
Sachsen Freie Szene unter Druck: Dresden zeigt Kunst aus der Slowakei
In Dresden zeigt das Festival "Nebenan" ab Mittwoch zeitgenössische Kunst aus der Slowakei. Das Festival bietet seit 2022 Kulturschaffenden eine Bühne, die unter schwierigen politischen Bedingungen arbeiten, zuletzt im Fokus waren die Ukraine und Ungarn. Im Festspielhaus Hellerau sind bis zum 8. Februar 2025 Videokunst, Performances, Tanztheater und Zirkus zu erleben, präsentiert von einer freien Szene, die in der Slowakei zunehmend politisch und finanziell unter Druck gerät.
- Zeitgenössische Kunst aus der Slowakei sichtbar machen will das Festival "Nebenan" vom 5. bis 8. Februar 2025 im Festspielhaus Hellerau in Dresden.
- Die freie Kulturszene in der Slowakei gerät zunehmend unter Druck durch Politik und Hetze.
- Im Festivalprogramm spiegelt sich die gesellschaftliche Auseinandersetzung wider, geboten werden Videos, Performances und Zirkus.
Immer wieder schlittert ein weißer Subaru über eine verschneite Brachfläche, immer im Kreis, mit Vollgas. Auf einer großen Leinwand kann man dieser wilden Fahrt folgen, ebenso dem gleichförmigen Sound des Motors, der dann aber ganz allmählich in rhythmisierte Geräusche übergeht – klangliche Fundstücke vom ehemaligen Testgelände für Panzer in der Mittelslowakei, wie die Künstlerin Katarína Marková im Gespräch mit MDR KULTUR erklärt. Sie ist ganz in der Nähe aufgewachsen. Es war eine der größten Panzerfabriken im ehemaligen Ostblock, erzählt die Künstlerin.
Kunstszene aus der Slowakei international sichtbar machen
Ihr performativer Videoessay bringt den Ort und die Atmosphäre nach Dresden ins Festspielhaus Hellerau als Beitrag zum Festival "Nebenan", "Zblízka" auf Slowakisch. Kuratorin Saskia Ottis versucht, im Programm die große Vielfalt der Kultur- und Kunstszene, die sie in Bratislava, aber auch in Žilina, Banská Bystrica und Košice angetroffen hat, zu zeigen.
Eine Szene, die international kaum sichtbar und deren Zukunft angesichts der politischen Umstände im Land ungewiss ist. "Trotzdem gab es erstmal Zustimmung, so einen Schwerpunkt hier in Dresden, in Hellerau zu veranstalten", berichtet die Kuratorin.

Das Stück "It all started with a winner" von Divadlo Štúdio tanca/Judith Sánchez Ruíz eröffnet das "Nebenan"-Festival am 5. Februar 2025.
Slowakei: Freie und queere Szenen unter politischem Druck
Das "Nebenan"-Festival findet in diesem Jahr zum vierten Mal statt und stellt Länder in den Fokus, in denen Kulturschaffende unter schwierigen politischen Bedigungen arbeiten. Zuletzt wurden Belarus, die Ukraine und Ungarn thematisiert.
Als die Vorbereitungen für die diesjährige Ausgabe im Frühsommer 2024 starteten, war der Staatsumbau in der Slowakei durch die linkspopulistisch-rechtsnationale Regierung unter Robert Fico bereits in vollem Gange – einschließlich der Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Verantwortlich dafür ist Martina Šimkovičová. Die Kulturministerin setzte auch unliebsame Direktorinnen und Direktoren staatlicher Kulturinstitutionen ab und strich Fördermittel für die freie Szene.
Doch die Kulturschaffenden schweigen nicht. Seit Monaten protestieren sie gegen Šimkovičovás Politik und gegen deren Hetze, die sich unter anderem gegen die queere Community richtet. "Dass man da internationalen Support braucht, ist total klar", betont Kuratorin Saskia Ottis, "auch um queere Personen zu schützen und sie in ihren Statements noch zu verstärken."

Zirkuskünstler Roman Škadra hantiert mit 200 Kilogramm schweren Kugelhanteln.
"Nebenan"-Festival spiegelt Gesellschaftskritik auf der Bühne wider
Beim "Nebenan"-Festival in Dresden bekommt das Publikum die ganze Bandbreite slowakischer Performance-Kunst zu sehen: unter anderem eine Art Dinnershow mit dem Titel "Bruchovravy" (deutsch: Blähungen), bei der live on stage gekocht und dabei über das slowakische Parlament spekuliert wird. Faszinieren wird mit Sicherheit auch der Zirkuskünstler Roman Škadra, der 200 Kilogramm Kugelhanteln jongliert und zu Skulpturen auftürmt.
Den Anfang macht jedoch ein Tanztheater aus Banská Bystrica, das Divadlo Štúdio tanca, mit dem Stück "Po víťazstve" (deutsch; Nach dem Sieg). "In unserer Choreografie arbeiten wir mit verschiedenen Sprachen, die man nicht verstehen muss, aber es ist klar, dass sich die Figuren untereinander nicht verstehen, sogar miteinander streiten", erläutert dazu Leiterin Lucia Kašiarová.
Das Bühnenbild bestehe nur aus einer weißen Treppe, die deutlich mache, wer im Machtgefüge höher stehe. Am Ende bleibe die Frage offen, auf welcher Stufe man beim nächsten Mal stehe, so Kašiarová. Ausgehend vom 80. Jahrestag des slowakischen Nationalaufstandes von 1944 richtet die Inszenierung den Fokus auf die heutige Gesellschaft und ihre auf Gewinner ausgerichtete Kultur.

Den humorvollen audiovisuellen Essay "All You Can Eat" über Entscheidungsfindungen angesichts von Bilderfluten zeigt das Collective ooo in Dresden.
Zukunftsfrage für Kulturschaffende: Bleiben oder gehen?
Kašiarová berichtet, dass ihr Theater nach wie vor von der Region gefördert werde und damit unabhängig sei vom Kulturministerium. Zunehmend bleibe aber Publikum aus. Kašiarová betrachtet das als Resultat von Hass-Posts gegen zeitgenössischen Kunst, die die Szene zunehmend verunsichere.
Viele Künstlerinnen und Künstler harren noch aus, sie überlegen, wann der Moment gekommen ist zu sagen: 'Es reicht', und das Land zu verlassen. Lucia Kašiarová, Leiterin des Tanztheaters Divadlo Štúdio tanca |
"Viele Künstlerinnen und Künstler harren noch aus, sie überlegen, wann der Moment gekommen ist zu sagen: 'Es reicht', und das Land zu verlassen", sagt Kašiarová. Auch für sie scheint es eine Frage der Zeit, bis sie das Divadlo Štúdio tanca verlassen und nach Prag zurückgehen wird. Denn der Druck auf die Künstlerinnen und Künstler, so steht zu befürchten, wird weiter zunehmen.
Mehr zum "Nebenan"-Festival 2025
"Nebenan/Zblízka"
5. bis 8. Februar 2025
Adresse:
Festspielhaus Hellerau
Karl-Liebknecht-Straße 56, 01109 Dresden
Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), Redaktionelle Bearbeitung: lg, ks, sg