
Sachsen Theaterstück "Prima Facie" über sexualisierte Gewalt neu in Dresden
Am Staatsschauspiel Dresden hat am Samstag das Stück "Prima Facie" Premiere. Henriette Hölzel spielt darin eine erfolgreiche Anwältin, die mutmaßliche Sexualstraftäter verteidigt – bis sie selbst vergewaltigt wird. Das Stück basiert auf dem #MeToo-Monolog der australischen Autorin Suzie Miller und greift zentrale Debatten um sexuelle Selbstbestimmung und den Grundsatz "Nein heißt nein" auf. Für Hölzel ist es eine künstlerische Herausforderung und ein wichtiges gesellschaftliches Statement.
- In Dresden ist das Theaterstück "Prima Facie" ab Samstag neu am Staatsschauspiel zu sehen.
- Darin spielt Henriette Hölzel eine Anwältin, die Sexualstraftäter verteidigt, bis sie selbst zur Betroffenen wird.
- Im Stück wird eindringlich geschildert, welche Tortur Frauen nach einer Vergewaltigung durchlaufen.
Der Titel des neuen Theaterstücks am Schauspiel Dresden, "Prima Facie", ist ein juristischer Begriff und bedeutet "dem ersten Anschein nach" oder so viel wie "bis auf Widerruf", weil Beweise fehlen. Bei Sexualdelikten spielt das eine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob der Sex einvernehmlich war oder nicht. Dann steht oft Aussage gegen Aussage.
Die australische Autorin Suzie Miller hat in ihrem Theaterstück solch einen Gerichtsprozess zum Thema gemacht und einen "MeeToo"-Monolog für die Bühne geschrieben, in dem sich die Debatten um sexuelle Selbstbestimmung und den Grundsatz "Nein heißt nein" abbilden.

Henriette Hölzel spielt in "Prima Facie" eine Anwältin, die mutmaßliche Sexualstraftäter verteidigt.
Anwältin verteidigt Sexualstraftäter und wird selbst zur Betroffenen
Seit der Uraufführung 2019 ist das Stück "Prima Facie" ein Theaterhit, auch auf deutschen Bühnen. Miller, die selbst Strafverteidigerin war, erzählt darin die Geschichte von Tessa, der jungen Star-Anwältin, die bevorzugt mutmaßliche Sexualstraftäter verteidigt – bis zu dem Tage, an dem sie selbst von einem Kollegen vergewaltigt wird und sich plötzlich auf der anderen Seite, im Zeugenstand, wiederfindet.
Die Dresdner Schauspielerin Henriette Hölzel sagt über ihre Rolle im Gespräch mit MDR KULTUR: "Ich habe das Gefühl, ich habe eine andere Verantwortung." Als Tessa spreche sie für viel mehr Frauen und Menschen als in anderen Figuren.
Ich habe das Gefühl, ich spreche für sehr viel mehr Frauen, Menschen, als vielleicht in anderen Figuren. Henriette Hölzel, Schauspielerin |

Henriette Hölzel spielt in dem Stück solo – ein Monolog um die "Nein heißt Nein"-Debatte und sexuelle Selbstbestimmung.
Es sei immer schwer, sich an solche Themen heranzuwagen, weil man nicht wisse: "Wie ist es richtig, wann geht man über eine Grenze oder bleibt man unter einer Grenze, wo muss es viel extremer sein, viel deutlicher, viel mehr 'in your face' und nicht so nett, und das versucht man so herauszufinden."
Aufwühlend inszeniert: Tortur von Frauen nach einer Vergewaltigung
Wie ergeht es einer Frau, die vergewaltigt wurde, monate-, ja jahrelang darauf wartet, dass der Prozess beginnt und dann – traumatisiert – als Anklägerin erleben muss, wie Aussage gegen Aussage steht und ihre Glaubwürdigkeit permanent in Frage gestellt wird? So eindringlich und aufwühlend wie möglich wollen Henriette Hölzel, Regisseurin Monique Hamelmann und Dramaturgin Lea Aupperle das immer wieder aufs Neue Durchleben-Müssen dieser Verletzung auf die Bühne bringen.

