
Brandenburg Kleinmachnow: Der Löwenjäger geht in den Ruhestand
Im Sommer 2023 war Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert zwei Tage lang im Fokus der Weltöffentlichkeit: Es wurde eine Löwin gesucht - letztlich war es ein Wildschwein. Nun geht Grubert in den Ruhestand. Von Jacqueline Piwon und Philipp Rother
Gut gelaunt, fast schon gelöst, erlebt man Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) dieser Tage. Er wirkt entspannt und blickt zufrieden auf das Ende seiner Zeit als Bürgermeister der Gemeinde in Potsdam-Mittelmark mit gut 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nach gesundheitlichen Problemen gehe es ihm wieder wieder besser, berichtet der 65-Jährige im Gespräch mit dem rbb.
Am 26. Januar wird in Kleinmachnow ein neues Oberhaupt gewählt - eine mögliche Stichwahl würde am 16. Februar stattfinden. Für SPD-Politiker Grubert endet damit nach 16 Jahren seine Amtszeit. In Erinnerung wird vor allem die "Jagd" nach der Löwin bleiben, die im Sommer 2023 für weltweites Aufsehen sorgte: "Das war eine Episode, die ganz überraschend am Morgen über uns hereinbrach. Wir haben versucht, das gut zu managen", berichtet Grubert mit einem Schmunzeln: "Wenn man nun im Nachhinein draufgeguckt - das war die beste Vermarktungsstrategie für Kleinmachnow, die man kostenlos bekommen konnte."

30-stündige Suchaktion in Kleinmachnow
Seit Jahren leben in den Wäldern, die an Kleinmachnow grenzen, Wildschweine. Sie werden immer dreister und - wenn man den Kleinmachnowern glaubt - auch immer mehr. Und plötzlich wurde nach einer Löwin gesucht. Auslöser war ein kurzes, körniges Video, das ein 19 Jahre alter Kleinmachnower in der Nacht aufnahm. Hunderte Polizisten waren im Einsatz und durchkämmten den Wald.
"Ich bin an dem Donnerstagmorgen um kurz nach 6 Uhr angerufen und darüber informiert worden", erinnert sich Grubert. Zuvor hatte er bereits bemerkt, dass nachts Hubschrauber über Kleinmachnow hinweg geflogen waren. Das hatte ihn aber noch nicht beunruhigt. "Ich bin dann ins Büro gefahren und dort überschlugen sich die Ereignisse - ich habe im ersten Moment die Dimension so noch nicht wahrgenommen", berichtet der Bürgermeister weiter. Er habe dann aber relativ schnell bemerkt, dass überall die Nachrichten von dem Thema dominiert werden: "Da rollte die Welle dann aber schon los, ich habe einfach nur funktioniert."

Presseandrang wurde unterschätzt
"Was wir unterschätzt haben, das muss ich im Nachhinein sagen, war der Presseandrang." Der sei viel größer gewesen, "als wir uns vorstellen konnten", so Grubert weiter. Im Rathaus habe es ab 9:30 Uhr nur noch Gedränge gegeben. Ein Reporter habe Fragen für die "New York Times" gestellt, auch Journalisten aus Israel seien vor Ort gewesen. "Da ich in Indonesien geboren und in Südafrika aufgewachsen bin, kann ich ganz gut Englisch - manchmal musste ich in meinem Kopf aber nach dem richtigen Wort kramen", erinnert sich der Politiker. Medien aus aller Welt berichteten über die Löwenjagd, Kleinmachnow und vor allem Bürgermeister Grubert standen plötzlich im Fokus der Weltöffentlichkeit.
"Ich war zwei Tage in einem Tunnel, hatte kaum Zeit zum Nachdenken." Das Telefon von Grubert klingelte währenddessen ununterbrochen. Er war immer und für jeden erreichbar, versuchte kühlen Kopf zu bewahren. Abends brachte er den verbliebenen Journalisten noch Getränke.
30 Stunden wurde nach der Löwin gesucht. Spurenleser und Experten kamen am Freitag dann zu dem Entschluss, dass es gar keine Löwin gewesen war - sondern ein Wildschwein. "Wir versuchten dann, glaubhaft zu erklären, dass es keine Löwin ist." In den Wochen danach hat der Politiker nicht einen einzigen Anruf bekommen, dass doch noch einmal ein Wildtier gesichtet worden war: "Es gab nicht einen einzigen Hinweis mehr, der vermuten ließ, dass wir mit unserer Entscheidung falsch gelegen haben."

Kleinmachnow muss sparen
Es sei eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, so Grubert: "Das Bild sah ja wirklich so aus, als könnte es eine Löwin sein - aber wir haben keine Spur gefunden. Nichts." Auch Polizisten bestätigten zwischendurch, dass sie einen Löwen gesehen hätten. Am Ende seien aber alle zu 100 Prozent überzeugt gewesen, dass es keine Löwin in den Wäldern rund um Kleinmachnow gibt. "Im Nachhinein war es eine witzige Anekdote", erklärt Grubert: "Ich kann immer nur schmunzeln, wenn ich an diese Geschichte denke. Ich bin im Nachgang aber froh, dass wir Schulferien hatten – sonst hätten wir anfangen müssen, die Schulen zu evakuieren."
Nun wird Grubert das Bürgermeisteramt übergeben - mit Sorgen: Grund ist der Umzug der Online-Anzeigenportale Mobile.de und Kleinanzeigen nach Berlin-Charlottenburg - bislang hatten sie ihren Geschäftssitz im Gewerbegebiet Europarc Dreilinden. Die Gemeinde hatte seit 2015 eine sehr komfortable Situation, weil die Gewerbesteuereinnahmen dank der beiden Unternehmen sprudelten. Dadurch konnten viele zusätzliche Projekte verwirklicht werden. "Die Einnahmen sind durch den Wegzug wieder auf das zurückgegangen, was wir vorher hatten, so circa 15 bis 17 Millionen Euro pro Jahr", erklärt Grubert: "Für eine Kommune ist das viel Geld, wir müssen uns jetzt aber so aufstellen, dass wir nur noch das ausgeben, was wir einnehmen." Es müsse jetzt "ein bisschen" gespart werden.
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Grubert wird nach Italien reisen
"Ich glaube aber, dass Kleinmachnow die Kraft hat und ja auch hier im Haus das finanzielle Rüstzeug, dass wir in zwei Jahren wieder in ruhigem Fahrwasser sind", erläutert der Bürgermeister. Es seien Rücklagen gebildet worden. Die werden nun wichtig, da ein Großteil der Gewerbesteuereinnahmen bereits verplant wurden. 35 Millionen Euro müssen laut Grubert zurückgezahlt werden. Die Gemeinde habe aber trotzdem noch liquide Mittel, es sei auch kein einziger Kredit aufgenommen worden. "Da haben wir zu lange auf zu großem Fuß gelebt, aber ich hab immer den Spruch gesagt: 'Wir werden uns nicht mehr jährlich einen Urlaub auf den Seychellen leisten können, aber die Toskana oder die Ostsee tut's auch und dafür wird es in Kleinmachnow noch ausreichen'", so Grubert.
"Ich freue mich auf den Ruhestand", sagt Grubert abschließend. Für die Zeit nach seiner Amtszeit hat er auch schon konkrete Pläne. Der SPD-Politiker will mit dem Rucksack und per Zug nach Italien reisen. "Ich habe studiert und bin dann relativ schnell Vater geworden - eigentlich hatte ich immer vor, eine Reise durch Europa zu machen, das mache ich jetzt", erklärt Grubert. Am 19. April geht es los - mit seiner Frau und dem gemeinsamen Hund.