
Brandenburg Präsidentschaftswahl im Nachbarland: Der Kampf um Polens Zukunft
Die Menschen in Polen wählen an diesem Sonntag einen neuen Präsidenten. Der Ausgang der Wahl entscheidet auch über die Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen. Von Nastasja Kowalewski
In der polnischen Grenzregion rund um Frankfurt (Oder) ist die Stimmung bezüglich der Präsidentschaftswahl in Polen gemischt. "Die Menschen wissen, dass auf nationaler und europäischer Ebene viel entschieden werden kann. Auf der anderen Seite gibt es ein Gefühl der Besorgnis und eine gewisse Müdigkeit", sagt Daniel Szurka, der seit elf Jahren für die Koalicja Obywatelska (Wahlbündnis zwischen den Parteien PO, Nowoczesna und Zieloni) im Stadtrat in Słubice sitzt.
Nach zehn Jahren ist die Ära des jetzigen Präsidenten Andrzej Duda vorbei: Polen muss an diesem Sonntag ein neues Staatsoberhaupt wählen. Diese Wahl gilt als richtungsweisend. Durch sie wird entschieden, ob der Politikwechsel in Polen, der 2023 mit dem Wahlerfolg der Koalition um Premierminister Donald Tusk eingeleitet wurde, jetzt vollendet wird.

Präsident kann Reformen blockieren
"Das würde passieren, wenn Rafał Trzaskowski, der Kandidat der Bürgerplattform (PO), die Wahl für sich entscheidet", sagt Bastian Sendhardt, Politikwissenschaftler am Deutschen Polen-Institut. Sollte sein Hauptkontrahent Karol Nawrocki, der Kandidat, der von der Partei PiS unterstützt wird, gewinnen, sieht Sendhardt eine Fortsetzung der aktuellen Blockadepolitik kommen, wie sie auch jetzt vom amtierenden Präsidenten Duda praktiziert wird.
In Polen kann der Präsident Gesetze, die der Sejm (vergleichbar mit Bundestag in Deutschland) beschließt, mit einem Veto zurückweisen. "Der Präsident hat also die Möglichkeit, Reformen zu blockieren oder den Weg dafür freizumachen", erklärt Sendhardt. Der neue Präsident entscheide also über die zukünftige politische Ausrichtung Polens. Wichtig wird also, ob Regierung und Präsident aus dem gleichen politischen Lager kommen.
Präsident wird direkt vom Volk gewählt
Trzaskowski führt laut politico.eu (Stand: 12. Mai) in den Umfragen mit 31 Prozent. Der 53-Jährige befürwortet, genau wie Tusk, enge deutsch-polnische Beziehungen. Trzaskowski regiert seit 2018 als Oberbürgermeister Polens Hauptstadt Warschau. Nawrocki ist sein wichtigster Gegenspieler. Er liegt nach aktuellen Umfragewerten bei 25 Prozent. Der 42-jährige Historiker war von 2017 bis 2021 Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Seit 2021 leitet Nawrocki das Institut für Nationales Gedenken. Er ist parteilos und wird als "Bürgerkandidat" von PiS-Chef Jarosław Kaczyński unterstützt. Nawrocki lehnt den EU-Migrations- und Asylpakt ab und möchte den European Green Deal aufkündigen.
Der polnische Präsident wird direkt vom Volk gewählt und muss im ersten Wahlgang eine Mehrheit erreichen. Falls kein Kandidat mehr als 50 Prozent erreicht, findet nach zwei Wochen eine Stichwahl zwischen den zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen aus dem ersten Wahlgang statt. Insgesamt treten 13 Kandidatinnen und Kandidaten an, darunter auch Sławomir Mentzen. Er gilt als rechter TikTok-Star in Polen und geht für die rechtsextreme Partei Konfederacja ins Rennen. In den Umfragen liegt der 38-Jährige aktuell bei 13 Prozent.

Deutsch-polnische Beziehung steht auf dem Spiel
Obwohl die Präsidentschaftskandidaten der Bürgerplattform und der PiS in Bezug auf die deutsch-polnische Grenze ähnlicher Meinung seien, würden sie sich in ihrer Haltung zur deutsch-polnischen Beziehung deutlich unterscheiden, sagt Politikwissenschaftler Sendhardt. "Nawrocki wirft Trzaskowski und der Tusk-Regierung vor, dass durch sie die Sicherheit Polens gefährdet wäre, weil sie letztendlich die Erfüllungsgehilfen der deutschen Politik wären." Das würde von Tusk und Trzaskowski vehement abgestritten, so Sendhardt.
Von Deutschlands Neu-Kanzler Friedrich Merz (CDU) will Tusk Unterstützung an der EU-Außengrenze, statt Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Polen werde keine Geflüchteten aus Deutschland aufnehmen, sagte der polnische Premierminister beim Antrittsbesuch des CDU-Politikers in Warschau.
Eine Verschärfung der Grenzkontrollen sei auch mit einer Belastung der Bewohner in Slubice verbunden, erläutert Stadtrat-Mitglied Szurka. "Wenn hier jeder Grenzübergang kontrolliert wird, gehen wir unter." Die Menschen arbeiten laut Szurka auf beiden Seiten der Oder, haben Familien, erledigen ihre Einkäufe, gehen zum Arzt und in die Schule. "Die Einwohner befürchten, dass politische Entscheidungen, die weit von der Grenze entfernt getroffen werden, direkte Auswirkungen auf ihr Leben haben werden", so der Lokalpolitiker weiter. Nach Angaben des Stadtrates käme es bis zu 17.000 Grenzübergängen täglich. "Die meisten von uns behandeln die Grenze wie eine Straße mitten in der Stadt - nicht als Barriere, sondern als Teil des täglichen Lebens", sagt Szurka.
Trzaskowski gegen Grenzkontrollen
Trzaskowski sehe es allerdings genauso wie die Regierung um Tusk, deren Partei er angehört, erklärt Sendhardt: "Er möchte, dass die Grenzkontrollen nach Deutschland aufgehoben werden und dass keine Asylbewerber an der deutsch-polnischen Grenze abgewiesen werden, das heißt in Polen verbleiben müssten oder gar, dass illegal nach Deutschland eingereiste Asylbewerber nach dem Dublin-System nach Polen zurückgeführt werden", so Sendhardt.
Besorgt seien die Menschen in Slubice auch um die grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Deutschland. "Auf dem Spiel stehen Zugang zu Bildung, Kultur, günstigem Wohnraum und guter Gesundheitsversorgung", sagt Szurka. In Slubice wünsche man sich sogar eine zweite Brücke für den Grenzübergang.
Im Juni kommt die Antwort
Sendhardt zufolge wird es am 1. Juni sehr wahrscheinlich zu einer Stichwahl zwischen Rafał Trzaskowski (Bürgerplattform) und Karol Nawrocki (PiS) kommen. Dann werde es auf zwei wichtige Aspekte ankommen: Zum einen, wie sich die Wählerinnen und Wähler der Kandidaten entscheiden werden, die nicht in die Stichwahl einziehen. Und zum anderen: Werden sie überhaupt für einen der beiden Kandidaten stimmen oder werden sie in der Stichwahl nicht nochmal zur Wahlurne gehen? "Die Frage der Mobilisierung dieser Wähler wird über den Wahlausgang entscheiden", sagt Sendhardt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.05.2025, 19:30 Uhr