
Brandenburg Verfassungsschutz-Affäre: Brandenburger Jusos fordern Lange zum Rücktritt auf
Die Brandenburger Innenministerin Lange entließ den Verfassungsschutz-Chef, weil der angeblich zu spät über die Einstufung der AfD informiert habe. Nun kritisiert neben der Opposition auch der SPD-Nachwuchs die Kommunikation - und fordert Konsequenzen.
- Jusos kritisieren Umgang der Ministerin mit Verfassungsschutz-Chef und fordern Konsequenzen
- CDU: unvollständige Kommunikation stellt Verstoß gegen Landesverfassung dar
- Innenministerium ermöglichte bisher keine Akteneinsicht
- Ministerpräsident Woidke steht hinter Innenministerin
Nach der überraschenden Entlassung des Brandenburger Verfassungsschutz-Chefs Jörg Müller durch Innenministerin Katrin Lange (SPD) kritisieren nun auch die Jungsozialisten (Jusos) offen die SPD-Vizechefin.
"Die bisherigen Erklärungen von Innenministerin Katrin Lange - sowohl innerparteilich als auch öffentlich - erscheinen uns mangelhaft", heißt es in einer Pressemitteilung vom Donnerstag. Angesichts der Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextreme Partei sei die Versetzung eines integren und fachlich angesehenen Abteilungsleiters ein "politisch bedenkliches und irritierendes Signal."
Sollte Lange an ihrer "unzureichenden" Begründung für ihre Entscheidungen festhalten, sei es "unausweichlich, dass ihr die SPD-Landtagsfraktion das Vertrauen entziehe", so Juso-Landeschef Leonel Richy Andicene. Lange müsse sich fragen lassen, welchen Anteil sie an der Beschädigung des Vertrauens in den Verfassungsschutz habe.
Potsdamer Jusos fordern Rücktritt
Zuvor hatten bereits die Potsdamer Jusos den Rücktritt Langes gefordert. Sie kritisierten ebenfalls in einer Pressemitteilung vom Donnerstag den Umgang Langes mit dem Verfassungsschutz, aber auch ihre Positionierung in migrationspolitischen Fragen.
Lange habe schon in den vergangenen Monaten "massiv Vertrauen in breiten Juso-Kreisen eingebüßt", heißt es. "Die jüngsten Geschehnisse im Zusammenhang mit der Abberufung von Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller sind für uns aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt", so die Potsdamer Jusos. Das Vertrauen in Lange sei "nachhaltig erschüttert". Lange solle ihr Amt als Innenministerin zur Verfügung stellen.
Außerordentliche Sitzung angekündigt
Der kommissarische SPD-Generalsekretär Kurt Fischer wollte sich auf rbb|24-Anfrage zunächst nicht zu den Forderungen äußern. Die Jusos kommen am Samstag zu ihrer Landesdelegiertenkonferenz zusammen. Es wird erwartet, dass auch der Umgang Langes mit AfD und Verfassungsschutz eine Rolle dabei spielen wird.
An der Konferenz sollen auch der Fraktionsvorsitzende Björn Lüttmann und Fischer teilnehmen, die sich klar an die Seite Langes stellen. Am Donnerstagabend hat der Landesvorstand der SPD zudem eine außerordentliche Sitzung angekündigt. Auch an der Parteibasis und bei einigen Abgeordneten im Landtag herrscht weiter Unruhe wegen des Umgangs der Innenministerin mit dem Verfassungsschutz. Zuletzt hatte sich Ministerpräsident Dietmar Woidke deshalb in einem Brief auch an die Mitglieder gewandt.

CDU sieht möglichen Verstoß gegen Landesverfassung
Die CDU kritisiert Lange ebenfalls und wirft ihr eine unvollständige Kommunikation gegenüber dem Innenausschuss vor. Darin sieht die CDU einen möglichen Verstoß gegen Artikel 56 der Landesverfassung. Der Artikel schreibt vor, Fragen an die Landesregierung "unverzüglich nach bestem Wissen und vollständig" zu beantworten.
Rainer Genilke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, sagt: "Medienberichte der vergangenen Tage legen den Verdacht nahe, dass Innenministerin Lange am 7. Mai die Fragen des Innenausschusses wider besseres Wissen nicht vollständig beantwortet hat. Das würde einen klaren Verstoß gegen die Regeln der Landesverfassung darstellen.
Besonders schwer wiegt der Verdacht, dass Innenministerin Lange im Nachgang zur Ausschusssitzung Medienvertreter zu einem exklusiven Gesprächstermin eingeladen haben soll, um dort Informationen preiszugeben, die dem Innenausschuss bis heute vorenthalten werden."
Akteneinsicht bisher nicht möglich
Das Vertrauensverhältnis zwischen Parlament und Landesregierung könnte dadurch nun nachhaltig belastet sein. Der entstandene Eindruck eines Missverhältnisses müsse daher unverzüglich und umfassend ausgeräumt werden, so Genilke. Er fordert nun die Präsidentin des Landtages auf, tätig zu werden. Eine Akteneinsicht habe das Innenministerium nach Aussage Genilkes bisher nicht ermöglicht.
Es gibt Zweifel an der Darstellung der Innenministerin zur Entlassung des Verfassungsschutz-Chefs. Zudem vermuten Kritiker, Lange wollte die Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung verzögern.
In der Sitzung des Ausschusses für Inneres und Kommunales am 7. Mai hatte die Innenministerin angegeben, der Leiter des Verfassungsschutzes habe den Brandenburger Landesverband der AfD am 14. April als gesichert rechtsextrem eingestuft und sie erst am 5. Mai darüber informiert. Medien wie rbb|24 berichten jedoch, die Innenministerin sei vorher informiert worden.
Hier finden Sie unsere Rekonstruktion, wer in der Verfassungsschutz-Affäre wann was wusste.

Woidke: Lange hat richtig gehandelt
Das Vorgehen der Innenministerin löste zudem eine Debatte um die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes aus. Im Innenausschuss hatte Katrin Lange eingeräumt, dass ihr die Dienstanweisung, nach der Verfassungsschutz-Chef Müller die Entscheidung über die Einstufung der AfD eigenverantwortlich treffen konnte, nicht bekannt gewesen sei. Lange sei davon ausgegangen, dass die Entscheidung bei ihr liegen würde. Mit dem Inhalt des Hochstufungsvermerks selbst habe sie sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschäftigt. Allerdings räumte sie im Innenausschuss ein, dass in der Sache bereits im Vorfeld Gespräche stattgefunden hatten.
Der Brandenburger SPD-Chef Dietmar Woidke stärkte Lange daraufhin den Rücken: Auf die Frage, ob er hinter Lange stehe, sagte der Ministerpräsident am 9. Mai dem rbb: "Die Frage muss ich gar nicht beantworten, weil Katrin Lange die richtige Entscheidung getroffen hat und Katrin Lange eine gute Arbeit macht."
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.05.2025, 17:00 Uhr