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Saarland Warum immer mehr Schüler in Containern unterrichtet werden
Steigende Schülerzahlen, mehr Ganztagsbetreuung – in den Schulgebäuden ist es vielerorts eng geworden. Immer häufiger heißt die Lösung: Containerräume. Landkreise und größere Städte im Saarland stellen sie auf, um zusätzliche Klassen- und Betreuungsräume zu schaffen. Sieht so das Lernen der Zukunft aus?
Sandra Schick
Rund 20 Jahre ist es her, dass im Saarland eine Welle an Grundschulschließungen von der damaligen Landesregierung beschlossen wurde. Von ehemals über 260 Grundschulen sind heute nur noch rund 160 übrig geblieben. Damals ging man von einem starken Rückgang der Schülerzahlen aus.
Heute aber platzen landesweit Grundschulen aus allen Nähten. Auch an vielen weiterführenden Schulen ist es eng geworden.
Mehr Schüler in veralteten Gebäuden
Ein Grund sind steigende Schülerzahlen – auch in Folge von Flüchtlingsbewegungen. Dazu kommt der steigende Bedarf an Ganztagsbetreuung. Für all das braucht es mehr Platz an den Schulen – doch der ist in den alten Gebäuden meist nicht da.
Immer öfter greifen Städte und Landkreise deshalb zu Containeranlagen, um die Schülerinnen und Schüler irgendwo unterzubringen. Kein Landkreis und kaum eine größere Stadt im Saarland kommt noch ohne sie aus.
Vor allem Grundschulen in größeren Städten sind davon in besonderem Maße betroffen.
Größere Städte mit Containern an Grundschulen
Quelle: *Angaben der Städte, angefragt wurden die acht bevölkerungsreichsten Städte im Saarland. Die Stadt St. Ingbert hat keine Angaben gemacht.
Homburg: Alle Grundschulen in Containern
In der Stadt Homburg stehen mittlerweile an allen sieben Grundschulstandorten Containerräume. Aktuell kommt man auf stattliche 31 Räume, die man auf diese Art geschaffen hat.
Und die reichen noch nicht aus. Zum kommenden Schuljahr werden nach Angaben der Stadt die Containeranlagen in Einöd und Bruchhof wohl noch einmal erweitert.
Bürgermeister Manfred Rippel betont im Gespräch mit dem SR: "Es gibt einfach deutlich mehr Schüler. Diese Entwicklung hat man nicht vorausgesehen, als man vor Jahren zahlreiche Grundschulstandorte landesweit geschlossen hat. Wir haben viele neue Kinder – auch durch die Flüchtlingsbewegungen. Aber es gibt auch insgesamt mehr Platzbedarf durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung."
"Container nicht die endgültige Lösung"
Mit den Containern plane man "kurz- bis mittelfristig". Rippel betont aber auch: "Die Container sind nicht die endgültige Lösung, obwohl es heute sehr gute Modulbauweisen gibt. Container sind für uns hauptsächlich die schnellere und effzienteste Lösung, wenn kurzfristig mehr Platz gebraucht wird."
Langfristig wolle man aber die Schulstandorte ausbauen. Derzeit liefen Vorplanungen für den Bau einer gebundenen Ganztagsschule, auch im neu geplanten Stadtteil Coeur würde man gerne eine Kita bauen, sowie bei Bedarf auch eine Grundschule.
Neunkirchen: Eine komplette Schule im Container
In besonders großem Stil werden derzeit in Saarbrücken und Neunkirchen Containerräume eingesetzt.
Weil in Neunkirchen die Grundschule Fernstraße komplett neu gebaut wird, hat man den ganzen Schulbetrieb schließlich in einen mobilen Containerbau am Eisweiherplatz mit 40 Räumen ausgelagert. Rund 121 Schülerinnen und Schüler werden dort wohl mindestens bis Sommer 2027 zur Schule gehen – so lange sollen die Bauarbeiten dauern.
