Ein Kind fasst seinem Vater in den Bart

Saarland Warum nehmen im Saarland so wenig Männer Elterngeld in Anspruch?

Stand: 30.03.2025 08:30 Uhr

Nur 20,6 Prozent der Elterngeldbeziehenden im Saarland sind männlich. Damit liegt das Saarland seit Jahren unter dem bundesweiten Durchschnitt und teilweise fast zehn Prozentpunkte hinter anderen Bundesländern.

Sabrina Nonnengardt

Seit Jahren ist das Saarland Schlusslicht beim Elterngeld für Väter. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes kamen auch im vergangenen Jahr auf einen Mann, der Elterngeld bezieht, vier Frauen. Aber woran liegt das?

Laut der Frauenbeauftragten des Regionalverbands Saarbrücken, Mirjam Altmeier-Koletzki, hat das verschiedene Ursachen. Unter anderem sieht sie die Unternehmen und die Politik in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber auch kulturelle und finanzielle Aspekte beeinflussten die Entscheidungen der jungen Familien.

Konservatives Familienmodell noch weit verbreitet

Das Saarland sei ein stark konservativ geprägtes Bundesland, so Altmeier-Koletzki. Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sei hier noch sehr präsent, wodurch sich Männer "wie ein rosa Einhorn auf dem Spielplatz" fühlten. Hier fehle die gesellschaftliche Akzeptanz, damit sich Männer mit ihrer Familienrolle identifizieren und in dieser aufgehen könnten.

Das sei auch ein Problem in vielen Unternehmen. Denn auch dort sei teilweise die Vorstellung weit verbreitet, dass eher Frauen von der Elternzeit Gebrauch machen und Männer weiterhin zur Arbeit kommen. "Kleine Unternehmen können sich das auch oft gar nicht leisten – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels", erklärt Altmeier-Koletzki. Das erhöhe für Männer zusätzlich die Hemmschwelle.

Männern fehlt ein Netzwerk für Erfahrungsaustausch

Auch fehle Männern häufig ein Netzwerk, in dem sie sich über die Familienarbeit austauschen können. Dadurch seien viele Männer unsicherer im Umgang mit dem Nachwuchs, erklärt Altmeier-Koletzki. Frauen fänden hingegen oft bereits im Zuge der Schwangerschaft Gleichgesinnte – etwa in Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskursen. Dadurch entstehe dann ein natürlicher Austausch, der Ängste und Unsicherheiten reduziere.

Um auch Vätern einen Zugang zu einem Netzwerk zu ermöglichen, hat sich vor drei Jahren das Väternetzwerk des Regionalverbands Saarbrücken gegründet. Ziel des Netzwerks sei es, dass auf diesem Wege auch Väter von dem Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten profitieren und ihre Rolle als moderner Vater finden können, erklärt Altmeier-Koletzki. Denn noch immer sind in Deutschland überwiegend Frauen für die Care-Arbeit in der Familie verantwortlich.

Rollenteilung in der Familie verstetigt sich

Dieser Trend hat sich zuletzt sogar wieder verstärkt: Eine breite gesellschaftliche Rückbesinnung auf konservative Werte und reaktionäre Vorstellungen drängt die Geschlechter zunehmend in traditionelle Rollen zurück. Auch Soziale Medien verstärkten diesen Trend, wie Altmeier-Koletzki bestätigte. Die Retraditionalisierung der weiblichen Rolle ist sogar zu einem eigenen Subgenre auf sozialen Medienplattformen wie Instagram oder TikTok geworden.

Zudem zeichnet sich die konservative Rollenverteilung in der Erwerbstätigkeit und finanziellen Situation der Geschlechter ab. Beispielsweise arbeiten im Saarland überdurchschnittlich viele Frauen in Teilzeit und auch bei voller Erwerbstätigkeit verdienen Frauen in Deutschland statistisch weniger als Männer für die gleiche Arbeit (gender pay gap).