Im Stück wird die Protagonistin Tessa schließlich selbst zur Betroffenen einer Vergewaltigung.
"Ich habe mich das ganze Jahr auf dieses Projekt gefreut, weil das wirklich ein Projekt ist, was extrem wichtig ist, in einem Spielplan, an einem Haus, dass man Menschen hat, die hinter so einem Projekt stehen, die sagen: Das muss raus, das müssen Leute hören, diese Erfahrung müssen Leute mitkriegen, es darf nicht beschönigt werden", findet Henriette Hölzel.
Tessa halte am Ende ein Plädoyer über Sexismus, Täter-Opfer-Umkehr und Patriarchat. "Und ich glaube schon, dass das Theater dann ein Raum sein könnte, jemanden dazu zu bringen, danach zu sagen: 'Krass, das war mir nicht klar' – und ins Gespräch zu kommen."

Das Stück will zum Nachdenken anregen: Darüber, wie schmerzhaft es für Betroffene sexualisierte Gewalt oftmals ist, wenn vor Gericht Aussagen angezweifelt werden.
Besonders ist "Prima Facie" für Henriette Hölzel aber auch deshalb, weil die Schauspielerin gut anderthalb Stunden allein die Bühne bespielen wird. Nicht immer nur als Tessa, sondern sie schlüpft stellenweise auch in deren Gegenüber. Die Schauspielerin findet diese Herausforderung nach jahrelanger Berufserfahrung wichtig. "Es ist auch überfordernd und eine große Chance für mich, um auch aus meiner Komfortzone herauszukommen."

"Prima Facie" feiert am 17. Mai in Dresden Premiere. Weitere Termine stehen im Juni und Juli auf dem Programm des Staatsschauspiels.
Schauspielerin Henriette Hölzel in Dresden beliebt
Auf der Bühne in Dresden feiert sie immer wieder Erfolge und erntet für ihre Rollen oft Szenenapplaus und Standing Ovations. Henriette Hölzel, Jahrgang 1993, hat das Dresdner Publikum, man möchte fast sagen, im Sturm erobert. Seit 2019 gehört sie zum Ensemble des Staatsschauspiels Dresden. Doch auch schon zuvor hat sie hier auf der Bühne gestanden, unter anderem als Kriemhild in den "Nibelungen", der ersten Inszenierung der Dresdner Bürgerbühne 2009. Ob sie, die in Radebeul nahe Dresden aufgewachsen ist, darüber nachdenkt, an ein anderes Haus zu wechseln? Anfragen gebe es gelegentlich, erzählt sie.

Henriette Hölzel, Jahrgang 1993, ist in Radebeul aufgewachsen und seit 2019 festes Ensemblemitglied am Staatsschauspiel Dresden.
Bis zur Ende der Intendanz von Joachim Klement 2027 will sie noch bleiben und dann schauen. Sie würde gern mehr Filme drehen. Vielleicht sei sie da auch manchmal naiv, sagt Hölzel und denkt, wenn sie nochmal woanders hingehe, dass wird dann schon: "Aber natürlich ist es gefühlt ein Wahnsinn, wieder von vorne anzufangen." Aber auch jedes neue Stück, jede neue Rolle, ist irgendwie ein Neuanfang: Das Solo für Henriette Hölzel in "Prima Facie" ganz bestimmt.
Weitere Informationen:
"Prima Facie" mit Henriette Hölzel
von Suzie Miller
Adresse:
Staatsschauspiel Dresden, "Kleines Haus" 1
Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Termine:
17. Mai, 19:30 Uhr, Premiere (Restkarten)
24. Mai, 19:30 Uhr
8. Juni, 19:00 Uhr
21. Juni, 19:30 Uhr
3. Juli, 19:30 Uhr
redaktionelle Bearbeitung: sg, vp