
Brandenburg Was im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes über Brandenburg steht
Im AfD-Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden rund 30 Politikerinnen und Politiker aus Brandenburg genannt. Auch ihre öffentlichen Äußerungen haben zur zwischenzeitlichen Hochstufung der Partei im Bund beigetragen. Von Markus Woller
Führende Mitglieder des AfD-Landesverbandes Brandenburg spielen im Hochstufungsgutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) eine wichtige Rolle. Das zeigt eine rbb-Auswertung des Berichts, auf dessen Grundlage die Bundes-AfD als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wurde. Unter anderen das Magazin "Cicero" hatte das vertrauliche Gutachten komplett veröffentlicht.
Mehr als 30 Mitglieder des Landesverbandes, darunter 13 Landtagsabgeordnete und sechs Bundestagsabgeordnete finden im Gutachten Erwähnung. Für seine Einschätzung hat das Bundesamt für Verfassungsschutz öffentliche Äußerungen von insgesamt 353 Personen herangeozogen. Erkenntnisse, deren Quellen zu schützen seien, sind zumindest nicht offensichtlich erkennbar.

"Ethnisch-abstammungsmäßiges" Volksverständnis im Fokus
In dem Gutachten heißt es, die ostdeutschen Landesverbände, darunter auch der aus Brandenburg, seien in besonderem Maße von extremistischen Strömungen in der Partei dominiert. Insgesamt ließen sich in den letzten Jahren drei grobe Entwicklungslinien beobachten: Eine Popularisierung der Partei hinsichtlich ihrer Mitgliederentwicklung, eine Professionalisierung und eine fortschreitende ideologische Vereinheitlichung.
Der Verfassungsschutz stellte bei der Begründung der Hochstufung den Begriff des "ethnisch-abstammungsmäßigen" Volksverständnis' der AfD ins Zentrum. Allein dafür wurden auf vielen Dutzend Seiten Belege gesammelt.
Dieses völkisch-abstammungsmäßige Verständnis, das die AfD vertrete, messe der Existenz und dem Erhalt homogener ethnisch-biologischer oder -kultureller Völker eine überragende Bedeutung zu, so der Verfassungsschutz. Mitglieder der Partei unterschieden dabei zwischen Deutschen verschiedener Güte: zwischen sogenannten "indigenen Deutschen" und "Passdeutschen". So forderte eine Abgeordnete der AfD unter anderem ein Wahlrecht nach Abstammung. Ein anderer äußerte die These, es gebe ein "deutsches Volk, unabhängig vom Pass".
Berndt, Hohloch und Gnauck mehrfach mit Zitaten vertreten
Auch Aussagen von Brandenburger AfD-Politikern werden in diesem Zusammenhang als Belege zitiert. Zum Beispiel die des Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck bei einer Wahlkampfveranstaltung im vergangenen Jahr in Zossen (Teltow-Fläming). Gnauck sagte damals, es gehöre mehr dazu, zum deutschen Volke zu gehören, als eine Staatsbürgerurkunde. Deutsche verbinde miteinander ein Naturgesetz, wird Gnauck zitiert.
Auch der AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Hans-Christoph Berndt, machte laut Verfassungsschutzgutachten in einem Interview deutlich, dass es für ihn einen Unterschied zwischen der Zahl der deutschen Staatsbürger und der durch ihn definierten "Deutschen" gebe.
Der Landtagsabgeordnete Jean-Pascal Hohm äußerte laut Gutachten in einem Tweet von 2022, dass das deutsche Volk "als ethnische und kulturelle Gemeinschaft nicht verhandelbar seien". Der Verfassungsschutz nennt diese Aussage verfassungswidrig.

Migranten werden kriminalisiert
Der Bericht zitiert zudem mehrere Brandenburger AfD-Abgeordnete mit einer ganzen Reihe fremden- und minderheitsfeindlicher Aussagen. Migrationsprozesse würden immer wieder mit Katastrophen-Metaphern beschrieben, um Migranten generell verächtlich zu machen.
So forderte der parlamentarische Geschäftsführer im Landtag, Dennis Hohloch, laut dem Bericht, Schüler die kein Deutsch sprechen vom Schulsystem auszuschließen. Im selben Zusammenhang habe er suggeriert, strafrechtliches Verhalten in Schulen gehe vornehmlich von Migrantinnen und Migranten aus, deren Eltern zudem nicht in der Lage wären, ihre Kinder "ordentlich zu erziehen", wird der Landtagsabgeordnete zitiert.
Mehrfach findet der Verfassungsschutz auch Belege dafür, dass das vieldiskutierte sogenannte "Remigration-Programm" der Partei sich nicht allein gegen ausreisepflichtige Ausländer richtet, sondern damit die Ausweisung von Millionen Menschen gemeint sein muss. Die Ausweisung solle ganz offensichtlich nicht in einem rechtsstaatlichen Rahmen erfolgen, so die Verfassungsschützer. Demnach gehe es um die Ausweisung von Menschen, die dem "ethnisch-nationalistischen Staatsvolkverständnis" zufolge nicht als Deutsch gelten.

Junge Alternative besonders aggressiv
Als einer von mehreren Belegen hierfür wird die Kampagne der früheren Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) zur Landtagswahl in Brandenburg 2024 genannt. Am Wahlabend waren Vertreter der JA bei der Wahlparty beim Singen eines fremdenfeindlichen Liedes mit dem Titel "Wir schieben sie alle ab!" von Medienvertretern gefilmt worden.
Darin sei unter anderem von einem feindlichen System die Rede, das einen vermeintlichen Bevölkerungsaustausch und eine Islamisierung aufzwinge. Ein Mitglied der JA habe beim Singen ein Schild mit der Aufschrift "Millionenfach Abschieben!" hochgehalten, so der Bericht. Mehrere Parteifunktionäre hatten das Verhalten der Jugendorganisation danach verteidigt.
Das Gutachten bündelt hunderte weiterer öffentlich zugänglicher Belege, die der Verfassungsschutz am Ende als ausreichend ansah, um die Partei im Bund als "gesichert rechtsextremistisch" einzustufen.
Einstufungs-Entscheidung im Eilverfahren steht noch aus
Allerdings: Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung über ein Eilverfahren, das die Partei angestrengt hat, nicht mehr öffentlich als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Der Nachrichtendienst gab im Rechtsstreit mit der AfD eine sogenannte Stillhaltezusage ab. Das bedeutet, dass das BfV die AfD bis zu einem Urteil nicht offiziell als extremistisch führen wird, sondern vorerst nur als Verdachtsfall.
Eine solche Stillhaltezusage bedeutet aber nicht, dass das Amt seine Meinung geändert hat. Es ist also kein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben. Weil die Folgen einer solchen Einstufung für eine Partei aber gravierend sind, setzt das Amt diese nun erstmal aus, bis das Gericht zu einer Entscheidung im Eilverfahren gekommen ist.