Beides führt dazu, dass Frauen im Durchschnitt finanziell schlechter aufgestellt sind, wodurch ihre Berufstätigkeit nach der Geburt eines Kindes für die Familie oft weniger existentiell ist als die des Mannes.

Elterngeld liefert kaum finanzielle Anreize für Männer

Das Elterngeld ersetzt nur 65 Prozent des Einkommens. Daher ist es für eine Familie finanziell günstiger, wenn das Elternteil mit dem geringeren Einkommen Elterngeld bezieht. Und das sind häufig Frauen.

Zudem ist das Elterngeld gedeckelt. Einkommen über 2770 Euro netto pro Monat werden nicht berücksichtigt, sodass die maximale Leistung nicht über 1800 Euro im Monat hinausgehen kann. Das stellt für gut verdienende Väter ein zusätzliches Hemmnis dar, sich die Kinderauszeit zu nehmen. Zudem wurde das Elterngeld bisher nicht an die Preis- und Lohnentwicklung in Deutschland angepasst.

Elterngeld wurde noch nie erhöht

Während andere Sozialleistungen regelmäßig erhöht werden, um die inflationsbedingte Kaufkraftminderung auszugleichen, ist das Elterngeld auf dem Stand seiner Einführung im Jahr 2007 verharrt. Seitdem hat es noch keine Erhöhung gegeben, obwohl die Ampelkoalition eine entsprechende Anpassung geplant hatte.

Laut einer Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft hat sich dadurch die Kaufkraft des Elterngeldes seit 2007 um 38 Prozent reduziert. Auch im Rahmen einer jüngst erschienenen Befragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung betonen Experten die Notwendigkeit einer Modernisierung des Elterngeldes.

Dieses sei nicht nur finanziell nicht mehr zeitgemäß, sondern führe auch dazu, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt lange ausfielen. Denn laut der repräsentativen Befragung nehmen Frauen bundesweit 11,6 Monate Elterngeld in Anspruch, während Männer nur 2,8 Monate zuhause bleiben.

Dabei wünsche sich die Mehrheit der Familien bereits eine gleichberechtigte Aufteilung der bezahlten Elternzeit. "Männer wollen teilhaben" bestätigt auch Frauenbeauftragte Altmeier-Koletzki. Es liege in der Hand der Politik, die Bedingungen dafür so zu gestalten, dass das Angebot ohne große finanzielle Einbußen gleichberechtigt genutzt werden könne.

Wie errechnet sich das Elterngeld?

Beim Elterngeld werden drei verschiedene Modelle unterschieden:

Das Basiselterngeld kann maximal 14 Monate in Anspruch genommen werden, wenn beide Elternteile es nutzen. Als Basiselterngeld werden in der Regel 65 Prozent des Netto-Monatseinkommens, das vor der Geburt verdient wurde, gezahlt. Als Netto-Einkommen werden allerdings maximal 2770 Euro berücksichtigt. Das Elterngeld kann also höchstens 1800 Euro betragen. Wer nach der Geburt weiterhin ein Gehalt bezieht – also beispielsweise in Teilzeit arbeitet – kann 65 Prozent der Einkommensdifferenz als Elterngeld beziehen.

Das ElterngeldPlus kann doppelt so lange wie das Basiselterngeld – also bis zu 28 Monate – bezogen werden. Dafür fällt es geringer aus. Wenn das Elternteil nach der Geburt gar kein Einkommen bezieht, ist das monatliche ElterngeldPlus halb so hoch wie das monatliche Basiselterngeld. Wenn das Elternteil in Teilzeit arbeitet, kann es durch das ElterngeldPlus mehr beziehen als durch das Basiselterngeld.

Mit dem Partnerschaftsbonus können Elternteile jeweils bis zu vier zusätzliche Monate ElterngeldPlus beziehen, sofern beide in Teilzeit arbeiten.

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