Die TV-Debatte des SR vor der Bundestagswahl 2025

Saarland Faktencheck zur Runde der Saar-Spitzenkandidaten

Stand: 13.02.2025 17:29 Uhr

Zahlreich waren die Themen bei der "SR info"-Debatte zur Bundestagswahl mit den saarländischen Spitzenkandidaten. Einige Aussagen der Teilnehmer deckten sich dabei nicht ganz mit den Fakten. Der Check.

Christian Leistenschneider, Steffani Balle, Sabine Wachs

Energie, Migration, das Heizungsgesetz: An kontroversen Themen war bei "SR info – die Debatte zur Wahl" mit den saarländischen Spitzenkandidaten kein Mangel. Manche Aussage gerieten dabei zumindest ungenau.

SR info - Die Debatte zur Wahl: Die Spitzenkandidaten im Wahlkampfendspurt

Theis: "Ampel hat mit Atom-Abschaltung Russisch Roulette gespielt"

Bei der Diskussion über Maßnahmen zum Klimaschutz sagte der saarländische CDU-Spitzenkandidat Roland Theis: „Die Ampel hat auf dem Höhepunkt der Energiekrise Russisch Roulette gespielt mit unserer Industrie, indem sie die sicheren deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet hat.“ Stimmt das?

Die drei letzten deutschen AKW wurden Mitte April 2023 abgeschaltet. Das waren dreieinhalb Monate später als im Gesetz zum Atomausstieg festgeschrieben, das die damalige CDU/FDP-Bundesregierung 2011 eingebracht hatte. Kanzler Olaf Scholz hatte für die zeitweilige Verlängerung seine Richtlinienkompetenz eingesetzt.

Zum Ende ihres Betriebs waren die letzten drei deutschen AKW noch für rund sechs Prozent der deutschen Stromproduktion verantwortlich. Ihr Aus führte nicht dazu, dass die Strompreise in Deutschland anzogen. Unter anderem waren die Gaspreise zu diesem Zeitpunkt bereits wieder deutlich günstiger als in den Monaten nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Laut einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle lag der deutsche Großhandelsstrompreis 2023 unter den Preisen von acht der zwölf EU-Länder, die Atomkraftwerke betreiben. Ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke hätte demnach den Strompreis um weitere 1 bis 8 Prozent senken können. Dabei seien jedoch nicht die Kosten berücksichtigt, die mit einer Verlängerung der Laufzeit entstanden wären.

Limbacher: "CDU hat Verbrenner-Aus durchgesetzt"

SPD-Spitzenkandidat Esra Limbacher verärgerte Roland Theis mit der Aussage, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die CDU hätten ein starres Verbrenner-Verbot durchgesetzt. Ärgerte sich Theis, der das Verbrenner-Aus kippen will, zu Recht?

Richtig ist, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Mitglied der CDU ist, im Rahmen des "Green Deals" auf europäischer Ebene einen ambitionierten Weg zu einer sauberen Umwelt in Europa, zu weniger Emissionen und zu mehr Klimaschutz verfolgt. Um das zu erreichen, sollen unter anderem ab dem Jahr 2035 Neufahrzeuge, die in der EU zugelassen werden, im Betrieb schadstofffrei sein.

Im EU-Parlament stimmte im Februar 2023 eine Mehrheit für diese Verpflichtung. Eine erste Abstimmung war im Herbst 2022 daran gescheitert, dass Deutschland sich enthalten hatte. Der Grund: Auf Betreiben der FDP sollten E-Fuels als möglicher alternativer Antrieb ebenfalls erlaubt werden, nicht ausschließlich E-Autos. Mit der Einigung, dass die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorlegen soll, wurde die Verordnung angenommen.

Dabei reklamiert die Fraktion S&D, zur der auch die deutschen SPD-Politiker gehören, die "Vorreiterrolle" für sich. Die Europaabgeordneten von CDU und CSU haben bei dieser Abstimmung hingegen geschlossen dagegen votiert.

Kurzum: Esra Limbacher hat die Sachlage nicht richtig dargestellt, Roland Theis hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die SPD sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene das Verbrenner-Aus befürwortet hat.

Becker: "Weit über 100 Milliarden für illegale Migration"

Die AfD wirbt in ihrem Wahlprogramm mit drastischen Steuersenkungen. Das würde auf der anderen Seite aber auch bedeuten, dass dem Staat Einnahmen verloren gingen. Laut Berechnung des Institutes der deutschen Wirtschaft würden die Steuerpläne der AfD ein Minus von 149 Milliarden Euro in den Haushalt reißen.  

Auf die Frage, wie das gegenfinanziert werden soll, sagte AfD-Spitzenkandidat Carsten Becker, er gehe davon aus, dass durch das Ansetzen des Rotstifts bei den Kosten für illegale Migration „weit über 100 Milliarden Euro im Jahr“ zusammenkämen. Hinzu kämen über 30 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe. Doch sind diese Zahlen realistisch?

Über die Kosten, die die illegale Migration verursacht, gibt es keine offizielle Statistik. Bekannt ist, dass sich zur Jahresmitte 2023 insgesamt 279.000 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland aufgehalten, von denen 225.000 geduldet waren.

