Junge hält Vater und Mutter fest

Sachsen Knapp 5.000 Scheidungskinder in Sachsen: Wie der Unterhalt neu geregelt wird

Stand: 17.02.2025 11:00 Uhr

Insgesamt 4.479 Kinder waren 2024 in Sachsen von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Hinzu kommen Trennungskinder von Eltern ohne Trauschein. Wie viel Kindesunterhalt gezahlt werden muss, empfiehlt die Düsseldorfer Tabelle. Das Oberlandesgericht Dresden hat sich den darin festgesetzten neuen Unterhaltssätze für 2025 angeschlossen. Eltern müssen mehr bezahlen und die hohen Mieten bleiben ein Problem. Josef Linsler vom Verband für Unterhalt und Familienrecht erklärt, worum es geht.

Von MDR SACHSEN

Herr Linsler, wie wird der Unterhalt mit Düsseldorfer Tabelle berechnet?

Josef Linsler: Die Düsseldorfer Tabelle geht vom unterhaltsrelevanten Nettoeinkommen aus. Dabei werden vom Bruttoeinkommen Steuern, Sozialabgaben, berufsbedingte Aufwendungen wie zum Beispiel Fahrtkosten und eine mögliche Altersvorsorge abgezogen. Unterhaltspflichtige Kinder aus der ersten Ehe fließen ebenfalls in die Berechnungen mit ein. Für die Berechnung des Unterhalts spielt natürlich auch das Alter der Kinder eine Rolle.

Im Gegensatz zum Vorjahr ist die Unterhaltspflicht für Kinder nur gering gestiegen. Warum?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens gab es die Lohnentwicklung nicht her. Zweitens stieg der Kindesunterhalt bereits im Vorjahr um fast 21 Prozent. Die Fälle, in denen der Kindesunterhalt nicht vollständig gezahlt werden kann, nehmen immer mehr zu – besonders in den letzten Jahren.

Wie wird der Unterhalt zwischen beiden Eltern aufgeteilt?

Juristisch ist es so geregelt: einer betreut, einer bezahlt. Der Elternteil, der betreut, leistet den sogenannten Naturalunterhalt für Essen, Nahrung, Kleidung et cetera. Der andere Elternteil zahlt den sogenannten Barunterhalt zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs. Diese Aufteilung entspricht aber heute längst nicht mehr der sozialen Wirklichkeit. Sehr oft betreuen beide, aber nur einer zahlt. Die einst von der Ampel angedachte Reform des Unterhaltsrechts wollte dieser Verschiebung Rechnung tragen, dass beide betreuen und entsprechend eben auch beide zahlen sollen. Mit dem Bruch der Ampel hat sich jedoch auch diese Reform zumindest vorläufig erledigt.

Bis zu welchem Alter müssen Eltern Unterhalt zahlen?

Das Alter ist nicht das entscheidende Kriterium, sondern die Frage der Ausbildung. Ein Kind hat Anspruch auf Unterhalt bis 25 Jahre. Man geht davon aus, dass bis dahin Ausbildung und Studium abgeschlossen sind. Studierende und Auszubildende unter 25 Jahren sollen 2025 insgesamt 990 Euro an Unterhalt bekommen - sofern sie nicht mehr zu Hause wohnen und einen eigenen Haushalt haben.

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Wie viel Geld muss dem zahlenden Elternteil für sich selbst bleiben?

Der Selbstbehalt beträgt bei einem Berufstätigen mindestens 1.450 Euro monatlich. Für einen angemessenen Selbstbehalt – das unterscheidet die Düsseldorfer Tabelle – sollten jedem 1.750 Euro bleiben. Dieser Wert wird jedoch in 90 Prozent der Fälle unterschritten, weil mit dem Einkommen der Kindesunterhalt nicht gedeckt werden kann.

Wofür muss der Selbstbehalt reichen?

Der Selbstbehalt muss für Nahrung, Kleidung, Wohnung und Mobilität reichen, sowie für alles, was an existenziellen Bedürfnissen anfällt. Wenn das zahlende Elternteil auch gleichzeitig die Kinder betreut, muss es mit dem Selbstbehalt auch die Kinder betreuen können.

Reicht der aktuell angenommene Selbstbehalt?

Nein. Insbesondere bei den Wohnkosten wird es schwierig. Hier ist ein Wohnkostenanteil von 520 Euro monatlich vorgesehen. Das soll für Miet- und Energiekosten reichen.  So, wie ich Dresden kenne, werden Sie jedoch selten eine Wohnung für 520 Euro bekommen.

Was passiert denn, wenn das Einkommen für den Unterhalt nicht ausreicht?

In diesem Fall kann man Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen. Das gilt allerdings nur für Kinder bis 18 Jahre. Die gerichtliche Praxis hat Unterhaltspflichtigen aufgetragen, ganz einfach mehr zu arbeiten. Das kann sogar so weit gehen, dass jemand, der in der Woche 40 Stunden arbeitet, am Wochenende noch eine Nebentätigkeit aufnehmen muss. Wenn der Mindestunterhalt nicht gedeckt ist, bleibt noch, Sozialleistungen zu beanspruchen. Das kann Bürgergeld oder immer häufiger ein Wohnberechtigungsschein sein.

Wie beurteilen Sie als Verband die Situation der Eltern?

Kritik und Klagen sind an der Tagesordnung. Wir als Verband legen Wert darauf, dass Reformen stattfinden. Der Staat muss die höheren Wohnkosten entsprechend den örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen. Die zweite wichtige Reform wäre, den Kindesunterhalt auf die aktuellen Lebensverhältnisse der Familie anzupassen. Es ist ja längst nicht mehr so, dass einer arbeitet und der andere zu Hause sitzt. Ein ganz zentraler Punkt von uns ist, dass wir Eltern immer darauf hinweisen, dass es besser ist, sich zu einigen. Die Eltern wissen am besten, was ihre Kinder brauchen, wohin sie mit ihrer Erziehung wollen und welcher Aufwand dabei entsteht.

MDR (Interview: Thomas Hehde, Bearbeitung: Katrin Tominski)