Die Stadt rechnet mit Mietkosten von insgesamt rund vier Millionen Euro.
Saarbrücken: Große Containermodule im Einsatz
Auch in Saarbrücken setzt man inzwischen in großem Stil auf Containermodule. Ob an der Grundschule Hohe Wacht, in Altenkessel, der Ostschule oder den Grundschulen Wallenbaum und Weyersberg: Vielerorts sind mehrgeschossige Containeranlagen mitsamt Sanitäranlagen, Treppenhäusern und Fluren zu finden.
Die Container werden gebraucht, um an den jeweiligen Schulen dringend benötigten weiteren Platz zu schaffen."
(Stadt Saarbrücken auf SR-Anfrage)
In Saarbrücken plant man mit den Containern etwas längerfristig, denn bis auf die Grundschule Ost wurden alle eingesetzten Anlagen gekauft statt sie zu mieten. Zur Begründung heißt es:
Die Mietpreise für Containeranlagen sind relativ hoch, so dass ein Kauf schon nach wenigen Jahren Gebrauch die wirtschaftlichere Alternative ist. Außerdem können die meisten gekauften Containeranlagen auch an anderen Stellen wiederverwendet oder erneut verkauft werden."
(Stadt Saarbrücken)
Über 4,2 Millionen Euro hat allein der Kauf der bisherigen Anlagen gekostet – die für dieses Jahr geplante Erweiterung der beiden Anlagen Wallenbaum und Weyersberg sind da noch nicht mit eingerechnet.
Problem setzt sich an weiterführenden Schulen fort
Doch nicht nur Grundschulkinder verbringen immer öfter Zeit in Containerräumen – auch an weiterführenden Schulen sind sie in allen Landkreisen des Saarlandes im Einsatz.
Auffällig: Hier sind es vor allem die Gemeinschaftsschulen und Förderschulen, die unter Platznot leiden.
Quelle: Angaben der Landkreise und des Regionalverbandes
Immer längere Nutzungszeiten
An einigen der weiterführenden Schulen sind Containeranlagen schon seit vielen Jahren im Einsatz. Etwa an der Astrid-Lindgren-Schule in Völklingen-Geislautern. Wie der Regionalverband mitteilt, wurden an dieser Förderschule vor über 25 Jahren Container als Schulraum gestellt. Nun sind sie "in die Jahre gekommen und müssen überplant werden", so die Pressestelle auf SR-Anfrage.
Ursprünglich hatte man sie nicht zur langfristigen Nutzung vorgesehen. Man ging von fallenden Schülerzahlen aufgrund der Inklusionspläne aus, doch es kam anders. Auch an dieser Schule steigt die Zahl der Schüler.
Auch Schulen anderer Landkreise und Städte stehen Container mit Nutzungszeiten von mehr als zehn, teilweise bis zu 25 Jahren, etwa im Saarpfalz-Kreis.
Klassenzimmer der Zukunft?
Container sind also inzwischen weit verbreitet. Werden das die Klassenzimmer der Zukunft? Für die Kommunen haben sie unbestreitbar viele Vorteile. Die Stadt Saarlouis etwa, hebt gegenüber dem SR hervor:
Die Modulbauten überzeugen durch ihr durchdachtes Raumkonzept und die Möglichkeit einer schnellen und flexiblen Umsetzung. Damit können die Schulstandorte zeitnah und bedarfsgerecht erweitert und spürbar verbessert werden, um den Anforderungen moderner Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gerecht zu werden."
(Stadt Saarlouis)
"Container bieten schnelle Lösungen"
Container bieten den Kommunen in erster Linie schnelle Lösungen, sagt auch Architekt Jens Stahnke, Vizepräsident der Architektenkammer des Saarlandes. Man habe einen genauen Überblick über die Kosten und könne das im Haushalt gut einplanen. Das sei "einfach für die Kommunen."
