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Sachsen Von Dresden bis Leipzig: Sächsische Kabaretts sorgen sich um die Zukunft
Ist Kabarett noch bezahlbar? Die Kabarettbefragung von MDR KULTUR zeigt, dass vor allem die Häuser in Sachsen mit Geldproblemen zu kämpfen haben. Sie finanzieren sich fast ausschließlich über den Eintritt. Doch das Publikum wählt mittlerweile sehr genau aus, was es sich noch leisten möchte. Dazu kommen wie überall höhere Kosten. An staatlicher Unterstützung mangelt es. Das alles bringt die Kabaretts an ihre Grenzen. Wir haben zwei von ihnen besucht und mit den Betreibern gesprochen.
- Kabaretts in Sachsen leiden unter steigenden Kosten und schwankenden staatlichen Förderungen.
- Sie reagieren darauf unterschiedlich – manche erhöhen die Preise, andere dünnen das Programm aus.
- Außerdem versuchen die Kabaretts mit unterschiedlichem Erfolg junge Zielgruppen zu erreichen.
Die sächsischen Kabaretts sorgen sich um ihre Zukunft. Das geht aus der MDR KULTUR Kabarettbefragung hervor, die in Zusammenarbeit mit MDR fragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, entstanden ist. Vier von sechs befragten Kabaretts in Sachsen sagen demnach, dass die finanzielle Situation im Vergleich zum Jahr 2000 schlechter geworden ist. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Situation der Kabaretts laut der Befragung weniger angespannt. An der Befragung haben sich 15 der 16 festen Kabaretts mit eigenem Ensemble in Mitteldeutschland beteiligt.
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Kabarettbefragung
Höhere Kosten bei weniger Förderung
Wie fast alle Branchen kämpfen auch die Kabaretts mit gestiegenen Kosten für Lohn, Energie und Miete. Dörte Waurick, Geschäftsführerin des Kabaretts Academixer in Leipzig, sagte MDR KULTUR, man sei "vor zehn Jahren mit wesentlich geringerem Umsatz gut klar gekommen". Seit Corona habe sich die Lage jedoch verschärft.
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Dörte Waurick ist seit zwölf Jahren die Geschäftsführerin des Kabaretts Academixer in Leipzig.
Diesen Eindruck bestätigt auch Jens Fritzsche. Er ist beim Dresdner Kabarett Herkuleskeule für das Marketing zuständig. Durch die Pandemie seien auch die Streamingdienste stärker geworden, die man als Konkurrenz betrachte, so Fritzsche bei MDR KULTUR. Doch er gibt gleichzeitig etwas Entwarnung: "Es ist nicht so, dass wir finanziell auf Rosen gebettet sind, aber wir denken auch nicht darüber nach, hier morgen die Tür zuzumachen."
Es ist so, dass man vor zehn Jahren mit wesentlich geringerem Umsatz gut klar gekommen ist als Unternehmen. Dörte Waurick, Academixer Leipzig |
Mit Sorge blicken er und viele andere Kollegen jedoch auf das Thema Förderung. Nur 4 von 15 Kabaretts in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhalten staatliche Unterstützung. Die Herkuleskeule in Dresden beispielsweise finanziert sich zu rund 90 Prozent aus den Ticketverkäufen, benötige aber auch Förderung von der Stadt – und das in einer Zeit, in der Kommunen wie Dresden knapp bei Kasse sind. Wenn der Staat sich da zurückziehe, werde es schwieriger, die Fixkosten wie zum Beispiel Miete zu decken, sagt Fritzsche: "Das ist eine Herausforderung, das muss man so deutlich sagen."
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Kabarettbefragung
Schon die freie Musik- und Theaterszene in Sachsen zeigte sich zuletzt besorgt angesichts der unklaren Fördersituation. Zwar haben sich auf Landesebene CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zur Kultur bekannt, gerade bei den Kabaretts kommt es aber vor allem auf kommunale Förderung an. Und den Kommunen fehlt es an Geld.
