Hund mit Rolli. (Quelle: rbb/Juliane Gunser

Brandenburg Stützen statt Einschläfern: Orthopädietechniker entwickelt Prothesen für Tiere

Stand: 09.06.2025 15:46 Uhr

Olaf Piritz fertigt Prothesen und andere Hilfsmittel für Menschen. Seit Jahren kümmert sich nebenbei aber auch um Tiere mit körperlichen Defekten. Sein Hund etwa, kann trotz fehlender Vorderläufe wieder wild herumtoben. Von Juliane Gunser

Dackelmischling Capitain Jack wurde vor fünf Jahren ohne Vorderbeine geboren. Er kam in einem Körbchen mit anderen Straßenhunden aus Rumänien nach Deutschland. Warum er nur zwei Beine hat, konnte keiner sagen - heute hat der kleine Hund vier Räder, statt zwei Vorderbeinen.
 
Dank seines ausgetüftelten Rollstuhls kann er sich flink bewegen und durch den Garten rennen. Ohne wäre das nicht möglich. Jacks Gefährt ist ein Spezialbau. Das sei die "Königsdisziplin", sagt Herrchen Olaf Piritz im Gespräch mit dem rbb stolz. Der Mann aus Rathenow (Havelland) hat ihn selbst entwickelt und gebaut.

Der gelernte Orthopädietechniker Olaf Piritz in seiner Werkstatt.(Quelle:rbb/J.Gunser)

Olaf Piritz in seiner Werkstatt in Rathenow

Von Hund bis Hahn

Piritz ist gelernter Orthopädietechniker, seit sechs Jahren hat er auch seinen Meister. Hauptberuflich fertigt er Körperersatzstücke, also Prothesen, und andere Hilfsmittel für Menschen, wie etwa Schienen zur Stabilisierung. Vor 17 Jahren kam dann auch die Tierorthopädietechnik dazu, als Hobby. Inzwischen ist dieses Hobby zu seinem Nebenjob geworden.
 
Nicht nur Hunde gehören zu seinen Kunden - auch Ponys, Esel und Katzen. Auch einen Hahn hat er schon mit einer Orthese versorgt. "Das ist wie beim Menschen auch, Orthesen sind Hilfsmittel und Prothesen ersetzen, wie zum Beispiel ein Holzbein", erläutert Pititz. Die Bewegungsabläufe unterscheides sich aber erheblich, die Lösungsfindung gestalte sich bei Tieren oft schwieriger. "Mit Menschen ist die Kommunikation einfacher, die können sagen, ob was wehtut, dafür sind Tiere dankbarer", erklärt der Rathenower lachend.

Eine Tierprothese in der Werkstatt von Olaf Piritz.(Quelle:rbb)

Jacks Rollstuhl, eine Spezialanfertigung

Tierorthopädietechnik bietet mehr Spielraum

Jacks aktueller Rollstuhl ist schon die zehnte Version, er hat alle geduldig getestet und damit seinem Besitzer bei der Weiterentwicklung geholfen. In so ein Gefährt fließen viele Stunden Arbeit, alles nach Feierabend. 500 Euro und mehr kosten die Rollstühle. Jedes Teil, egal ob Schiene, Ersatzbein oder Rollstuhl, ist eine Maßanfertigung und zu 100 Prozent Handarbeit. Gebohrt, geschraubt, gesägt, geklebt und gegossen wird in einer kleinen Werkstatt im eigenen Garten. Besonders kniffelig seien Rollis für sehr kleine Hunde wie beispielsweise für Chihuahuas. "Da kommt es darauf an, dass der Rolli möglichst wenig wiegt, wenn der Hund ja schon kaum was wiegt", erklärt Pititz.

Die Story im Video

Handwerklich kann sich Piritz im Bereich der Tierorthopädietechnik so richtig austoben. Die strengen Richtlinien, die in der Humanmedizin gelten, gibt es für Tiere so nicht. Auch der bürokratische Aufwand sei viel geringer. Daher bleibe ihm viel mehr Zeit und auch Spielraum, wenn es darum gehe, Materialien zu verwenden und zu kombinieren. "Tiere gelten in Deutschland als Sache. Damit hat man jede Freiheit und kann viel einfacher neue Sachen entwickeln." Bei der Tierorthopädietechnik komme es vor allem auf vier Dinge an, sagt Pititz: "Kreativität ist ganz wichtig, auch der Wille und das Durchhaltevermögen, das jetzt auch hinkriegen zu wollen, und natürlich die Liebe zum Tier."

Ukraine-Soldaten werden vermessen für Prothesen. (Foto: Angela Ulrich/rbb)
"Wieder ganz neu laufen lernen"
Die ersten verletzten ukrainischen Soldaten sind in Berlin, um hier Prothesen zu erhalten. Sie haben im Gefecht Gliedmaßen verloren, einige beide Beine. Orthopädie-Techniker haben sie jetzt in ihrer Unterkunft besucht. Von Angela Ulrichmehr

Als Dozent an der Universität?

Der Rathenower berichtet weiter, dass er vor ein paar Jahren gefragt wurde, ob er an der Universität als Dozent arbeiten wolle. Er sollte angehenden Tierärzten einen neuen Blickwinkel zeigen. Damals habe er "blöderweise abgelehnt", berichtet Pititz. Heute würde er das gerne machen. "Ich würde gerne versuchen, den Blickwinkel der Tierärzte zu verändern und ihnen sagen: Ihr müsst nicht immer gleich einschläfern oder amputieren, da gibt es noch ein paar Schritte dazwischen und die sind auch relativ erfolgreich."