Allerdings: "Container können allenfalls eine Übergangslösung sein während man eine Schule saniert", hebt Stahnke hervor. "Man kann Kinder nicht über vier Jahre oder länger da reinstecken."
Mit Containern ließen sich keine pädagogischen Konzepte umsetzen, sie böten "kein echtes Raumkonzept", so Stahnke.
Lehrerverband: "Unterricht wird eingeschränkt"
Das sehen auch Lehrerinnen und Lehrer so. Dominik Schwer, stellvertretender Landesvorsitzender des saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes sagt im Gespräch mit dem SR, viele der im Saarland aktuell eingesetzten Containerlösungen schränkten die Methodenvielfalt der Pädagogen massiv ein.
"Man will ja weg vom Frontalunterricht, arbeitet stattdessen mit Lerntheken, Sitzkreisen und anderen Mitteln. Doch das ist in den eng bemessenen Containern oft nicht möglich", so Schwer.
"Übergangslösung ja, langfristige Nutzung nein"
Auch die Akustik sei teilweise schlecht. "Gerade im Grundschulbereich wo sie ja leider viel eingesetzt sind, sind die Auswirkungen gravierend." Große Probleme gebe es auch an Förderschulen, wo sich Container inzwischen häuften, die Kinder aber eigentlich mehr Raum und Rückzugsmöglichkeiten bräuchten.
Wenn es eine Perspektive gebe, dass die Schule saniert werde, könnten viele Lehrer mit einem Übergangsprovisorium dieser Art gut leben. Das zeigten zahlreiche Berichte von Lehrerinnen und Lehrern im ganzen Saarland, so Schwer. Aber dauerhaft, über viele Jahre Container als Klassenzimmer zu nutzen, sei inakzeptabel.
"Dauerhafte Container sind eine Bankrotterklärung"
Auch Architekt Stahnke sieht die immer länger werdenden Nutzungszeiten der Containermodule mit Sorgen: "Ich bezweifle, dass sich durch Container langfristig wirklich Kosten sparen lassen." Selbst wenn die Kommunen sie kauften, statt zu mieten.
"Container sind Industrieprodukte. Es sind keine hochwertigen Materialien verarbeitet, auch keine hochwertigen Dämmstoffe. Das führt dazu, dass man im Winter hohe Heizkosten hat und es im Sommer sehr heiß darin werden kann." Zudem seien "Schadstoffe bei Containern keine Einzelfälle".
"Das ist eigentlich eine Bankrotterklärung, wenn man Schulen nicht saniert oder neubaut, sondern stattdessen dauerhaft auf Container oder Modulbauten setzt."
(Architekt Jens Stahnke)
Sanierungsstau an Schulen
Ein Hauptproblem vor dem Städte und Landkreise stehen, ist der massive Sanierungsstau an den Schulen. Architekt Stahnke: "Wir haben das Problem, dass unsere Schulgebäude in großen Teilen einfach schon sehr alt sind. Sie haben quasi überall Sanierungsbedarf, auch energetisch sind die meisten Gebäude eine Katastrophe."
Die Landesregierung hat bereits vor längerem ein Schulbauprogramm angekündigt. Rund 233 Millionen Euro will man innerhalb von fünf Jahren in die saarländischen Schulgebäude investieren, den Großteil davon in die Grundschulen.
Neben dem Sanierungsstau gibt es aber auch zusätzlichen Raumbedarf durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen, der ab dem Schuljahr 2026/27 schrittweise greift. Laut Schätzungen des Saarländischen Städte- und Gemeindetags (SSGT) müssten allein dafür mehr als 330 Millionen Euro aufgewendet werden.
Zusammen mit dem allgemeinen Sanierungsstau kommt der SSGT auf über 700 Millionen Euro, die seiner Rechnung zufolge eigentlich allein in die Grundschulen investiert werden müssten.
Da wirken die 233 Millionen Euro im Schulbauprogramm schon eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 08.02.2025 berichtet.
Mehr zu Containern und Sanierung der Schulen:
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