Preise erhöhen, um Förderung kämpfen
Wie gehen die Kabaretts in Sachsen mit dem Finanzdruck um? Man hoffe, sagt Jens Fritzsche, dass Unterstützung von der Stadt komme. Trotzdem fokussiere sich die Herkuleskeule auf das, was sie selbst in der Hand habe: "Wir müssen Tickets, Tickets, Tickets verkaufen!" Angesichts gestiegener Kosten werde man den Preis der Tickets noch in diesem Jahr um zwei Euro anheben, kündigt er an.

Beim Dauerbrenner "Leise flehen meine Glieder" ist der Saal der Herkuleskeule mit mehr als 200 Plätzen gut gefüllt.
Auch im Kabarett Academixer in Leipzig hofft man in diesem Jahr noch auf eine Förderung. Eins der Bühnenstücke hat es auf die Förderliste der Stadt geschafft und könnte mit 16.000 Euro unterstützt werden, wenn der Haushalt verabschiedet wird.
Wir müssen Tickets, Tickets, Tickets verkaufen! Jens Fritzsche, Herkuleskeule Dresden |
Im Jahr 2023 habe die ausbleibende staatliche Unterstützung bei den Academixern fast zur Insolvenz geführt, berichtet Dörte Waurick. Das habe bis heute Auswirkungen: Bis vor kurzem wurde auf der Bühne jeden Tag gespielt. Um Kosten zu senken, gibt es jetzt nur noch an sechs Tagen Programm – perspektivisch sollen es nur noch fünf sein. Das bedeutet auch, dass Arbeitsplätze wegfallen.
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Kabarettbefragung
Während in der Dresdner Herkuleskeule das Publikum recht durchmischt ist – jung und alt, Touristen und Einheimische – leben die Academixer eher von ihrem Stammpublikum. Das sei im Durchschnitt 60 Jahre alt, bestehe überwiegend aus Frauen aus Leipzig und Umgebung, erklärt Dörte Waurick.
Kabaretts wollen junges Publikum anlocken
Bei der MDR KULTUR Kabarettbefragung gaben alle teilnehmenden Kabaretts an, auch junges Publikum erreichen zu wollen – zum Beispiel über veränderte Programme und Präsenz in den sozialen Medien. Dörte Waurick und ihr Academixer-Team haben es darüber hinaus schon mit Kabarett-Schulprojekten versucht. Doch sie ist skeptisch, den Altersdurchschnitt im Publikum zu senken: "Kabarett ist kein Thema für junge Menschen. Da ist eine gewisse Reife erforderlich, um das einordnen zu können."

Das Leipziger Kabarett Academixer kann aus Kostengründen nicht mehr jeden Tag eine Vorstellung anbieten.
Vor zwei Jahren hatten bereits ihre Kollegen vom Leipziger Kabarett "Die Funzel" geschlossen. Direktor Thorsten Wolf sagte MDR KULTUR damals zur Begründung, dass man "Kabarett neu denken" müsse. Das sei aber schwierig, wenn das Ensemble selbst schon älter sei: "Wir sterben mit unserem Publikum aus."
Wir sterben mit unserem Publikum aus. Thorsten Wolf, ehemaliger Kabarett-Direktor |
Das sieht Jens Fritzsche von der Herkuleskeule in Dresden ganz anders. Es komme auf die Themen an. Ein neues Programm des Hauses spiele zum Beispiel in einer verstrittenen Zweck-WG: "Ich glaube, Kabarett kann jung sein!" Die Herkuleskeule versuche außerdem, mit neuen Veranstaltungen zu punkten – beispielsweise ist eine Matinee mit Ex-Fußballstar Ulf Kirsten geplant.
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Jens Fritzsche kümmert sich darum, die Herkuleskeule zu vermarkten.
In einem Punkt sind sich Dörte Waurick und Jens Fritzsche einig: Es braucht weiterhin Kabarett. Die oft beschworene Politikverdrossenheit "weicht dem Interesse, sich auch mit Dingen auseinandersetzen zu wollen", sagt Fritzsche. Das wiederum sei nicht so gut "digital erlebbar", sagt Dörte Waurick. Im Kabarett zu sitzen und sich voll darauf einzulassen sei "ein anderes Erlebnis".
Quelle: MDR KULTUR (Philipp Lakomy), MDRfragt
Redaktionelle Bearbeitung: bh