiete gehe: lange, geschlossene Kleidung – also lange Hosen, lange Ärmel. Und ich weiß natürlich auch, dass ich nicht kratzen darf.

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Was sollen wir tun, wenn wir eine Mücke entdecken, die wir nicht kennen? Sie haben mal gesagt, man könne Ihnen die Mücken per Post schicken. Gilt das noch?
 
Das gilt nach wie vor! Das Projekt Mückenatlas läuft unbegrenzt weiter. Wir bitten alle Menschen in Deutschland, uns Mücken aus ihrem Umfeld zu schicken – jede Art, auch bekannte. Jede Mücke zählt auf der Verbreitungskarte. Denn wir wissen oft noch gar nicht genau, wann und wo welche Mücken unter welchen Bedingungen vorkommen. Und: Jeder Einsender bekommt eine Rückmeldung. So kann man auch selbst herausfinden, was bei einem zu Hause kreucht und fleucht – vielleicht ist ja eine Überraschung dabei.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Doreen Werner sprachen Julia Menger und Kerstin Hermes.
 
Das Original-Interview wurde für den Text redaktionell bearbeitet. Sie können das Audio oben im Artikel nachhören.

Sendung: Radioeins, 03.06.2025, 05:00 Uhr