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Saarland Merz in St. Ingbert selbstbewusst: „Klarheit“ nach Migrationsanträgen
Unions-Kanzlerkandidat Merz hat bei einer Wahlkampfveranstaltung in St. Ingbert erneut sein Vorgehen beim Thema Asyl verteidigt und Anstrengungen für mehr Wirtschaftswachstum gefordert. Draußen vor der Halle liefen zwei Demonstrationen, die allerdings geringer ausfielen als erwartet.
Christian Leistenschneider
Rund zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl geht der Wahlkampf in die heiße Phase. Begleitet von zwei Demonstrationen hat der Spitzenkandidat von CDU/CSU, Friedrich Merz, am Donnerstagabend in der St. Ingberter Stadthalle vor etwa 800 Gästen gesprochen.
Applaus für Migrationspolitik
Merz verteidigte dabei erneut seine Entscheidung, im Bundestag Anträge und einen Gesetzesentwurf zur Migrationspolitik eingebracht und dabei Stimmen der AfD für eine Mehrheit in Kauf genommen zu haben. Das wurde mit Zwischenrufen kommentiert, einige Personen riefen „Schande“ in Richtung Merz. Die Zwischenrufer, darunter Mitglieder der Partei „Die Partei“ wurden aus dem Saal geführt.
Die Mehrheit aber applaudierte Merz, der SPD und Grünen die Hauptschuld gab und davon sprach, die Parlamentssitzungen hätten „Klarheit“ gebracht, wer in der Migrationspolitik wo stünde. Dafür hätte er aus der Bevölkerung viel Zuspruch erhalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Forderungen und das Vorgehen der CDU bei seinem Auftritt in Saarbrücken knapp zwei Wochen zuvor scharf kritisiert. Dauerhafte Grenzkontrollen und pauschale Zurückweisungen seien nicht mit der Verfassung und den europäischen Verträgen vereinbar.
Abgrenzung von AfD
Außerdem hatte Scholz an Merz’ Zusicherung gezweifelt, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen. Merz erneuerte in St. Ingbert seine Absage an jede Kooperation mit der AfD, deren Umgangsformen er als „proletenhaft“ bezeichnete. Die Partei stünde zudem gegen alles, was die CDU im Land aufgebaut habe.
Er wolle daran arbeiten, dass sie aus dem Bundestag wieder verschwinde. An ihre potentiellen Wähler im Publikum gerichtet sagte Merz: „Jede Stimme für die ist am Tag nach der Wahl nichts mehr wert“.
Zwei gegensätzliche Demonstrationen
Die Kontroverse um das Verhältnis der CDU zur AfD fand auch Niederschlag in zwei Demonstrationen, die rund um die Veranstaltung stattfanden. Etwa 350 Menschen demonstrierten nach Polizeiangaben vor der St. Ingberter Stadthalle gegen den Auftritt von Merz. Sie forderten etwa eine "Migrationspolitik der Mitte" und keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD.
Neben den „Omas gegen Rechts“ hatten sich auch Gewerkschaften und andere Organisationen, etwa die Jusos, angeschlossen. Merz nannte die Demonstration die „letzten Versuche, die rot-grüne Deutungshoheit“ über die Geschichte zu haben.
Eine weitere Demonstration richtete sich gegen die sogenannte Brandmauer der CDU. Die etwa 60 Demonstrierenden forderten, dass die CDU auf die AfD zugehen und mit ihr zusammenarbeiten soll.
Bekenntnis zur Stahlindustrie
In seiner Rede übte Merz harte Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel. Am Ende von deren Regierungszeit gebe es wieder drei Millionen Arbeitslose, 400.000 mehr als zu Beginn der Legislaturperiode. Er beklagte eine „schleichende Deindustrialisierung“ Deutschlands. 300.000 Arbeitsplätze seien in dem Sektor verloren gegangen, Deutschland liege unter den Industrienationen auf dem letzten Platz.
Dabei bekannte sich Merz auch zum Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland. Man dürfe sich nicht von ausländischen Anbietern abhängig machen. „Wir brauchen Stahlerzeugung in Deutschland. Dafür braucht es eine zuverlässige Energieerzeugung aus Gas und Strom“. Einige Wochen zuvor hatte Merz Zweifel am schnellen Umbau der Stahlwerke auf Wasserstoffbetrieb geäußert.
Merz macht Rentenversprechen
Eine andere Wirtschaftspolitik stünde ganz oben auf seiner Agenda. An erster Stelle müsste „das Monster Bürokratie“ in den Griff bekommen werden, sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene. Auch das Bürgergeld und die Steuergesetzgebung müssten reformiert werden. Dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warf er vor, keine Ahnung von Wirtschaft zu haben.
Statt neuer Schulden und mehr Ausgaben müsse ein größeres Sozialprodukt erwirtschaftet werden, sagte Merz. Das sei möglich, dazu müsse man Arbeit aber „nicht nur als Unterbrechung von Freizeit“ verstehen.
Das Rentenbeitrittsalter werde man aber nicht weiter anheben, versprach Merz, Rentenkürzungen schloss er aus. Stattdessen wolle man Anreize setzen, um länger zu arbeiten. Auf die Finanzierung des stark unter Druck stehenden Rentensystems, das auf große Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt angewiesen ist, ging er nicht detailliert ein.
Engere Zusammenarbeit mit Frankreich
Mehr als einmal erwähnte Merz, er wolle eng mit Frankreich und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammenarbeiten. Vor allem bei Fragen wie dem Umgang mit US-Präsident Donald Trump oder auch dem Ukraine-Krieg müsse die EU geschlossen zusammenstehen und mit einer Stimme sprechen.
Die von ihm geforderten dauerhaften Grenzkontrollen seien so lange nötig, bis EU-weit eine Lösung zur Eindämmung illegaler Migration gefunden sei, so Merz. Gerade im Saarland, in der Grenzregion zu Frankreich und Luxemburg, sind die Forderungen teils auch innerhalb der eigenen Partei auf Kritik gestoßen. Der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt, ebenfalls CDU, forderte wiederholt ein sofortiges Ende der bereist bestehenden Kontrollen.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 06.02.2025 berichtet.
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