Die Kosten für Flüchtlinge insgesamt betrugen im Jahr 2023 laut dem Finanzplan des Bundes 29,7 Milliarden Euro. Für das Jahr 2024 wurden insgesamt 28,4 Milliarden Euro veranschlagt, für die Jahre 2025-2028 sollen sie jeweils auf unter 25 Milliarden Euro sinken. In diese Zahlen fließen zu einem erheblichen Teil auch Ausgaben für Fluchtursachenbekämpfung ein, 2023 waren das 9,8 Milliarden, also ungefähr ein Drittel.

Die Länder haben für Asylbewerberleistungen laut Statistischem Bundesamt 2023 insgesamt rund 6,3 Milliarden Euro ausgegeben. Die Kosten der Kommunen sind nicht zentral erfasst, sie werden vom Bund aber finanziell erheblich unterstützt.

Beim Bürgergeld wurden 2023 insgesamt rund 6,4 Milliarden Euro für Personen aus nicht europäischen Asylherkunftsländern wie Afghanistan, Irak und Syrien ausgegeben.

Die von Becker außerdem angesprochenen Entwicklungshilfekosten liegen tatsächlich bei über 30 Milliarden Euro. Deutschland erfüllt damit das von den Vereinten Nationen vereinbarte Ziel, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen.

Fazit: Sogar wenn man nicht zwischen illegaler Migration und regulären Asyl- und Flüchtlingskosten unterscheidet, wird die Größenordnung, die Carsten Becker in der Sendung genannt hat, bei weitem nicht erreicht.

Dillschneider: "Heizungsgesetz ein Entwurf von CDU und SPD"

Grünen-Spitzenkandidatin Jeanne Dillschneider behauptete zum Thema Heizungsgesetz: „Es war ein Entwurf von CDU und SPD. Robert Habeck ist derjenige, der da den sozialen Ausgleich mit reingebracht hat und auch die Übergangsfristen“. Stimmt das? 

Was als "Heizungsgesetz" bekannt geworden ist, heißt eigentlich Gebäudeenergiegesetz (GEG). Ein erster Entwurf wurde 2017 unter der Großen Koalition aus CDU und SPD erarbeitet. Die zuständige Ministerin für Wirtschaft und Energie war damals Brigitte Zypries (SPD).

Die scheiterte mit ihrem Gesetzentwurf an der Blockade-Haltung der Union. Erst eine dreimalig nachgebesserte Version des GEG, dann schon unter Zypries' Nachfolger Peter Altmaier (CDU) wurde 2020 vom Bundestag beschlossen.

Dass Habeck die bereits beschlossenen Regeln „abgemildert“ hätte, stimmt aber laut Torsten Körber, Jurist und Direktor des Instituts für Energiewirtschaft an der Universität Köln, nicht. Vielmehr seien weite Teile des schon vorhandenen Gesetzes übernommen und der Teil mit den Vorschriften für neue Heizungen verschärft worden.

Nach „alter“ Gesetzeslage hätten neue Gasthermen noch bis 2026 in Großstädten, bzw. bis 2028 in kleineren Gemeinden, eingebaut werden dürfen. Der Einbau neuer Gasthermen ist nach dem neuen Gesetz, dem „Heizungsgesetz“ nach Habeck, nicht mehr erlaubt. An der Vorgabe, dass mindestens 65 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen müssen, hat Habeck nichts verändert.

Förderstrukturen für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungsanlagen gab es schon vor der Gesetzes-Novelle unter Habecks Führung. Diese wurden weiterentwickelt und um sogenannte Klimaboni ergänzt.

Luksic: "Strom in Frankreich halb so teuer"

FDP-Spitzenkandidat Oliver Luksic sagte bei der Diskussion um Klimaschutz und Energiepreise, in Frankreich wären "die Strompreise halb so teuer wie in Deutschland". Tatsächlich?

Frankreich war lange bekannt für günstigen Strom, auch weil das Land einen Großteil seines Stroms aus der Atomenergie und aus den eigenen Kernkraftwerken bezieht. Laut statistischem Bundesamt kostete die Kilowattstunde Strom in Deutschland für Privathaushalte im 1. Halbjahr 2024 40 Cent, in Frankreich waren es im selben Zeitraum 28 Cent. Der Strom in Frankreich ist also günstiger, allerdings nicht halb so teuer wie in Deutschland.

Hinzu kommt, dass auch im Nachbarland die Strompreise steigen. Der staatliche Stromkonzern Electricité de France (EDF) hat Schulden in Höhe von rund 54 Milliarden Euro, so steht es im Geschäftsbericht des Unternehmens für 2024.

Unter anderem mussten viele französische Atomkraftwerke in den vergangenen Jahren teuer saniert werden, außerdem war der Bau des großen Atomreaktors EPR Flamanville mit fast 20 Milliarden Euro fast sieben Mal so teuer geworden, wie vor dem Bau kalkuliert. Außerdem musste EDF einen Teil seines Atomstroms zu einem festgeschriebenen Preis von 43 Euro pro Megawattstunde verkaufen. Diese Summe lag deutlich unter den Produktionskosten.

Und: Seit der Corona-Pandemie und dem anschließenden Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gab es in Frankreich zudem staatlich gedeckelte Strompreise. Diese wurden mit dem Haushaltsgesetz für 2025 abgeschafft.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 13.02.2025 berichtet.

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